Bochum. In der Ostkurve kennt ihn jeder: Doch dass in Thomas Dragunski ein Künstler steckt, weiß kaum einer. Jetzt zeigt er eine Ausstellung in Bochum.
Die Ankündigung klingt vollmundig und ist bestimmt nicht ganz ernst gemeint: „Vergesst Gerhard Richter, vergesst Jonathan Meese“, heißt es darin. „Der neue Stern am Kunsthimmel kommt aus Bochum und heißt VfL-Jesus!“
VfL-Jesus? Na klar! Mit heller Mähne, blau-weißer Jeanskutte und vielen lockeren Sprüchen ist Thomas Dragunski, wie er im wahren Leben heißt, zu einer Ikone unter VfL-Fans geworden. Bei jedem Heimspiel trifft man ihn in der Ostkurve. Der „Jesus“, der jeden zweiten Satz mit „oder watt“ beendet, gehört zum Ruhrstadion wie Currywurst und Haareraufen. Thomas nennt ihn hier keiner.
Atelier in Bochum zeigt erste Ausstellung von „VfL-Jesus“
Doch nur die wenigsten wissen, dass in dem 57-Jährigen ein Zauberer am Pinsel steckt. Unter dem Titel „Gemälde auf Techno oder watt“ zeigt das freie „Atelier am Kunstmuseum“ derzeit einige seiner farbenfrohen Bilder. Es ist seine erste Ausstellung, denn die Kunst ist für ihn noch ziemliches Neuland. „Malen ist für mich Freiheit“, sagt er. „Ich kann machen, was ich will oder watt.“
Zum Pinsel kam „VfL-Jesus“ über mehrere Umwege: Seit vielen Jahren verbindet ihn eine Freundschaft mit dem Bochumer Filmemacher Gerrit Starczewski. Ihr erster gemeinsamer Film „Pottoriginale“, gedreht ohne nennenswertes Budget, aber mit vielen lustigen Ideen, stieß 2017 auf eine treue Fangemeinde. Fünf Jahre später folgte mit „Glanz, Gesocks und Gloria“ der zweite Streich.
Das erste Bild malte er vor dem Landgericht Duisburg
Als Starczewski vor etwa vier Jahren wegen eines Rechtsstreits mit einem Comedian vor dem Landgericht Duisburg erscheinen musste, wartete „Jesus“ draußen vor der Tür – und fing an zu malen. „Ich habe damals gedacht: Wie immer die Sache hier ausgeht, die Kunst wird weiterleben“, erzählt Starczewski. Die künstlerische Ader in „VfL-Jesus“ war geweckt: „In jedem Mensch steckt ein Künstler. Man muss es nur zeigen oder watt.“
Seine Arbeiten entstehen immer spontan: „Ich lasse mich einfach treiben und mache das, was von Herzen kommt. Malen ist für mich Entspannung.“ Die meisten Werke malt er nach Feierabend im „Atelier am Kunstmuseum“ gegenüber der Goethe-Schule. In dem Ladenlokal an der Kortumstraße 150 war früher ein Pelzgeschäft, jetzt betreibt der Künstler und DJ Martin Nadgrabski (alias Kalle Wirsch) hier eine alternative, kleine Galerie, in der das kreative Chaos in jedem Winkel tobt.
„Jesus“ ist sich sicher: Der VfL bleibt erstklassig
Wenige Tage vor dem Start der ersten Bundesliga gibt „VfL-Jesus“ eine eindeutige Prognose ab: „Wenn ich mir die Testspiele des VfL anschaue und die neuen Spieler sehe, dann habe ich ein besseres Gefühl als letztes Jahr.“Der leidenschaftliche Fußballfan, der in der Mensa der Ruhr-Uni arbeitet, ist sich sicher: „Der VfL bleibt in der ersten Liga. Diesmal sogar im Mittelfeld.“
„VfL-Jesus“ malt am liebsten zu Techno-Musik. Selbstporträts und sonnige Landschaftsbilder sind ebenso darunter wie unaufgeregte Farbspielereien. Die Reaktionen auf die „Jesus“-Kunst lassen nicht lange auf sich warten: „Die meisten finden es großartig, wie kindlich naiv und vollkommen frei von allem er zu Werke geht“, sagt Gerrit Starczewski. „Einer schrieb: ‚Das kann ja meine kleine Tochter besser‘. Doch so vollkommen unbedarft malen zu können, ist für einen 57-Jährigen ungewöhnlich.“
Ein Bild wurde schon verkauft – für fast 1000 Euro
Nicht ohne Stolz merkt „VfL-Jesus“ an, eines seiner Bilder bereits verkauft zu haben. Für knapp 1000 Euro ziere es jetzt eine Zahnarztpraxis. Weitere sollen folgen, damit vielleicht bald genug Geld zusammenkommt für ein neues Filmprojekt mit „Pottoriginale“.
Zwei eiserne Regeln hat sich der Künstler allerdings auferlegt. Erstens: Er malt keine Fußballbilder. Blau-weiße Ansichten vom Ruhrstadion kommen ihm nicht auf die Leinwand. Und zweitens: Er malt nie, wenn der VfL spielt. „Da kocht mein Blut dermaßen, da kann ich nicht mal einkaufen gehen oder watt.“
Geöffnet bis etwa Ende August: Mo. bis Fr. von 15 bis 21 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.