Bochum. Die RUB hat mit ukrainischen Studierenden ihre jeweiligen Lieblingsworte in einem Buch gesammelt. Mit dabei: „Liebe“, aber auch „Sackkarre“.

кохання – so lautet das ukrainische Lieblingswort von Anastasia Kulikova (19). Es wird „kochan:ia“ ausgesprochen und bedeutet übersetzt es so viel wie „Liebe“ oder auch „Geliebter“. Es ist eines von 60, das deutschsprachige Studierende aus der Ukraine gewählt haben. Daraus entstanden ist das Buch „Mein ukrainisches Lieblingswort“ – mit sehr persönlichen Berichten dazu, warum „Liebe“, „Leidenschaft“ und „Freiheit“, aber auch „Sackkarre“ oder „Weißstorch“ genau das ist.

Anastasia Kulikova ist wegen des Krieges nach Deutschland gekommen, aktuell studiert sie Germanistik und Anglistik als Austauschstudentin an der Ruhr-Universität in Bochum. Gleichzeitig studiert sie aus der Ferne an ihrer Heimat-Universität in Kiew weiter – „Dolmetschen und Übersetzen“. Nach den Ereignissen vom 24. Februar 2022, dem russischen Überfall auf die Ukraine, haben einige Studierende im Rahmen einer Germanistischen Institutspartnerschaft zwischen Bochum und Kiew die Möglichkeit bekommen, so einen doppelten Uni-Abschluss zu machen.

Buch aus Bochum erscheint – inspiriert vom Wettbewerb „Schönstes deutsches Wort“

Diese Institutspartnerschaft hat auch den Ausschlag dafür gegeben, dass das Buch „Mein Ukrainisches Lieblingswort“ erschienen ist. „Wir haben im August 2022 eine Sommerschule für ukrainische Studierende angeboten“, erklärt Germanistik-Professor Björn Rothstein, Mit-Herausgeber des Buches und stellvertretender Direktor der „Professional School of Education“ an der RUB. 30 Studierende kamen vergangenes Jahr inklusive ihrer Dozentinnen und Dozenten nach Bochum.

„Schon da hatte ich den Wettbewerb ,Schönstes deutsches Wort’ aus dem Jahr 2004 im Kopf“, so Rothstein. Und so wuchs die Idee, die deutschsprachigen Studierenden aus der Ukraine zu bitten, ihr Lieblingswort in ihrer Muttersprache zu nennen.

Daran beteiligt haben sich alle Studierende der Sommerschule – und welche darüber hinaus. So wie Anastasia Kulikova. „Ich habe das Wort ,Liebe’ gewählt“, erzählt sie. „Ich studiere Germanistik und Anglistik und beschäftige mich viel mit Sprachen.“ Die 19-Jährige spricht Ukrainisch, Russisch und Englisch. Seit etwa zwei Jahren lernt sie die deutsche Sprache – und spricht diese mittlerweile fließend.

Warum „Liebe“ oder „Sackkarre“ Lieblingswörter der ukrainischen Studierenden sind

Ihre Begründung, die auch im Buch zu lesen ist: „In keiner der Sprachen, die ich kann, gibt es ein Wort, das die volle Stärke der Gefühle für einen geliebten Menschen so genau widerspiegeln würde wie im Ukrainischen. кохання ist nur für eine Person bestimmt, für die ein Feuer in der Brust brennt, das Gesicht rot wird oder das Herz doppelt so schnell schlägt.“

Ganz druckfrisch: So sieht das Buch „Mein ukrainisches Lieblingswort“. Die Texte stammen von Studierenden, ebenso wie das Cover.
Ganz druckfrisch: So sieht das Buch „Mein ukrainisches Lieblingswort“. Die Texte stammen von Studierenden, ebenso wie das Cover. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Das sei anders als im Deutschen, Englischen oder Russischen, wo das Wort „Liebe“ oder „lieben“ in vielerlei Hinsicht genutzt würde. „Im Deutschen sagt man zum Beispiel ,Ich liebe Bücher’, während man im Ukrainischen sagen würde ,Ich mag Bücher’“, erklärt Kulikova.

„Als wir nach dem ukrainischen Lieblingswort gefragt haben, hatten wir mit sachlichen und linguistischen Texten gerechnet. Es kommen aber sehr schöne poetische Texte. Daher war schnell klar: Wir machen ein Buch daraus“, erklärt Rothstein.

Die Texte zu den Wörtern – mal eine Seite, mal deutlich kürzer – wurden von den Studierenden auf Deutsch geschrieben, auch das Cover stammt von einer Studentin. „Sie waren sprachlich hervorragend und wir mussten nicht mehr viel daran machen“, so der Herausgeber, der bei dem Projekt selbst viel gelernt hat, über Kultur und Identität der Menschen in der Ukraine.

Ein Lieblingswort – verbunden mit Kindheitserinnerungen

„Mein ukrainisches Lieblingswort“

Die Herausgeber von „Mein ukrainisches Lieblingswort sind Maria Ivanytska, Olena Materynska und Björn Rothstein. Das Buch ist im Ibidem-Verlag in Hannover erschienen.Es kostet 14,90 Euro, die ISBN-Nummer lautet 978 38 38 21 77 41.

Das habe sich zum Beispiel durch Lieblingsworte wie „Sackkarre“ ergeben. Rothstein: „Das kommt von einer Studentin, die sich an die Ukrainer der 90er-Jahre erinnert.“ Damals ist sie stets mit ihren Eltern auf den Markt gegangen. Auf dem Hinweg wurde sie mit der Sackkarre dorthin geschoben, den Rückweg legte sie zu Fuß zurück, da dann Lebensmittel damit transportiert wurden. Eine Kindheitserinnerung, die dafür gesorgt hat, dass ein zuerst ungewöhnlich klingendes Wort das liebste der Studentin Anna-Mariia Bilinska ist.