Bochum. Am 16. November 1976 musste Wolf Biermann die DDR verlassen. Nur wenige wissen, dass der Liedermacher in Bochum von seiner Ausbürgerung erfuhr.

Dieser Tage feierte der bekannte Liedermacher und Poet Wolf Biermann seinen 85. Geburtstag; vor 45 Jahren waren die Geschehnisse um den Ost-Berliner Künstler ein Top-Thema in den Medien und in Bochum.

Anlässlich einer Gastspiel-Reise Wolf Biermanns nach Westdeutschland hatte die DDR-Führung am 16. November 1976 die Ausbürgerung des politisch Unliebsamen verkündet. Es war ein einschneidendes Erlebnis für die Künstler- und Dissidentenszene der DDR und für das angespannte Verhältnis von Ost- und Westdeutschland.

Liedermacher Wolf Biermann sollte an der Ruhr-Universität auftreten

Nur wenige wissen noch, dass Bochum in diesem Kapitel deutsch-deutscher Geschichte eine Rolle spielte. Tatsächlich hatte Biermann in Querenburg von seiner Ausbürgerung erfahren. Dort war er Gast bei Prof. Günter Ewald, einem gesellschaftlich engagierten Mathematik-Professor der Ruhr-Uni, denn es bestand die Absicht, ein Konzert in Bochum zu veranstalten. Die Einladung „Biermann nach Bochum!“ ging zurück auf die Initiative einer christlich-linken Diskussionsgruppe, die sich im Kohlenkeller des Mathematik-Professors traf und die „Deutsche Frage“ nicht nur den konservativen und bürgerlichen Kräften überlassen wollte. Dazu zählten RUB-Wissenschaftler wie Uwe K. Ketelsen und Günter Brakelmann sowie die Politologin und spätere SPD-Politikerin Carla Boulboullé.

Ergriffen vom Applaus des Publikums, geschockt von seiner Ausbürgerung aus der DDR: Wolf Biermann während seines Aufritts am 19. November 1976 in der Ruhrlandhalle Bochum.
Ergriffen vom Applaus des Publikums, geschockt von seiner Ausbürgerung aus der DDR: Wolf Biermann während seines Aufritts am 19. November 1976 in der Ruhrlandhalle Bochum. © Unbekannt | Hartmut Beifuss/WAZ

Die Nachricht der Ausbürgerung schlug hohe Wellen, Biermann hatte verständlicherweise nicht die Nerven, an diesem Abend öffentlich aufzutreten – für die Bochumer Initiative eine Riesen-Enttäuschung. Denn abends hatten sich über tausend Interessierte, die noch gar nicht wussten, was passiert war, im Hörsaalzentrum Ost der Ruhr-Universität versammelt.

„Vollversammlung“ statt Diskussionskonzert

Statt des angekündigten Diskussionskonzert mit Biermann gab es eine chaotische „Vollversammlung“, bei der einiges zu Bruch ging. Die folgenden Tage waren in Bochum von hektischer Aufregung erfüllt. Wird es gelingen, wenigstens ein Konzert in der Ruhrlandhalle durchzuführen? Ja! Am 19. November 1976 trat Wolf Biermann dort auf die Bühne.

Legendäres Kapitel deutsch-deutscher Geschichte

Ein heute legendäres Kapitel deutsch-deutscher Geschichte, mit dem Bochum auf immer verbunden bleibt. Nicht wenigen gilt die Biermann-Ausbürgerung als Anfang vom Ende der DDR.