Bottrop. Der Leiter der Wache Bottrop sagt: Besonnenes Verhalten vieler Beteiligter hat Eskalationen verhindert. Das zeige auch die Kriminalstatistik.

Die Flüchtlingskrise und die Folgen haben in der Kriminalstatistik für Bottrop sowie im Einsatzgeschehen in der Stadt viel weniger deutliche Spuren hinterlassen als öffentlich wahrgenommen, sagt Bernd Vogel, der Leiter der Polizeiwache Bottrop. Seine These im Rückblick auf die vergangenen fünf Jahre in Bottrop aus polizeilicher Sicht: „Die befürchtete Krise ist nicht eingetreten.“ Das habe auch damit zu tun, dass Stadtverwaltung und Stadtgesellschaft das Problem ebenso entschlossen wie besonnen angegangen seien.

Wie weit öffentliche Wahrnehmung und Polizeistatistik auseinander liegen können, hat sich zum Jahresende 2019 rund um den Busbahnhof ZOB gezeigt. Anwohner hatte immer lauter Klagen vorgebracht über Kriminalität, Streitigkeiten und nächtliche Ruhestörungen, die sie zu einem großen Teil auf das Konto von Flüchtlingen verbucht hatten. „Das Sicherheitsgefühl der Menschen war stark beeinträchtigt“, sagt Vogel. „Die Irritationen dort waren nachhaltig, entsprachen aber nicht der tatsächlichen Lage.“

Täter in der City kamen meist aus der etablierten Wohnbevölkerung

Das zeigte sich, nachdem die Polizei gemeinsam mit dem städtischen Ordnungsdienst eine Reihe von Kontrollaktionen in der Innenstadt durchgeführt hatte. „Wir haben keine Indikatoren dafür gefunden, dass Flüchtlinge dort als Störer oder Täter aufgetreten sind“, sagt Vogel. „Die kamen aus der etablierten Wohnbevölkerung.“

Ähnliche Erkenntnisse hat die Polizei durch ihre Einsätze zur Bekämpfung der Clankriminalität, seit einiger Zeit ein neuer Ermittlungsschwerpunkt. In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Sisha-Bars und Barber-Shops in Bottrop gestiegen. Das könne auch mit einer stärkeren Nachfrage durch arabischstämmige Zuwanderer zu tun haben. In den Clan-Strukturen spielten Flüchtlinge aber kaum eine Rolle, sagt Vogel: „Da sprechen wir von Großfamilien, die seit zwei Generationen in Deutschland sind.“ Verharmlosen wolle die Polizei Kriminalität von Flüchtlingen nicht: „Man soll nicht den Eindruck erwecken: Die begehen gar keine Straftaten.“ In der Kriminalstatistik finden sie sich bei Ladendiebstählen, Schwarzfahrten und Körperverletzungsdelikten untereinander, sagt Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber.

Frühzeitige Entzerrung hat in Bottrop geholfen

Viele Aspekte der Flüchtlingskrise sind Bottrop erspart geblieben, weil die Verwaltung früh und erfolgreich versucht hat, die Zuwanderer in normale Wohnungen unterzubringen und so Flüchtlingsheime gar nicht erst zu Kristallisationspunkten von Kriminalität werden zu lassen. Das habe auch bei der Integration der Zuwanderer geholfen, sagt Vogel: „Der Weg zur Integration führt nicht über Kasernierung.“ An den 22 Objekten, die heute als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden, sei die polizeiliche Einsatzlage übersichtlich: Die Statistik wies zuletzt 80 Einsätze in 13 Monaten aus.

Die polarisierte politische Flüchtlingsdebatte spiegelt sich in Bottrop in einem gewachsenen Konfliktpotenzial bei Kundgebungen. Vogel spricht von einem „Reiz-Reaktions-Schema“, das Demonstrationen auslösen, deren Teilnehmer im rechten Spektrum zugeordnet werden. Bei Kundgebungen wie etwa der „Mütter gegen Gewalt“ im März 2018 ist es dann Aufgabe der Polizei, die Versammlungsfreiheit zu schützen - und Demonstranten und Gegendemonstranten auf Distanz zu halten.

Großeinsatz auf der Osterfelder Straße: Die Polizei trennt bei einer Demonstration gegen den türkischen Vormarsch in Syrien am 16. Oktober 2019, die Teilnehmer einer Gegendemonstration von der Kundgebung.
Großeinsatz auf der Osterfelder Straße: Die Polizei trennt bei einer Demonstration gegen den türkischen Vormarsch in Syrien am 16. Oktober 2019, die Teilnehmer einer Gegendemonstration von der Kundgebung. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde


Das gewalttätigste Aufeinandertreffen von gegnerischen Gruppen in der Innenstadt seit vielen Jahren hatte allerdings mit der Flüchtlingskrise nur sehr wenig zu tun. Acht Menschen, darunter fünf Polizisten, wurden verletzt im Oktober 2019 bei der Eskalation einer kurdischen Kundgebung gegen den türkischen Einmarsch in Syrien. Vogel: „Dass Konflikte zwischen Kulturen und Systemen auch hier ausgetragen werden, ist für die Polizei leider keine neue Erscheinung.“