Bochum. Den Sternen ganz nah: Die WAZ öffnete für sechs Gewinner die Pforten des Musicals Starlight Express. Es gab spannende und erhebende Einblicke.
Hält die auch? Auf acht Meter hievt die Brücke die WAZ-Gruppe in die Höhe. Dort, wo sonst Rusty, Electra und Greaseball ins Rennen um die Weltmeisterschaft der Züge gehen, sind sechs mutige Leserinnen und Leser den Sternen ganz nah. Showtime in Bochum, wenn auch im kalten Saallicht. Hier ist Control – willkommen im Starlight Express!
Er ist der Evergreen unter den globalen Singspielen: 1988 rollte der Starlight Express in Bochum an – in einem eigens von der Stadt erbauten Theater unweit des VfL-Stadions. „Schrott auf Rädern!“, schimpften damals nicht wenige Kritiker, meist aus dem Umfeld der Hochkultur rund ums Schauspielhaus. Der „Schrott“ avancierte zum Edelmetall für die wirtschaftlich immer wieder arg gebeutelte Revierstadt. Die rasante Rollschuh-Revue, komponiert von Sir Andrew Lloyd Webber, ist heute das weltweit erfolgreichste Musical an einem Standort.
Offene Pforten im Starlight Express: Der Neustart ist geglückt
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Die 24 Millionen D-Mark Baukosten haben reiche Rendite eingefahren. Das Rollen-Spiel füllt nicht nur zuverlässig die Arena am Stadionring, sondern auch Hotels, Kneipen, Restaurants und Geschäfte. Auf 60 Millionen Euro schätzen die Stadtwerber von BO-Marketing den Umsatz, den der „Leuchtturm Starlight“ als bedeutender Wirtschaftsfaktor jährlich in Bochum generiert.
Eineinhalb Jahre stand das Erfolgsmusical ab 2020 wegen Corona auf dem Abstellgleis. Der Neustart im Oktober 2021 wurde geradezu frenetisch gefeiert. Die Verkaufszahlen haben sich trotz anhaltender Pandemie stabilisiert, berichtet Sprecherin Manuela Wolf. Seit Juni werden wieder sämtliche 1650 Plätze besetzt. Das ist Zugkraft made in Bochum.
Spannende Einblicke vor der Starlight-Vorstellung Nummer 12.550
Bevor am Abend die Vorstellung Nummer 12.550 über die Bühne geht, öffnet das Theater für die WAZ seine Pforten. Petra Counen hat bei der Sommerserie unserer Zeitung den Blick hinter die Kulissen gewonnen. Die 57-jährige Buchhalterin aus Hattingen darf fünf Begleiter mitbringen. Mit dabei sind ihr Lebensgefährte Frank Seebold (57) mit Tochter Johanna (25) und Andrea Seebold (62) sowie die Counen-Tochter Nina (29) mit ihrem Verlobten Jonny Zentraf (34).
Nina und ihr Liebster aus Monheim sind Starlight-Novizen. Alle anderen haben die Show schon gesehen, mitunter mehrfach. Hinter, gar auf der Bühne war noch niemand. Wie auch? Diese Tabu-Zonen sind den 45 Darstellern und 200 Beschäftigten (auch das zum Thema Wirtschaftsfaktor) vorbehalten.
Auf der Hydraulik-Brücke geht’s acht Meter in die Höhe
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Der Einstieg ist spektakulär. Die stählerne Brücke, Prunk- und Herzstück der Produktion, ist seit dem ersten Starlight-Tag in Betrieb. „Nur die Mechanik ist neu. Der Rest ist Wertarbeit und gute Pflege. Alles sicher“, sagt Technikchef Peter Lucassen und grinst, als einige der WAZ-Gewinner nur zögerlich einen Fuß auf das neun Tonnen schwere und (ausgeklappt) 18 Meter lange Hydraulik-Monstrum setzen.
Auf geht’s, mit metallischem Knacken und Quietschen und bis zu sechs Metern pro Sekunde. Funkelnde Augen unterm Firmament, Erinnerungsfotos aus der Vogelperspektive, dann hat die Gruppe wieder festen Boden unter den Füßen. Genauer: einen Spezialbelag, der auf der Bühne und den Rennbahnen aufgetragen ist. Er soll den Rollschuhen den notwendigen Grip geben. Das funktioniert fast immer. Stürze sind selten. Schwere Verletzungen auch. „Was Sie unter sich sehen, sind Brems-, keine Blutspuren“, versichert Manuela Wolf.
Rusty-Kostüm wiegt 18 Kilo – „Das ist echter Leistungssport“
Die WAZ-Leser staunen, als sie hören, dass kaum ein Darsteller vor seinem Engagement in Bochum Rollschuh fahren kann. Das lernen die Neulinge („Newbies“ genannt) in einem zweimonatigen Training; ebenso wie das Schminken, das die Sternen-Crew nach einer ersten Anleitung in der Maske selbst hinbekommen muss.
Bei den Kostümen ist Hilfestellung unabdingbar. „Die sind ja irre schwer!“, ächzt Petra Counen, als sie in der VIP-Lounge gleich neben dem Haupteingang das Outfit von Rusty vom Bügel nimmt. 18 Kilo muss die Dampflok allabendlich mit sich herumschleppen – und dabei singen, schauspielern und mit 60 km/h in der Spitze über die Pisten düsen. „Das ist echter Leistungssport“, sagt Frank Seebold und streift sich die nicht ganz so gewichtige Jacke von Greaseball über. „Echt cool!“
Die meisten Darsteller können verschiedene Charaktere spielen
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Was im Scheinwerferlicht spielerisch leicht wirkt, ist ein Knochenjob. Kondition trifft Köpfchen: Weil jeder Charakter mehrfach besetzt ist, haben die meisten Darsteller mehrere Rollen drauf: derart professionell, dass sie bei den aktuell acht Shows pro Woche jederzeit einspringen können.
Mit reichlich Zahlen vermag Sprecherin Wolf gleichfalls zu beeindrucken. 839 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt wirkten in 34 Starlight-Jahren mit. 25.942 Kilometer hat dabei allein Greaseball zurückgelegt. 170.000 Rollschuh-Rollen und 150.000 Schnürsenkel wurden verbraucht; mit 30.000 Metern Pflaster wurden Blasen und weitere Blessuren versorgt.
Treffen mit Gepäckwagen Carrie und dem ICE Rheingold
Unfallfrei übersteht der Cast das Aufwärmtraining 90 Minuten vor Showbeginn, bei dem die WAZ-Leser ganz vorn auf den Rängen dabei sein dürfen. „Bei dem Tempo wird’s einem ja schwindelig“, sagt Petra Counen nach dem Warm-up. Kurz vor der Vorstellung stehen zwei Darsteller in voller Montur für ein kurzes Gespräch und Fotos bereit. Jessica Lapp als Gepäckwagen Carrie und Benjamin van Eelen als ICE Ruhrgold unterschreiben als Souvenir eine Rollschuh-Rolle und bekräftigen die Eindrücke des Pforten-Tages: „Man muss hart trainieren und sich konzentrieren. Sonst legt man sich auf den Hintern.“
Nach vier Stern-Stunden hinter der Bühne nimmt die WAZ-Gruppe kurz vor 20 Uhr ihre reservierten Plätze ein. Licht aus. Die Starlight-Show Nummer 12.550 beginnt.
Die Brücke hat auch diesmal gehalten.