Bochum. 300 Menschen folgen dem Aufruf von Parteien, Kirchen und Gruppen, Flagge gegen die AfD zu zeigen. CDU-Mann Stefan Klapperich hat schweren Stand.

Politische Auseinandersetzungen kennt Stefan Klapperich – aus der Bezirksvertretung Wattenscheid. Aber so viel Gegenwind wie an diesem Freitagabend dürfte der Vorsitzende der CDU Wattenscheid noch nie gespürt haben. „Shame on you, CDU“ (Schäm dich, CDU), gellt es aus Dutzenden Kehlen, als er zum Mikrofon greift. Klapperich ist der, der diesen lautstarken Protest bei der Kundgebung vor der Friedenskirche in Wattenscheid stellvertretend für seine Partei aushalten muss.

CDU-Vertreter Klapperich erntet lautstarke Kritik, aber auch Applaus und Respekt

Und so sehr die Mitinitiatoren von SPD und Grünen, Jan Bühlbecker und Oliver Buschmann, auch appellieren, jedem Redner zuzuhören und aussprechen zu lassen. Ein Teil der etwa 300-köpfigen Menge will den Mann am Mikro unbedingt übertönen; und überhört womöglich, was er sagt: „Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben, vor allem hier in Wattenscheid nicht.“ Dafür erntet er Applaus von großen Teilen der Menge. Wattenscheids SPD-Chef Bühlbecker dankt dem politischen Widersacher ausdrücklich: „Es gehört viel dazu, sich der Diskussion hier zu stellen.“

Demo gegen Rechts
Einen schweren Stand hat Stefan Klapperich, Vorsitzender der CDU Wattenscheid, bei seinem Grußwort an die Menge. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

„Ein starkes Zeichen für die Demokratie und gegen die AfD“, das war das Motto der Kundgebung, zu der vor einigen Tagen SPD, Grüne, UWG, FDP, die Evangelische und die Katholische Kirche, einige weitere Gruppen und eben der CDU-Stadtverband Wattenscheid aufgerufen hatten. Nach den Ereignissen von Mittwoch, als die CDU im Bundestag einen Parlamentsbeschluss zu einem Fünf-Punkte-Plan in Sachen Migration mit Stimmen der AfD herbeigeführt hat, ist die Lage und vor allem die Stimmung anders. Sie ist aufgewühlt.

Am Donnerstagabend musste sich die CDU Bochum schon gefallen lassen, dass vor ihrer eigenen Geschäftsstelle demonstrativ eine symbolische Brandmauer gegen die AfD aufgebaut wurde. SPD-Mann Bühlbecker nennt sie „Steigbügelhalterin der AfD“, Bochums SPD-Chef Serdar Yüksel äußert sich am Freitagabend „entsetzt über die Geschichtsvergessenheit“ und Bundestagsabgeordneter Max Lucks (Grüne) lässt per Brief aus Berlin ausrichten: „Liebe CDU Bochum, ich weiß, dass ihr eigentlich ja eher zu den Vernünftigen gehört. Aber was soll es bedeuten, wenn ihr in einer Pressemitteilung erklärt, es gebe keinen Dammbruch?“

Demo gegen Rechts
Viele Botschaften sind an diesem Abend vor der Friedenskirche in Wattenscheid auf Transparenten und Plakaten zu lesen. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Bochums CDU-Chefin unterstreicht ablehnende Haltung zur AfD

Aus Sicht der gescholtenen Christdemokraten ist die Kritik unberechtigt. Zwei Tage nach dem öffentlichen Aufschrei über besagten Parlamentsbeschluss im Bundestag hat sich die Bochumer CDU am Freitagmorgen geäußert. Aus ihrer Sicht hat sich trotz der Unterstützung eines CDU-Antrags durch die AfD nichts geändert. „Keine Zusammenarbeit mit Radikalen“ ist die Mitteilung der Kreispartei überschrieben. „Es gibt für uns als CDU Bochum keinerlei Zweifel daran, dass der Beschluss des Bundesparteitages, der eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließt, für die Partei nach wie vor verbindlich ist und auf allen Ebenen eingehalten wird.“

CDU-Basis in Bochum hält Antrag in Sachen Migration in der Sache für richtig

Ähnlich äußert sich CDU-Chefin und Bundestagskandidatin Fee Roth (29) in einer schriftlichen Erklärung. „Meine persönliche Haltung zur AfD war und ist eindeutig: Sie spaltet, hetzt und greift unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung massiv an. Mit ihr kann, darf und wird es keine Zusammenarbeit oder Absprachen geben.“

Und was sagt die Basis zu dem von der AfD mitgetragenen CDU-Antrag? „Ich würde es auf den Nenner bringen, im Inhalt richtig, im Verfahren schwierig; mit der ganzen Breite von Zustimmung bis Ablehnung“, so Roth auf Anfrage dieser Redaktion. Das habe sie aus vielen Gesprächen und Telefonaten herausgehört.

Lothar Gräfingholt

„„Ich habe sinngemäß gesagt, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen, und habe gefragt: Wie sollen wir jetzt noch an Demonstrationen gegen Rechts teilnehmen?““

Lothar Gräfingholt (72), Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Riemke
in einer E-Mail an den CDU-Bundesvorsitzenden und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz

„Es wird bestimmt in unserer Partei welche geben, die das gut finden, und es wird welche geben, die das nicht gut finden“, sagt Lothar Gräfingholt (71), im Gespräch mit dieser Redaktion. Er ist Vorsitzender des CDU-Ortsverbands Riemke, war 21 Jahre lang Ratsmitglied, zweimal Oberbürgermeisterkandidat und ist seit mehr als 40 Jahren in der Partei: „Wo da die Grenze verläuft, will ich gar nicht sagen.“ Seine Haltung aber ist eindeutig, und die habe er Friedrich Merz auch in einer „sehr persönlich gehaltenen E-Mail“, wie er sagt, geschrieben: „Ich habe sinngemäß gesagt, ich bin sehr enttäuscht von Ihnen, und habe gefragt: Wie sollen wir jetzt noch an Demonstrationen gegen Rechts teilnehmen?“

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„Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass wir alle aus dem demokratischen Spektrum immer gegen Rechts argumentiert und zusammengestanden hätten, und habe nicht verstanden, wieso es jetzt – aus meinem Verständnis ohne Not – zur Abstimmung im Bundestag gekommen ist“, so Gräfingholt.

Enttäuschung? Ja. Groll? Nein. Die CDU zu verlassen, kommt ihm nicht in den Sinn. „Ich bin der Meinung, man kann in der Partei immer mehr bewegen und ändern, als von außen schlau zu reden.“ Er werde weiter Wahlkampf für die CDU machen. Auch, weil er eines nicht glaubt. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Friedrich Merz mit Stimmen der AfD zum Kanzler wählen lässt.“