Bochum. Im Naturschutzgebiet Ruhrauen in Bochum-Stiepel verschwinden gut 100 alte Brunnen. Das soll Bodenbrüter vor der Jagd von Krähen schützen.
Nirgends sonst in Bochum herrscht eine so große Artenvielfalt wie im Naturschutzgebiet Ruhrauen in Stiepel. Etwa 120 Vogelarten und 20.000 Amphibien leben dort. Das soll auch in Zeiten des Artensterbens so bleiben. Eine der Maßnahmen, die dabei helfen sollen, ist der Rückbau der alten Brunnen, Schächte und Grundwassermessstellen entlang der Ruhr.
Ende 2015 wurde das dortige Wasserwerk abgeschaltet, seitdem wird in dem Gebäude nur noch Strom produziert. Damit wurde auch die Brunnengalerie hinfällig. Gut 100 alte Brunnen säumen die Ruhr auf beiden Seiten. Wer den Ruhrtalradweg entlangfährt oder -geht, kann sie unmittelbar am Wegesrand sehen. Rund einen Meter ragen sie über den Boden hinaus.
Brunnen dienen Nesträubern in den Ruhrauen als Ansitz
Die Stadt Bochum hat das Gelände von den Stadtwerken und ihrer Tochter WMR (Wassergewinnung und Energiebeschaffung Mittlere Ruhr GmbH) im Bereich der ehemaligen Trinkwassergewinnungsanlage gekauft. Dabei wurde auch der Rückbau vereinbart. Der Vorteil für die Tierwelt: Nesträuber, vor allem Krähen, nutzen die Brunnenanlagen als Ansitz für ihre Jagd auf Bodenbrüter, allen voran die Feldlerche. Sind die Brunnen weg, sinken auch die Erfolgschancen für die Jäger.
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Schließlich sollen auch ganz neue Bewohner in den Ruhrauen heimisch werden. „Wir würden uns freuen, wenn wir hier Kiebitze ansiedeln könnten“, sagt Jürgen Heuser, Leiter der Biologischen Station östliches Ruhrgebiet.
Gleichzeitig verhindert der Brunnen-Rückbau, das Oberflächenwasser in den Grundwasserleiter eindringt. Er beseitigt auch ein potenzielles Sicherheitsrisiko, denn die Brunnen sind etwa acht Meter tief. Sie haben zwar einen Deckel, aber hundertprozentigen Schutz bietet das nicht.
Bald werden die Brunnen entlang des Ruhrtalradwegs abgebaut
Ruhrtalradweg wird teilweise gesperrt
Für den Rückbau der Brunnen an der Ruhr in Stiepel wird der Ruhrtalradweg aus Gründen der Verkehrssicherheit von Montag, 3. Juli, bis Freitag, 14. Juli, zwischen der Straße „An der Alten Fähre“ und dem Schleusenwärterhäuschen gesperrt.Eine Umleitung über die Straße „An der Alten Fähre“ und die Brockhauser Straße ist ausgeschildert.
Seit dem vorigen Mai wurden schon die Hälfte aller Brunnen mit unbelastetem Material verfüllt und die oberirdischen Öffnungen abgebaut. Die jeweilige Fläche ist nun plan. Die Öffentlichkeit hat dies bisher gar nicht mitbekommen, denn zunächst waren die Brunnen westlich der Kosterbrücke an der Reihe – im gesperrten Gebiet. Die weiteren Arbeiten laufen im öffentlichen Raum Richtung Stausee. Bis Oktober sollen alle Anlagen verschwunden sein. Weil das Gelände sensibel ist, kommt auch ein ökologischer Baubegleiter zum Einsatz.
Um Naturschutz in den Ruhrauen geht es auch bei einem neuen Wildbienen-Projekt. Seit Mai wurden dort an sechs Standorten Nisthilfen für Wildbienen aufgestellt, die Hohlräume bevorzugen. Insgesamt gibt es in Bochum 16 Standorte, außer in Stiepel auch in Eppendorf und Sevinghausen. An jedem Standort stehen zwei Nisthilfen.
Alexandra Scharpe von der Unteren Naturschutzbehörde in Bochum zeigte die ersten Ergebnisse am Mittwochmorgen der WAZ. Die Nisthilfen bestehen aus 25 kleinen Brettern, die von Hohlräumen durchsetzt sind. Deutlich sind darin schon Eier und Larven zu sehen. Putzig zu sehen, wie die Bienen stets mit dem Hinterteil voraus aus den kleinen Löchern der Nisthilfen krabbeln.
Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer beteiligen sich an dem Bienen-Projekt
Mit den Nisthilfen beteiligt sich die Stadt am bundesweiten Citizen-Science-Projekt „Wildbienen-Monitoring in Agrarlandschaften“ des Johann Heinrich Thünen-Institutes in Braunschweig. Das Bundesforschungsinstitut entwickelt und testet seit 2019 Methoden, die in Zukunft eine langfristige, bundesweit einheitliche und bestandsschonende Erfassung von Wildbienen in Agrarlandschaften ermöglichen sollen.
„Rund 500 verschiedene Wildbienen-Arten gibt es in Deutschland“, sagt Alexandra Scharpe. Bisher gibt es aber keine belastbaren Daten zum Zustand und zur Entwicklung von Wildbienen in Agrarlandschaften. Das soll sich mit dem Projekt ändern. Mit Hilfe von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern werden alle Bretter einzeln fotografiert; die Bilder werden dann ans Thünen-Institut geschickt, das die Daten auswertet.
Im Spätsommer 2024 werden auch organische Reste aus den Brettern entnommen, um DNA-Untersuchungen vorzunehmen. Daraus lässt sich ablesen, welche Nahrung die Bienen bevorzugen und ob sie Kontakt mit Pestiziden hatten.
In das neue Storchennest ist bisher niemand eingezogen
Ein paar Meter weiter in den Ruhrauen, im gesperrten Gebiet, steht auch eines von zwei Weißstorchnestern, die die Stadt im vorigen März aufgestellt hat. Neun Meter ragen sie in die Höhe, der Korb hat einen Durchmesser von 1,40 Meter. Ziel ist ein Bruterfolg – wie in diesem Sommer bereits an der Ruhr im Raum Witten/Wetter. „Wir sind guter Dinge“, sagt Katja Hüntemann von der Unteren Naturschutzbehörde.
Bisher hat sich zwar noch kein Pärchen für das schöne Domizil entschieden. Aber gesichtet wurden Störche in den vergangenen Wochen in der Nähe schon. Landwirte und andere Zeugen haben dies der Stadt gemeldet. „Ich habe Störche gesehen, die auf Nahrungssuche waren“, hieß es zum Beispiel. Jürgen Heuser von der Biologischen Station vermutet, dass ein Bruterfolg im nächsten Jahr „nicht unwahrscheinlich“ sei. Ein zweites Nest steht in Sundern.
Störche benötigen neben einem geeigneten Horst Feuchtwiesen, große Flächen und ein hohes Nahrungsangebot wie Mäuse und Amphibien – alles vorhanden in den Ruhrauen.