Bottrop. Bestsellerautor lieferte im Bottroper Museum Quadrat eine Lehrstunde zum Thema gesellschaftliche Verrohung. Sein Name steht auf Todeslisten.
Als nützliches Kompendium voller schlauer Tipps für den Umgang mit rechten Alt- und Neuspinnern, Querdenkern und dergleichen würde wohl so mancher gern das Buch „Auf sie mit Gebrüll! … und mit guten Argumenten“, des ehemaligen Spiegel-Journalisten Hasnain Kazim, verstehen.
Genau das ist es aber nicht – oder nur bedingt, wie der bald 47-Jährige mit druckreif formulierter Eloquenz bei seiner Lesung im Rahmen der Interkulturellen Woche vor erfreulich vielen Zuhörern im Quadrat klarstellte. Es war eine, nun ja, faszinierende Lehrstunde in Sachen zunehmende Verrohung bestimmter Teile der Gesellschaft, die der in Oldenburg als Sohn indisch-pakistanischer Eltern geborene Kazim an diversen Jahreszahlen und Ereignissen festmachte, die sich mit seiner Biografie verbinden.
Hasnain Kazim wird in der Jugend angefeindet
„Ich habe die Orte in meinem Kopf: Solingen, Mölln, Greifswald, Rostock-Lichtenhagen.“ Die damit verbundenen Bilder verließen ihn nie wieder. Seither beschäftige er sich mit Rassismus und Hass: „Nicht, weil ich das wollte“, sondern weil er als 17 Jahre alter Schüler, der in einer großen Tageszeitung das unsägliche Geschehen in Lichtenhagen gebrandmarkt hatte, die ersten Hassbriefe erhielt. Nur wegen seines Namens sei er böse angefeindet und als Muslim geschmäht worden. Es waren Fake News. Denn evangelisch-lutherisch erzogen, sei er getauft und konfirmiert, so Kazim, dem seine Französischlehrerin damals riet: „Lass dir niemals von diesen Leuten den Mund verbieten.“
Weshalb er Jahre später, da war er schon ein renommierter Journalist, der für seine klare Haltung gegen Rassismus mit tausenden Hass-Postings und Morddrohungen überschüttet wurde, den Spieß kurzerhand umdrehte und mit beißendem Sarkasmus den Kampf gegen Dummheit und rechten Sittenverfall aufnahm.
Neues Buch ist eine kultivierte Streitanleitung
Verweist wird hier nur auf „Post von Karlheinz: Wütende Mails von richtigen Deutschen – und was ich ihnen antworte“, aus dem Hasnain Kazim genüsslich seinen saukomischen Austausch mit besagten Karlheinz rezitierte. Und fokussiert man sich stattdessen auf seine zutiefst humane Haltung, die unmissverständlich zwischen „eine Meinung haben dürfen“ und „man sagt bestimmte Dinge einfach nicht“ differenziert.
Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte – im Sinne der Goldenen Regel: „Was Du nicht willst …“ – sei längst zu ungebremster Sittenlosigkeit erodiert. Darauf müsse man reagieren, aber auch Grenzen ziehen, so der in den Sozialen Medien aktive Autor. Der sein aktuelles Buch „Auf sie mit Gebrüll!“ als eine Art kultivierter Streitanleitung versteht, sich zurecht aber Diskussionen mit Demokratieverächtern auf „Augenhöhe“ verweigert. Das mache er auf keinen Fall: „Wie tief soll ich mich denn herablassen?“
Bestsellerautor steht auf Todeslisten
Stattdessen setzt er auf Humor im Umgang mit Populisten, was für Hasnain Kazim, der auf diversen Todeslisten steht, auch eine Form eigener Psychohygiene sein dürfte, um mit der ständigen Bedrohung seiner Person klarzukommen. „Es gibt Grenzen des Sagbaren“, so der furchtlose Autor, dessen Kernforderung, die sich wie ein roter Faden durch den Abend zog, sich wohl jeder demokratisch denkende Mensch uneingeschränkt anschließen wird: „Wir brauchen wieder mehr Moral und Anstand.“