Bochum. Eine Puppe, die sprechen und zuhören kann, soll Angehörige entlasten, die Menschen mit Demenz pflegen. Wie das in der Praxis funktioniert.

„Wie geht es dir heute?“, fragt Elisa mit einer kindlichen Stimme und blickt mit ihren großen blauen Augen in den Raum. Die Kleine sitzt auf einem Stuhl und trägt ein rotes T-Shirt, auf dem ihr Name steht. Aber Elisa ist nicht etwa ein Kind, sondern eine Puppe. Unter den Schuhsohlen hat sie Lautsprecher, in der Nase ein Mikro. Sie unterstützt die häusliche Pflege von Menschen mit Demenz – durch eine personalisierte Mensch-Roboter-Interaktion. Ein Forschungsprojekt, das derzeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Bochum erprobt wird.

Elisa kann Fragen beantworten, zum Beispiel: Welcher Tag ist heute und wie spät haben wir? Wie ist das Wetter draußen? Aber auch: Wo befindet sich meine Tochter gerade? „Deine Tochter ist gerade beim Frisör. Sie kommt in einer halben Stunde zurück“, wäre eine mögliche Antwort, die zuvor über eine App programmiert wird. So erleichtert sie den Alltag zu Hause – für pflegende Angehörige, genauso wie für die Menschen mit Demenz selbst.

Bochumer Forschungsprojekt: Roboter-Puppe soll pflegende Angehörige entlasten

Das Forschungsprojekt trägt den Namen „Ruby Demenz“ und untersucht, wie ein technischer Roboter in Gestalt einer Puppe, Menschen mit einer beginnenden und mittleren Demenz unterstützen kann. Einer der zehn Partner des DRK ist die Hochschule für Gesundheit.

„Die Grundidee gibt es schon etwas länger“, erklärt Projektleiterin Daniela Waltring-Weber vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Vorausgegangen ist ein Projekt mit Handpuppen, die Pflegende im Umgang mit Menschen mit Demenz nutzen konnten. „Generell reagieren Menschen auf Handpuppen“, sagt Projektmitarbeiterin Bettina Marx. Daraus sei die Idee entstanden, die Puppe mit Technik auszustatten.

Projektmitarbeiterin Bettina Marx (links) und Projektleiterin Daniela Waltring-Weber vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) halten die Puppe Elisa in ihren Händen. Sie sind zuständig für das Forschungsprojekt
Projektmitarbeiterin Bettina Marx (links) und Projektleiterin Daniela Waltring-Weber vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) halten die Puppe Elisa in ihren Händen. Sie sind zuständig für das Forschungsprojekt "Ruby Demenz". Eine Roboter-Puppe soll bei der häuslichen Pflege von Menschen mit Demenz unterstützen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Es gibt vier Puppenmodelle zu Auswahl, neben Elisa auch Anita, Annika und Mathilda – sie haben unterschiedliche Haarfarben und Pullover, aber dieselben Funktionen. Sie können sich mit Menschen unterhalten, sprechen und (zu)hören.

Puppen erinnern an den Abwasch – und kennen aktuelle Fußballergebnisse

Beispielsweise beantwortet sie auch die Frage, wie das Fußballspiel am Wochenende ausgegangen ist oder stellt persönliche Fragen. Gleichzeitig kann der pflegende Angehörige Fragen stellen. Die Puppe gibt dann z. B. weiter: „Dein Sohn Frank fragt, ob du schon den Abwasch gemacht hast?“ Die Antwort bekommt er als Sprachnachricht oder in Textform via App auf sein Handy.

Mithilfe von Kameras kann die Puppe erkennen, in welcher Richtung sich ihr Gegenüber befindet und die Person gezielt ansprechen – und soll so eine Unterstützung im Alltag sein. „Seit wir ,Ruby Demenz’ bei uns zu Hause erproben, ist unser Alltag lebendiger geworden. Die Puppe sorgt zum Beispiel mit kleinen Witzen für Unterhaltung und einmal pro Woche besuchen uns die beiden Robot-Begleiterinnen vom DRK“, schildert eine Angehörige, die an dem Projekt teilnimmt, in einem Flyer. Auch Bettina Marx bestätigt, dass die Rückmeldungen der Angehörigen durchaus positiv seien – auch wenn es in manchen Punkten noch Luft nach oben gebe, so zum Beispiel bei der Spracherkennung.

Corona hat Start des Projekts erschwert

Einmal pro Woche bekommen die Familien, in denen eine Puppe lebt, Besuch von den sogenannten „Robot-Begleitern“, die im Vorfeld geschult werden. Sie sind Ansprechpartner, beantworten Fragen – und begleiten das Projekt gleichzeitig wissenschaftlich.

Projektteilnehmer gesucht

Das Projekt wird finanziert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Themenfeld „Robotische Systeme für die Pflege“. In Bochum werden weitere Familien, in denen eine Person mit Demenz lebt, gesucht, die an dem Forschungsprojekt kostenlos teilnehmen möchten. Interessierte können sich wieder ab dem 5. Januar 2023 melden, per E-Mail auch davor.Ansprechpartnerinnen sind Daniela Waltring-Weber unter d.waltring@drk-bochum.de oder Bettina Marx unter b.marx@drk-bochum.de. Telefon: 0234 33 83 06 25.

Das ist auch ein Grund, warum Corona den Start des Projekts erschwert hat. Deshalb wurde der Projektzeitraum um ein halbes Jahr verlängert, damit noch einige Puppen in Familien in Bochum einziehen. In insgesamt fünf Familien haben Elisa und Co. bereits gelebt, aktuell sind es noch zwei. Der Erprobungszeitraum beträgt ungefähr ein halbes Jahr.

Dann soll es Ergebnisse geben: „Wir wollen rausbekommen, wie sehr die Puppe Menschen mit Demenz im Anfangsstadium entlasten kann und auch Angehörige, wenn Demente sich mit der Puppe beschäftigt“, so Waltring-Weber. Schon jetzt gebe es Feedback, dass die Puppe in Verbindung mit der App ein großer Mehrwert für pflegende Angehörige sei, gerade für Kinder, die nicht im Haushalt leben. Sie wissen, dass es der Mutter gut geht, wenn sie mit der Puppe interagiert. Allerdings betont die Projektleiterin auch: „Die Puppe ist kein Notfallsystem.“