Kirchhellen. Vierstellige Summen könnten künftig auf Bottroper Grundstückseigentümer zukommen. Sie sollen beim Kanalbau zur Kasse gebeten werden.

Bei der Abwasser-Entflechtung in Grafenwald muss die Stadt den Endspurt anziehen: Bis 2025 müssen dort Regen- und Schmutzwasser getrennt entwässert werden, sonst drohen Rückzahlungen von Fördergeldern. Dabei will die Stadt die Regeln ändern und Grundstückseigentümer zur Kasse bitten. „Ein Skandal“, schimpft der Eigentümerverband Haus und Grund.

Wenn die Stadt das Abwasser entflechtet und Schmutz- und Regenwasser in getrennte Kanäle leitet, macht das sehr viel Sinn, weil eine Menge Regenwasser dann nicht mehr ohne Not in die Kläranlagen von Emschergenossenschaft und Lippeverband fließen. Das funktioniert aber nur, wenn das Wasser auch dort, wo es herkommt, getrennt wird, also auch auf privaten Grundstücken getrennt. Bisher galt dafür in Bottrop das Prinzip: Wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen. Wenn die Grundstückseigentümer ihre Entwässerung an die Vorgabe der Stadt anpassen, trägt die Stadt als Veranlasserin die Kosten.

Bottroper Rat soll „Veranlassungsprinzip“ kippen

Dieses „Veranlassungsprinzip“ klingt vernünftig. Aber: Mittlerweile haben Verwaltungsgerichte vierfach entschieden, dass Kommunen diese Entwässerungskosten an die Grundstückseigentümer weiterreichen dürfen. Denn die Städte können diese Kosten nicht über die Abwassergebühren finanzieren, sondern müssen sie „mit Steuergeldern bezahlen“, sagt Dezernent Klaus Müller. Und Bottrop ist „die einzige Kommune in NRW, die dieses Prinzip anwendet“.

Deshalb soll der Stadtrat nächste Woche eine neue Entwässerungssatzung beschließen. Darin soll dieses Veranlassungsprinzip wegfallen. Klartext: Dann zahlen die Grundstückseigentümer für die Entflechtungskosten auf ihren Grundstücken selbst. Zum ersten Mal in Grafenwald, wo nach Müllers Angaben voraussichtlich im Mai die Entflechtung der letzten Kanalabschnitte beginnen soll. Die Zeit drängt: Wenn diese Arbeiten im Norden von Grafenwald nicht bis Ende 2025 abgeschlossen sind, kann die Emschergenossenschaft bereits gezahlte Zuschüsse in einer Größenordnung von zwei Millionen Euro zurückfordern.

Haus und Grund: „Das ist ein Skandal!“

„Das ist ein Skandal“, sagt Markus Kruse, Geschäftsführer des Bottroper Eigentümerverbandes Haus und Grund. „Die Stadt wälzt durch die Hintertür Kosten auf die Grundstückseigentümer ab, ohne sie wenigstens vorzuwarnen.“ Die Stadt selbst beziffert diese Kosten in Grafenwald auf eine siebenstellige Summe. Für den einzelnen Eigentümer, sagt Dezernent Müller, belaufen sich die Entflechtungskosten „im Regelfall auf eine niedrige vierstellige Summe“.

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Müller stellt zudem einen großzügigen Umgang mit Teilfreistellungen in Aussicht: Versickerung und Verrieselung auf dem eigenen Grundstück soll eine Alternative zum Bau eines Stücks Regenwasserkanals sein dürfen. „Wir haben bei den Entflechtungen zuletzt in der Welheimer Mark gesehen, dass nicht jedes kleine Gartenhäuschen im Hinterland angeschlossen werden muss.“ Der Haken für die Grundstückseigentümer: Diese Teilbefreiung müssen sie beantragen und dabei den Nachweis führen, dass die Versickerung „gemeinwohlverträglich“ ist.

Forderung nach „verbindlichen Leitlinien“

Diese Absichtserklärung reicht dem Eigentümerverband aber bei weitem nicht. Für diese Ausnahmeregelungen müsse es „verbindliche Leitlinien“ geben, auf die die Eigentümer sich auch verlassen können, damit sie nicht vom Wohlwollen der unteren Wasserbehörde abhängig sind. „Wenn die Stadt schon Kosten auf die Eigentümer abwälzt, ist es ja wohl das Mindeste, dass die Stadt selbst alles tut, um diese Kosten so gering wie möglich zu halten“, fordert Markus Kruse von Haus und Grund.

Denn der Gang vor das Verwaltungsgericht ist nur in Extremfällen hilfreich. Das sagt auch die Stadt: Nach ihren Angaben gilt ein Anschluss- und Benutzungszwang in der Regel als zumutbar. Als Grenzwert für die Zumutbarkeit gelte eine Summe von 25.000 Euro.