Bochum. „Bochums Beste von gestern“ haben die 700-jährige Stadtgeschichte geprägt. Zu ihnen zählt Louis Baare, ein Industriepionier des Ruhrgebiets.
„Große Männer machen Geschichte“ hieß es früher, und natürlich ist das nicht ganz richtig, denn was die „großen Männer“ bewirkten, bewirkten sie ja nie als Solisten. Und doch würde man nicht zögern, Louis Baare (1821-1897) als einen „großen Mann“ zu bezeichnen, der die Entwicklung Bochums maßgeblich vorangebracht hat. Auch wenn das schon sehr lange her ist.
Louis Baare: Wirtschaftsführer in den Gründerjahren von Bochum
Baare, gebürtig aus Minden, gelangte 1845 mit 24 Jahren als kaufmännischer Angestellter zur Köln-Mindener-Eisenbahn-Gesellschaft, die die erste Bahnstrecke durch das spätere Ruhrgebiet baute – und damit der Großindustrialisierung den Weg ebnete. Die „Köln-Mindener“ zählt zu den Gläubigern der Bochumer Gussstahlfabrik Mayer & Kühne, die 1842 gegründet worden war, und aus der später der Bochumer Verein hervorging, einer der größten Montanbetriebe der Welt.
Von 1854 bis 1895 war Louis Baare zunächst Direktor, dann Generaldirektor des Bochumer Vereins (B. V.) und baute das Werk zu einem Unternehmen mit europaweiter Geltung aus.
Dazu war er von 1863 bis 1897 Stadtverordneter, ferner von 1872 bis 1897 Präsident der Handelskammer zu Bochum. Seit 1879 hatte der Wirtschaftsführer einen Sitz im preußischen Abgeordnetenhaus. Bochum zeichnete ihn 1888, als erst zweite Persönlichkeit nach Otto von Bismarck, als Ehrenbürger aus.
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Kein Techniker, eher ein moderner Betriebswirt
Louis Baare steht als Kaufmann und Manager für die rasante Entwicklung, die die Eisen- und Stahlindustrie an der Ruhr seit Mitte des 19. Jahrhunderts nahm. Anders als Krupp war er kein Techniker, sondern ein Betriebswirt, dem es gelang, alle Bereiche der Betriebsorganisation den wechselnden Erfordernissen der industriellen Revolution anzupassen.
„Bochumer Verein“ wurde zum größten Arbeitgeber
Baare erschloss dem B. V. den Eisenbahnmarkt, er strukturierte den mittelständischen, noch handwerklich operierenden Betrieb der Vorgänger-Gesellschaft „Mayer & Kühne“ zu einem modernen Industrieunternehmen um, und er besorgte eine wirkungsvolle Lobbyarbeit bei „höheren Stellen“. Der „Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation“ wurde unter Baare zum größten Arbeitgeber der Stadt.
Name noch heute bekannt
In Bochum erinnern heute noch Orte und Gebäude an den Wirtschaftspionier Louis Baare. Die Villa Baare am Reiterweg in Höntrop diente ab 1888 dem Industriellen und seiner Familie als Sommersitz. 1974 ging das Haus in den Besitz der Stadt Wattenscheid über, die sie an den Waldorf-Schulverein/-Kindergarten vermietete.Die Familiengruft der Baares befindet sich im Kortum-Park, dem alten Friedhof zwischen Wittener Straße und Akademiestraße/Lohring. Das Louis-Baare-Berufskolleg am Bußmanns Weg in Wattenscheid und die Baarestraße in der Siedlung Stahlhausen, in der auch eine Gedenktafel steht, sind nach dem Generaldirektor benannt.
Verbunden ist der Name des Wirtschaftspioniers auch mit sozialen Aktivitäten, so wurde zu seiner Zeit die Arbeitersiedlung Stahlhausen gebaut, ein Kost- und Logierhaus errichtet und beim B. V. die werkseigene Pflichtkrankenkasse eingeführt.
Doch fand Baares Einstellung zu Fragen des sozialen Lebens seine Grenzen im Primat des Wirtschaftsliberalismus: Die Sicherungen der Firma entsprangen nicht grundsätzlich einer humanitären Haltung und dem Wunsch, die erbärmlichen Lebensverhältnisse der Arbeiter zu lindern.
Sozialpolitische Ansätze lehnte Baare ab
„Sie wurden vielmehr wohlkalkuliert dazu eingesetzt, Loyalität, effektiven Arbeitseinsatz und Fügsamkeit des Belegschaftsstamms zu sichern. Sozialpolitische Ansätze, wie sie im Kaiserreich um 1890 aufkamen, hat er vehement abgelehnt“, heißt es in einer Broschüre zu Leben und Werk von Louis Baare, welche die Stadt Bochum 1997 auflegte.
Sohn Fritz folgte auf dem Chefposten
40 Jahre nach seiner Ernennung zum Generaldirektor übergab Louis Baare am 5. Januar 1895 die Betriebsleitung seinem Sohn Fritz, zwei Jahre später starb er mit 76 Jahren.
Der Bochumer Verein bestritt zu diesem Zeitpunkt den bedeutendsten Anteil an der Industrie Bochums und schwang sich im Folgenden zu einem der wichtigsten Rüstungsbetriebe im Deutschen Reich auf.