Geballten Widerstand gab es in Wattenscheid gegen die Eingemeindung nach Bochum 1975. Die Gegner zogen auch juristisch zu Felde. Vor 40 Jahren scheiterte die Stadt Wattenscheid aber vor dem NRW-Verfassungsgerichtshof in Münster mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Eingliederung.
Das Urteil wurde am 13. Februar 1976 verkündet. Klaus-Peter Hülder (UWG), der zu den Gegnern zählte und im vom Stadtrat gebildeten Vorbereitungskreis saß, hat das 34 Seiten starke Urteil aufbewahrt. Es ging hier um die Behauptung der Stadt Wattenscheid, vertreten durch den Rat, Verfahrensbevollmächtigter war Prof. Dr. Heinrich Siedentopf aus Speyer, „das Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Ruhrgebiet vom 9. Juli 1974 verletze die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der Selbstverwaltung“.
In der Urteilsbegründung wird mit der engen Verflechtung und starken Pendlerbewegungen im Arbeitsbereich argumentiert. „Eine Abwägung all der Gesichtspunkte lässt nicht erkennen, dass das Maß der Belastung, die das in der neuen Stadt Bochum fortlebende Wattenscheid trifft, nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu den Vorteilen stände, die dem Raum Wattenscheid und dem Gesamtraum erwachsen.“
Wattenscheid hatte ca. 81 000 Einwohner. Von den 30 000 Erwerbspersonen waren 60 Prozent im produzierenden Gewerbe tätig, 40 Prozent im tertiären Sektor. Nahezu die Hälfte der Erwerbspersonen (48 Prozent) pendele aus; davon seien 62 Prozent in Bochum, 13 Prozent in Gelsenkirchen und zehn Prozent in Essen beschäftigt. Von den 7500 Einpendlern kämen 28 Prozent aus Essen, 23 Prozent aus Bochum, 21 Prozent aus Gelsenkirchen. Unter den Einpendlern in Bochum stellten diejenigen aus Wattenscheid mit 22 Prozent die größte Gruppe dar. In Bochum hätten viele Behörden ihren Sitz, deren Zuständigkeitsbereich sich auch auf Wattenscheid beziehe, u.a. Kreispolizeibehörde, Arbeitsamt, Fernmeldeamt, Kreiswehrersatzamt. Bochum besitze zahlreiche Versorgungseinrichtungen gehobener und höherer Art im kulturellen und Bildungsbereich.
Argumente der Gegner
Die Gegner argumentierten u.a. damit, die Neugliederungsentscheidung im Raum Bochum beruhe auf falschen Sachannahmen und unzutreffenden Wertungen und Prognosen. Wattenscheid zähle zu den wenigen Revierstädten mit positivem Wachstunstrend (Zuwachs um 2,46 Prozent von 1961 bis 1972), während Bochum einen negativen Index von 5,82 Prozent verzeichne. Im Neugliederungsvorschlag habe diese spezifische Bevölkerungsentwicklung keine angemessene Beachtung gefunden.
Auch seien die Wirtschaftsstrukturdaten nach Angaben der Eingemeindungsgegner nicht differenziert genug verwendet und vor allem nicht in ihrer zeitlichen Entwicklung analysiert worden. Die WAT-Wirtschaftsstruktur habe sich trotz der Bergbaukrise günstig entwickelt. Das Arbeitsplatzangebot habe von 1961 bis 1972 um 13,1 Prozent zugenommen, während Bochum einen negativen Index von 3,1 Prozent aufweise. Angesichts der Leistungsfähigkeit von Wattenscheid falle die Schaden-Nutzen-Bilanz negativ aus; denn die Neugliederungsmaßnahmen brächten nur Nachteile.