Bochum. Zum dritten Mal setzte die Stadt Bochum ein Graffiti-Projekt in einer Bahn-Unterführung um. Sprayer freuen sich über Fläche und Szenetreffen.
Auf Initiative der Stadt Bochum versammelten sich 20 Sprayer aus Deutschland und Nijmegen an der Riemker Straße in Hofstede, um dem knapp 90 Meter langen Tunnel innerhalb von zwei Tagen zu mehr Helligkeit und Schönheit zu verhelfen. Es ist bereits die dritte Unterführung der Deutschen Bahn AG (DB) in Bochum, die zur Leinwand für Graffiti-Kunst wurde.
Kerstin Boer vom Tiefbauamt der Stadt Bochum, Bautechnikerin und Projektleiterin, ist dabei nicht allein für die Organisation des Ablaufs und Prüfung der Unterführung zuständig. Sie sorgte auch für das leibliche Wohl der Graffiti-Künstler vor Ort, bestellte Pizza und lagerte kalte Getränke in einer Garage. Das Projekt ist so organisiert, dass die Sprayer zudem keine Kosten für Anreise und Arbeitsmaterial hatten.
Jeder Künstler erhielt aus einer festgelegten Palette von 24 Farbtönen ein großes Paket Sprühdosen. "Sie gestalten ansonsten völlig frei. Das ist es, was sie gut finden", sagte Kerstin Boer, die das Projekt vorher schon an den DB-Unterführungen Poststraße und Feldsieper Straße umsetzte.
Die Aktionen sind Teil des Projekts "Hin und weg – Graffitikunst statt Schmierereien“ der Bochum Strategie. Insgesamt stehen der Projektleiterin 40.000 Euro für den Tunnel an der Riemker Straße zur Verfügung. Der Hauptteil fließt dabei in die vorbereitende Arbeit. Die Wände der Unterführung wurden vorab in Absprache mit der Deutschen Bahn gereinigt, grundiert, neu gestrichen und die Beleuchtung erneuert. Die Decke wurde aufgrund des Budgets dabei ausgespart. Im Vergleich zur Feldsieper Straße, wo sich 2021 erhebliche Mängel in der Substanz offenbarten, sei die Instandsetzung der Oberfläche hier unproblematisch gewesen, so Boer.
Graffiti-Szene setzt sich zusammen aus Hobby-Sprayern und Berufskünstlern
Viele der Sprayer präsentieren an der Riemker Straße einen klassischen Graffiti-Schriftzug. Andere verblüffen mit Gemälden wie das Profil-Porträt einer jungen Frau und einem Schädel dahinter als Einblick in das Innere ihres Kopfes. Dabei kamen unterschiedliche Techniken zum Einsatz, zum Beispiel ein so genanntes "Doodle Grid". Das ist ein Schema aus Symbolen wie Zahlen und Buchstaben, mit dessen Hilfe die Künstler komplexe Bilder Stück für Stück auf die Wand sprühen.
Die Projektleiterin knüpft durch einen Sprayer aus Bochum, der nicht mit Namen erwähnt werden möchte, die Kontakte in die Szene. Er trommelt die Kollegen deutschlandweit zusammen, die in diesem Falle alle männlich sind. Rund die Hälfte der an der Riemker Straße beteiligten Künstler würde die Graffiti-Kunst beruflich verfolgen. Aber auch wenn beim Projekt der Stadt Bochum keine Gagen fließen, freuten sich die Sprayer, zusammenzukommen und ihre Werke im öffentlichen Raum platzieren zu können, so der Kontaktmann der Szene. "Ich lade die Leute ein, damit wir hier eine schöne Zeit haben und wir die Gelegenheit nutzen, die Graffiti-Kultur weiterzugeben", sagte er.
Aus Koblenz etwa reiste Daniel Schmitz alias "Dater127" an, der seit 29 Jahren Graffiti sprüht und seit sieben Jahren als freischaffender Künstler davon lebt. "Mit 14, 15 Jahren war ich fasziniert davon, was man alles mit der Sprühdose machen kann und das hält bis heute an", so der 44-Jährige.
Stadt Bochum befreit die Graffiti einmal im Jahr von Schmierereien – Szene hat Respekt
Die aufwändigen Graffiti würden in der Regel auch von der Szene respektiert und selten beschädigt. Kleinere Schmierereien kämen dennoch vor und würden einmal im Jahr von der Stadt beseitigt, so Kerstin Boer.
Bei der Auswahl der Unterführungen spielten verschiedene Faktoren eine Rolle wie Dunkelheit und Kosten. So sei beispielsweise ein solches Projekt in der als dunkel bekannten Unterführung am Bahnhof Langendreer aufgrund der Größe und Höhe alleine durch die Stadt nicht finanzierbar.