Bochum. Hunderte Stahlarbeiter sind am Mittwoch in Bochum auf die Straße gegangen. Sie fordern deutlich mehr Lohn und signalisieren Streikbereitschaft.
Noch stehen die Zeichen auf Einigung. Aber mehrere Hundert Stahlarbeiter haben am Mittwoch in Bochum schon einmal klar gemacht, dass sie zum Streik bereit sind – wenn die Arbeitgeber in den laufenden Tarifverhandlungen nicht einlenken. „Wenn die Gespräche in der dritten Verhandlungsrunde am Freitag erfolglos sind, dann wird die Luft dünner“, kündigt Ulrike Hölter, erste Bevollmächtigte der IG Metall Ruhrgebiet Mitte, am Mittag bei Thyssenkrupp an der Castroper Straße an.
Beschäftigte fordern ihren Anteil an den guten Geschäften
Weiße Helme, rote IG-Metall-Mützen, „Blaumänner“, „Graumänner“. Zahlreiche Beschäftigte haben sich zum Ende der Frühschicht und kurz vor Beginn der Mittagsschicht gleich hinter der Eingangsschranke zusammengefunden – zum Warnstreik. An drei Standorten haben Beschäftigte für jeweils vier Stunden die Arbeit niedergelegt: 250 früh am Morgen beim Luft- und Raumfahrtzulieferer Doncasters und etwa 200 mittags bei Thyssenkrupp an der Castroper Straße. Am Abend wollen weitere 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Thyssenkrupp an der Essener Straße Flagge zeigen. Der Tenor: „Wir lassen uns nicht auskaufen“, heißt es am Werkstor.
8,2 Prozent mehr Lohn und Ausbildungsvergütung fordert die IG Metall. Ein üppiger Anstieg, wie die Gewerkschaft einräumt. Aber nachdem die Arbeitnehmer dazu beigetragen hätten, die Corona-Krise zu überwinden, sollen sie jetzt auch am „Höhenflug“ der Stahlbranche teilhaben – „auch unabhängig von der Inflation“, wie es heißt.
Stahlbranche geht es „hervorragend“, heißt es
Denn: Der Stahl „macht gerade so gute Gewinne wie seit Jahrzehnten nicht mehr“, sagt Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW und Verhandlungsführer der Gewerkschaft im Nordwesten. Im zweiten Halbjahr habe sich die Branche „deutlich besser entwickelt als alle gedacht haben“. Das erste Quartal 2022 sei „hervorragend“ gelaufen. „Und daran habt ihr euren gerechten Anteil“, so Giesler in Richtung der Stahlkocher.
Eine Tonne Warmbandstahl koste derzeit nicht 450 bis 550 Euro, wie in den vergangenen Jahren, sondern 1000 Euro, weil die Unternehmen die erhöhten Kosten weitgeben können. „Ihr könnt das nicht“, so Giesler mit Hinweis auf die Inflationsrate von sieben Prozent. Daher sei das Angebot der Arbeitgeber, jedem Beschäftigten in der Branche einmal 2100 Euro zu zahlen, auch nicht verhandelbar. Es sei schlicht zu wenig, „auch wenn 2100 Euro viel Geld sind“.
Beschäftigte und Gewerkschaft lehnen Einmalzahlung ab
Denn: „Eine Einmalzahlung ist schnell verpufft“, argumentiert IG-Metall-Ruhrgebietschefin Ulrike Hölter. „Wir wollen etwas Langfristiges.“ Die Beschäftigten und die Gewerkschaft fordern einen deutlich Anstieg der monatlichen Bezüge. Etwas Spürbares „in der Tabelle“, wie es heißt.
Und die Stahlkocher sind, sollte es dazu nicht kommen, offenbar bereit, dafür zu kämpfen. „Wir gehen bis zum Äußersten“, so der Tenor bei dem Warnstreik am Mittag. „Das ist die Haltung unter den Kollegen“, versichert Arne Liebert, der seit 1997 bei Thyssenkrupp arbeitet und im Werk an der Castroper Straße in der Instandsetzung tätig ist.
13.000 Stahlarbeiter bislang an den Warnstreiks beteiligt
Der Fahrplan sieht nun so aus: Am Freitag, 10. Juni, kommen Arbeitgeber und Gewerkschaft zur dritten Verhandlungsrunde zusammen. Sollte es dann zu keiner Einigung kommen, „müssen wir einen Gang höher schalten“, kündigt Knut Giesler an. Zu hören ist, dass es vor der letzten Runde am Dienstag, 14. Juni, noch einen bundesweiten Warnstreik geben wird. Bleibe auch das letzte Gespräch ohne Ergebnis, „werden wir eine Urabstimmung beantragen“, so NRWs IG-Metall-Chef. Deren Ausgang scheint klar zu sein: Schon jetzt hätten 13.000 Stahl-Beschäftigte an den Warnstreiks teilgenommen, bis Freitag würden es voraussichtlich 20.000 sein. „Das ist die höchste Zahl seit Jahren.“