Essen. Vor 50 Jahren starb Alfried Krupp, der mit diesem Namen wohl am wenigsten glücklich geworden ist. Mit der Gründung der Krupp-Stiftung stellte er kurz vor seinem Tod seine Firma auf tragfähige Füße.

Alfried Krupp war nicht der Typ, der Einblicke in sein Innerstes gewährte. Ohne erkennbare Emotion hatte er bei der Jubilarehrung am 1. April 1967 in der Villa Hügel den Entschluss mitgeteilt, sein persönliches Alleineigentum an der Firma Krupp in eine Stiftung zu überführen. Der 59-Jährige brach in diesem Moment mit einer 156 Jahre alten Tradition, in der das Unternehmen wie ein Erbhof von einer Generation zur nächsten überging.

Das beständige Hüsteln, das seine kurze Rede begleitete, darf im Rückblick als Indiz gelten, dass es noch andere als nur ökonomische Gründe für diesen Schritt gab. Nur vier Monate später am 30. Juli 1967, morgen vor 50 Jahren, starb Alfried Krupp von Bohlen und Halbach in seinem Haus in Bredeney an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung.

Bergleute halten die Totenwache, Tausende Essener kondolieren

Drei Tage lang wird der Leichnam des letzten Krupp in der Villa Hügel aufgebahrt, Bergleute halten die Totenwache, Tausende Essener kondolieren am Sarg, mit Bussen lässt das Unternehmen Kruppianer aus den Werksiedlungen auf den Hügel fahren. Die Trauer war echt.

Der scheue Unternehmer war zwar nie leutselig oder im engeren Sinn populär gewesen, aber Tradition galt in jener Zeit viel, und die Krupps waren zweifellos so etwas wie die Windsors von Essen, die „erste Familie“ der Stadt, von deren Entscheidungen seit jeher das Schicksal Zehntausender abhing.

Bilder aus dem Leben von Alfried Krupp

Alfried Krupp als Kleinkind mit seinen Eltern Bertha und Gustav Krupp-von Bohlen und Halbach.
Alfried Krupp als Kleinkind mit seinen Eltern Bertha und Gustav Krupp-von Bohlen und Halbach.
Am 11. April 1945 fährt am Hauptportal der Villa Hügel ein Jeep mit aufgepflanzten Maschinengewehr vor. Alfried Krupp wird von US-Soldaten verhaftet und pflanzt sich in Anzug, Krawatte und Hut auf den Notsitz.
Am 11. April 1945 fährt am Hauptportal der Villa Hügel ein Jeep mit aufgepflanzten Maschinengewehr vor. Alfried Krupp wird von US-Soldaten verhaftet und pflanzt sich in Anzug, Krawatte und Hut auf den Notsitz.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach um 1914 mit seinen Eltern Gustav und Bertha und den bis dahin geborenen Geschwistern.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach um 1914 mit seinen Eltern Gustav und Bertha und den bis dahin geborenen Geschwistern. © Jacob Hilsdorf/Historisches Archiv Krupp
Alfried wuchs im Stammsitz der Krupps, der Villa Hügel, auf. Er besuchte das Realgymnasium in Bredeney und studierte später in München, Berlin und Aachen Ingenieurswissenschaften.
Alfried wuchs im Stammsitz der Krupps, der Villa Hügel, auf. Er besuchte das Realgymnasium in Bredeney und studierte später in München, Berlin und Aachen Ingenieurswissenschaften. © Anja Bleyl
Alfried Krupp und sein Generalbevollmächtigter Berthold Beitz um 1960 unter dem Porträt von Alfred Krupp, dem Urgoßvater, der das Werk maßgeblich aufbaute.
Alfried Krupp und sein Generalbevollmächtigter Berthold Beitz um 1960 unter dem Porträt von Alfred Krupp, dem Urgoßvater, der das Werk maßgeblich aufbaute. © Jacob Hilsdorf/ Historisches Archiv Krupp
Ein dunkles Kapitel im Leben des Industiellen: Seit 1931 förderte Krupp die SS, 1937 wurde er Mitglied der NSDAP. Nach dem Zweiten Weltkrieg klagten die Alliierten Krupp zusammen mit elf weiteren leitenden Mitarbeitern in Nürnberg unter anderem wegen Zwangsarbeit an. Krupp wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt, 1951 jedoch begnadigt.
Ein dunkles Kapitel im Leben des Industiellen: Seit 1931 förderte Krupp die SS, 1937 wurde er Mitglied der NSDAP. Nach dem Zweiten Weltkrieg klagten die Alliierten Krupp zusammen mit elf weiteren leitenden Mitarbeitern in Nürnberg unter anderem wegen Zwangsarbeit an. Krupp wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt, 1951 jedoch begnadigt. © imago
Alfried Krupp (re.) als Häftling mit Drei-Tage-Bart und Zigarette 1947 im Gespräch mit einem amerikanischen Vernehmungsbeamten. Der Versuch, sich als unpolitischen Industriellen darzustellen, misslang.
Alfried Krupp (re.) als Häftling mit Drei-Tage-Bart und Zigarette 1947 im Gespräch mit einem amerikanischen Vernehmungsbeamten. Der Versuch, sich als unpolitischen Industriellen darzustellen, misslang. © Repor: Ulrich von Born
Alfried Krupp bei einer Jubilarehrung.
Alfried Krupp bei einer Jubilarehrung. © WAZ
Alfried Krupp um 1953 an der Altendorfer Straße in Essen, wo sich die Motoren- und Kraftwagenfabriken befanden. In dem glänzenden Fabrikschild spiegelt sich sein Gesicht.
Alfried Krupp um 1953 an der Altendorfer Straße in Essen, wo sich die Motoren- und Kraftwagenfabriken befanden. In dem glänzenden Fabrikschild spiegelt sich sein Gesicht. © Jacob Hilsdorf/ Historisches Archiv Krupp
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und sein Sohn Arndt als Kleinkind Anfang der 1940er Jahre.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und sein Sohn Arndt als Kleinkind Anfang der 1940er Jahre.
Kühle und Schweigen prägten das Verhältnis: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Sohn Arndt um 1960.
Kühle und Schweigen prägten das Verhältnis: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach und Sohn Arndt um 1960.
Eine Aufnahme aus der Krupp-Alltag: Alfried Krupp mit  Lehrlingen in der Radsatzwerkstatt.
Eine Aufnahme aus der Krupp-Alltag: Alfried Krupp mit Lehrlingen in der Radsatzwerkstatt. © picture alliance / dpa
Die Fotografie und das Segeln gehörten zu den großen privaten Leidenschaften von Alfried Krupp.
Die Fotografie und das Segeln gehörten zu den großen privaten Leidenschaften von Alfried Krupp. © Alfried Krupp von Bohlen und Halbach Stiftung
Alfried Krupp gelöst und lachend auf seiner Jacht Germania. Bei den Olympischen Spielen 1936 hatte er in den Segelwettbewerben mit seiner Crew eine Bronzemedaille gewonnen.
Alfried Krupp gelöst und lachend auf seiner Jacht Germania. Bei den Olympischen Spielen 1936 hatte er in den Segelwettbewerben mit seiner Crew eine Bronzemedaille gewonnen. © Jacob Hilsdorf/Historisches Archiv Krupp
Alfried Krupp starb am 30. Juli 1967. Er war der Letzte, der den Namen Krupp trug. Laut Verfügung Kaiser Wilhelm II. stand dies nämlich nur Personen zu, die auch Inhaber der Firma Krupp waren.
Alfried Krupp starb am 30. Juli 1967. Er war der Letzte, der den Namen Krupp trug. Laut Verfügung Kaiser Wilhelm II. stand dies nämlich nur Personen zu, die auch Inhaber der Firma Krupp waren. © picture alliance / dpa
Am offenen Sarg nehmen unter anderem Berthold Beitz (li.) und Oberbürgermeister Wilhelm Nieswandt (4.v.li.) Abschied von Alfried Krupp.
Am offenen Sarg nehmen unter anderem Berthold Beitz (li.) und Oberbürgermeister Wilhelm Nieswandt (4.v.li.) Abschied von Alfried Krupp. © Marga Kingler/WAZ
18.000 Menschen nahmen an der Beerdigung des Großindustriellen teil. Seine letzte Ruhe fand Alfried Krupp von Bohlen und Halbach auf dem Privatfriedhof der Familie Krupp Friedhof Bredeney.
18.000 Menschen nahmen an der Beerdigung des Großindustriellen teil. Seine letzte Ruhe fand Alfried Krupp von Bohlen und Halbach auf dem Privatfriedhof der Familie Krupp Friedhof Bredeney. © WAZ FotoPool
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Alfried Krupp war kein Mann des Strukturwandels

Alles in allem war man damit gut gefahren. Alfried Krupp verkörperte in besonderem Maße jene „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“, der sich auch seine Vorfahren in unterschiedlicher Ausprägung verpflichtet gefühlt hatten. Besonders die Kruppianer in defizitär arbeitenden Werken mochten geahnt haben, dass auch in diesem Sinne nun eine Ära zu Ende gehen würde. Alfried Krupp war kein Mann des Strukturwandels und erst recht nicht der Schließungen, so sehr sein junger Generalbevollmächtigter Berthold Beitz auf Neuerungen drängte. Diese wurden durch Krisen erzwungen, von denen eine gerade mit Mühe überstanden war, noch viele weitere sollten folgen.

Alfried Krupp musste sie nicht mehr bewältigen, an Krisen wirtschaftlicher und persönlicher Art hatte er trotz seines immensen Reichtums und seines großen Namens auch keinerlei Nachholbedarf. Geboren 1907 in eine Zeit, als das Unternehmen auf dem Höhepunkt seiner Prosperität stand, erlebte Alfried Krupp früh, welche Bürde es bedeutete, eines Tages die Leitung eines Weltkonzerns anzutreten. Als erstes von acht Kindern von Bertha und Gustav Krupp genoss er die Erziehung eines Thronfolgers – mit all den Zwängen und der Strenge, die dies bedeutete.

Als Rüstungsunternehmen fest in die NS-Kriegswirtschaft integriert

Im Jahr 1934 schließt Alfried Krupp sein Studium der Hüttenkunde ab, 1936 tritt er in das Unternehmen ein. Dem Nationalsozialismus steht er offen gegenüber, von Fanatismus, antisemitischen Tiraden oder persönlichen Verbrechen wissen auch die Ankläger beim späteren Prozess nichts zu berichten. 1943 zieht sich sein Vater gesundheitsbedingt zurück und Alfried Krupp wird Alleininhaber.

Krupp ist zu diesem Zeitpunkt wie alle Rüstungsunternehmen fest in die NS-Kriegswirtschaft integriert, die Frage, wieviel Spielraum die privaten Eigentümer noch hatten, wird bis heute kontrovers diskutiert. Klar ist, dass Alfried Krupp bis zuletzt funktioniert, ohne mit den Machthabern in Konflikt zu geraten. Durch die Bombardierungen fallen seine Werke und Wohnsiedlungen in Schutt und Asche.

Mancher hält die Essener „Kanonenkönige“ für schuldiger als Hitler oder Himmler

Als die US-Armee am 11. April 1945 in Essen einrückt, wird Alfried Krupp noch am selben Tag festgenommen. In den USA und Großbritannien gilt die stark von Mythen umwobene Rüstungsschmiede als Brutstätte des Bösen, als eigentlicher Urheber der deutschen Verbrechen, ja mancher hält die Essener „Kanonenkönige“ für schuldiger als Hitler oder Himmler.

Im Prozess gegen Alfried Krupp, in dem die USA diese Thesen untermauern wollen, bleibt davon nicht viel übrig. Wegen Beschäftigung von Zwangsarbeitern in seinem Unternehmen sowie „Plünderungen“ in von Deutschland besetzten Gebieten wird Krupp zu zwölf Jahren Haft und der Einziehung seines Vermögens verurteilt. Im Vergleich zu anderen, die bei größerer Schuld weit billiger davonkommen, war das ein hartes Urteil. Das fand 1951 auch der amerikanische Hochkommissar John J. McCloy, der es aufhob: „Ich sehe keinen Sinn darin, diesen Mann weiter einzusperren, nur weil sein Name Krupp ist.“

Kaum für möglich gehaltenen Wiederaufstieg

Nach langwierigen Verhandlungen um die erzwungene „Entflechtung“ des Unternehmens, übernimmt Alfried Krupp 1953 wieder das Steuer, nun mit Berthold Beitz an seiner Seite. Noch immer gilt der Name vielen als Inbegriff industrieller Qualitätsarbeit, das deutsche Wirtschaftswunder und das Auslandsgeschäft bringen einen kaum für möglich gehaltenen Wiederaufstieg. Auf die Waffenproduktion verzichtet Alfried Krupp auch dann, als ihm diskret bedeutet wird, dass sie regierungsoffiziell wieder erwünscht sei. Damit hatte er schlechte Erfahrungen gemacht.

Der wirtschaftliche Erfolg konnte über Verkrustungen nicht hinwegtäuschen, deren Gründe in der konservativen Firmenkultur, aber auch in der für einen Konzern riskanten Rechtsform der Alleininhaberschaft zu suchen sind. Mit Enttäuschung musste Alfried Krupp Mitte der 1960er Jahre akzeptieren, dass sein Sohn Arndt nicht das Zeug hatte, um als sechster Krupp die Verantwortung zu tragen. Mit Arndts Erbverzicht und der Stiftungslösung stellte Alfried Krupp sein Unternehmen auf tragfähige Füße – gerade rechtzeitig, bevor ihm die Gestaltungsmacht genommen wurde.