Bottrop. Den heute geschlossen wirkenden Rathausplatz gibt es seit 1923. Das Verwaltungszentrum der Stadt wuchs seit 1877 langsam, aber planvoll.
Bottrop hat das viertschönste Rathaus im Land. Das jedenfalls ergab jüngst der Bürgeraufruf des NRW-Heimatministeriums, das schönste Rathaus Nordrhein-Westfalens zu küren. Dabei ist der im Kern 1877 begonnene und 1918 nach Plänen des Essener Architekten Ludwig Becker vollendete Bau Teil eines Gesamtensembles.
Platz als Teil eines großen Gesamtensembles
Denn das Verwaltungs- und Behördenzentrum des bis 1919 „größten Dorfs Preußens“ ist seither Ausgangspunkt für ein komplettes Viertel, dessen Planer seit den späten 1910er und 20er Jahren mehrere Plätze und große Innenhöfe zwischen Kirchhellener-, Gerichts-, Moltke- und Gladbecker Straße vorsehen. Feuerwehr, Lyzeum, Finanzamt, Polizei, Bergrevier umgeben rasch das neue in historischen Formen erbaute Rathaus. Sogar ein Hallenbad ist beim heutigen Droste-Hülshof-Platz zumindest angedacht, wie der vor einiger Zeit verstorbene frühere Stadtdirektor Norbert Wallmann in seinem Buch über „Stadtplätze in Bottrop“ schreibt.
Nicht alle Pläne aus dieser kreativen Architektenzeit werden umgesetzt. Und Feuerwache, Finanzamt, Polizei sind inzwischen anderswo angesiedelt. Aber der Kern, der eigentliche Rathausplatz, mit dem früheren Mädchenlyzeum gegenüber dem Rathaus, ist bis heute der wohl schönste und stimmungsvollste der Bottroper Plätze. Backstein und sparsam verwendeter Naturstein im Zierrat prägen das Rechteck, das sich zur Kirchhellener Straße öffnet. Ein Ensemble, das seit 1988 unter Denkmalschutz steht.
Rathaus wie ein Fremdkörper im Gartenidyll
Dieser Platz liegt vor gut 100 Jahren noch am Dorfrand und die umgebenden Gärten lassen das Rathaus fast wie einen Fremdkörper erscheinen, wie eine idealisierte Postkartenansicht von 1918 zeigt. Aber kurz nach der Erhebung Bottrops zur Stadt 1919 wird schnell klar: Die politische Uhr tickt nicht mehr im alten Dorfkern um die Cyriakuskirche, sondern hier. Nicht umsonst hat das Rathaus noch lange nach der Einrichtung eines selbstständigen Fernsprechamtes 1901 die Telefonnummer 1 - auch wenn man damit zunächst noch im alten Amtshaus an der Kirchhellener Straße landet. 1919 stürmen Spartakistentrupps das gerade neue Rathaus. Männer, die das Gebäude verteidigen wollen, werden erschlagen. Im Jahr darauf wird das Verwaltungszentrum und Sitz des Bürgermeisters von der Roten Ruhrarmee angegriffen.
Zu dieser Zeit steht noch das alte kleine Arresthaus, von der Feuerwehr auch als Spritzenhaus genutzt, mitten auf dem schönen Platz. Andere Arrestzellen sind bis heute im Untergeschoss des Rathauses zu besichtigen. In der Zeit des Naziterrors werden dort auch viele Bottroper jüdischen Glaubens zusammengetrieben, bevor sie deportiert werden. Da haben die damaligen Machthaber den ersten Bürgermeister der noch jungen Stadt, Dr. Erich Baur, schon längst aus dem Rathaus vertrieben, da er nicht ins politische Bild der Nationalsozialisten passt.
Kriegsschäden rasch repariert
Der Zweite Weltkrieg lässt auch Rathaus und Platz nicht unberührt. Die 105 Angriffe mit 40.000 Bomben und auch der Beschuss beim Vorrücken der Alliierten Truppen beschädigen die Gebäude um den Platz - allerdings nicht so schwer, dass sie nicht im April 1945 von den Amerikanern, danach von den Briten, als Sitz der Militärverwaltung genutzt werden können.
Seither wird der Rathausplatz mehr und mehr zur Guten Stube in der Stadtmitte. Ehrengäste und Besucher führt man gerne über das Pflaster des nun nach dem langjährigen Oberbürgermeister Ernst Wilczok benannten Stadtplatzes. Seit den 80er Jahren entstehen der große Brunnen und an der Westseite zwei Häuser mit markanten Giebeln in Ziegelbauweise, die dem denkmalgeschützten Platz gut zu Gesicht stehen. Schützenfest, Karneval, Weihnachts- und Feierabendmarkt beleben heute - in Nicht-Coronazeiten - den Platz, der vielleicht wie kein zweiter als Wohnzimmer der Bottroper gelten kann.