Bochum. Die Bibliothek im Haus der Geschichte hat einen neuen Leiter. Christian Winkler setzt auf Digitalisierung und muss ein Platzproblem lösen.

Mit dem Haus der Geschichte des Ruhrgebiets besitzt Bochum ein Institut, das einzigartig ist. Seit Neuestem hat die dort angesiedelte Bibliothek einen neuen Leiter, Christian Winkler. Im WAZ-Gespräch schildert der 42-Jährige, was er am Standort Bochum vorhat und wie die Zukunft der Fachbibliothek aussehen könnte.

Haus der Geschichte in Bochum ist mit der Ruhr-Universität verbunden

Das „Haus der Geschichte des Ruhrgebiets“ mit seiner Fachbibliothek befindet sich an der Clemensstraße, also mitten in Bochum. Trotzdem ist es der Öffentlichkeit nur wenig bekannt. Was verbirgt sich dahinter?

Blick in Teile des enormen Bestandes der Bibliothek des Ruhrgebietes in Bochum.
Blick in Teile des enormen Bestandes der Bibliothek des Ruhrgebietes in Bochum. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Winkler: Das „Haus der Geschichte“ bildet das Dach für die Stiftung Geschichte des Ruhrgebiets (bis 2015 Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets) und das Institut für soziale Bewegungen der Ruhr-Uni. Wir sind als interdisziplinäre zentralwissenschaftliche Einrichtung der RUB eng verbunden.

Und was hält die Bibliothek genau bereit?

Hier befinden sich die Bestände der Bibliothek des Ruhrgebiets, einer wissenschaftlichen Spezialbibliothek mit etwa 500.000 Medieneinheiten, sowie ein umfangreiches Archiv zur Geschichte des Ruhrgebiets. Die Bestände von Bibliothek und Archiv können im Lesesaal eingesehen bzw. entliehen werden. Grundsätzlich geht es um die Bewahrung dessen, was man das industrielle Ruhrgebiet nannte; in all seinen Facetten. Beispielsweise ist auch das Archiv der Internationalen Bauausstellung IBA Emscher Park, die zwischen 1989 und 1999 wichtige Impulse setzte, bei uns gelandet. Außerdem beherbergen wir die Dokumentationsstelle Ruhrgebietsforschung und sind regelmäßiger Veranstaltungsort für Vorträge und Tagungen.

Dokumentiert wird vorrangig die Geschichte der Industrialisierung?

Ja, aber Industrialisierung begriffen als internationale Angelegenheit. Das heißt, wir halten auch z.B. Bergbau-Fachliteratur vor, die sich mit frühen technischen Entwicklungen in England oder Frankreich befasst.

Zur Person

Christian Winkler (*1980) stammt aus Dortmund und studierte an der Ruhr-Universität Französisch und Geschichte. Zuletzt arbeitete er als Leiter des Magazins und des Lesesaals für die Bibliothek des Deutschen Museums in München.Auf die Stelle in Bochum war Winkler durch eine Ausschreibung der Bibliothek des Ruhrgebiets aufmerksam geworden. Themen des Sozialen und seiner Heimat, des Ruhrgebiets, haben ihn seit je interessiert. Seit dem 1. Juli 2021 ist Winkler im Amt.

Die Bergbaugeschichte in Deutschland ist seit der Schließung der letzten Zeche 2018 beendet...

Das geschichtliche Interesse bleibt über die einsetzende De-Industrialisierung hinaus bestehen und bietet immer wieder Raum für neue Forschungsaspekte, auch an der Ruhr-Uni. Die Studierenden greifen gern auf unsere Bestände zurück, aber wir haben hier ja nicht nur Bücher über Bergbautechnik. Sondern auch Fachliteratur zur Geschichte etwa der Arbeiterbewegung, dazu zählen Dokumente zu Streiks ebenso wie anarcho-syndikalistische Pamphlete. Diese Zeugnisse des Gewerkschafts- und Arbeitskampfes stammen aus der ehemaligen Bochumer Bibliothek der IG Bergbau, deren Bestand komplett im Haus der Geschichte aufgegangen ist.

Platzproblem brennt auf den Nägeln, eine Lösung muss her

Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihre Arbeit?

Es sind zwei Dinge. Zum einen muss die Digitalisierung als Schwerpunkt gesetzt werden, das bezieht sich vor allem auf die Aufbereitung unseres Bestandes – des Kataloges, wenn man so will – für die Recherche im Internet, weniger auf das Einscannen von Fachliteratur. Zum anderen gilt es, das Platzproblem anzupacken. Es kommen einfach zu viele neue Konvolute dazu, die wir fachgerecht aufarbeiten und archivieren müssen; zuletzt das komplette Archiv der Kulturhauptstadt 2010.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Das ist noch nicht klar, von einem Anbau bis zu einem Neubau ist manches im Gespräch. Es müssen bauliche Voraussetzung bedacht werden, aber auch die Finanzierung durch die Stiftung. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, sie kann nicht mehr all zu lange aufgeschoben werden. Das Haus der Geschichte platzt aus allen Nähten.