Bochum-Linden. Die Zukunft der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum ist weiter ungewiss. Eine Klinik aus Dortmund wollte das ausnutzen und Personal abwerben.

Da staunten die Mitarbeiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden nicht schlecht. Klemmte doch ein Flyer hinter den Scheibenwischern ihrer auf dem Parkplatz der Einrichtung abgestellten Autos. Darauf wirbt die LWL-Klinik in Dortmund um Mitarbeiter. Da sollte in Zeiten des Fachkräftemangels offenbar ausgenutzt werden, dass die Zukunft der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum derzeit mehr als ungewiss ist.

Bochum: Klinik will Psychiatrie-Personal abwerben und erntet dafür viel Kritik

Seit der Helios-Klinikkonzern im November 2021 verkündete, die Einrichtung an der Axstraße zum Jahresende 2022 zu schließen, ist die Stimmung in der Belegschaft betrübt. „Wir warten hier alle auf Neuigkeiten, werden aber immer nur vertröstet“, sagt eine Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. Und dann passiere so eine Abwerbeaktion durch eine andere Klinik. „Das ist unverschämt und geht gar nicht. In so einer Lage...“

Auch Helios als Noch-Träger der Kinder- und Jugendpsychiatrie verurteilt das Vorgehen der LWL-Klinik in Dortmund. Die Frage, wie es gelingt, erfahrene, hoch qualifizierte Pflegekräfte und andere therapeutische Fachkräfte zu finden, beschäftige derzeit alle Krankenhäuser, zeigt Helios durchaus Verständnis für die Situation in Dortmund. „Den eigenen Fachkräftemangel allerdings bei anderen Kliniken vor der Haustür lösen zu wollen und hierbei in einer Phase des Übergangs auf eine Verunsicherung der Kolleginnen und Kollegen zu setzen, halten wir für einen falschen Ansatz. Auch im Haus ist diese Form des Recruitings auf Unverständnis und Irritationen gestoßen“, teilt Helios-Sprecherin Marina Dorsch mit.

Der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden droht das Aus, seit der Helios-Klinikkonzern seinen Rückzug als Träger der Einrichtung bekanntgegeben hat.
Der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden droht das Aus, seit der Helios-Klinikkonzern seinen Rückzug als Träger der Einrichtung bekanntgegeben hat. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Die LWL-Klinik, bezeichnet sich auf ihrem Flyer als „attraktiver und verlässlicher Arbeitgeber“ und listet die vielen Vorteile auf, die ein Wechsel nach Dortmund mit sich brächte: Jahressonderzahlungen, Fünf-Tage-Woche, Zusatzurlaub bei Wechselschicht, eine Kita auf dem Klinik-Gelände, E-Bikes – und „eine sichere Zukunft“. Von dieser können die Beschäftigten der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Linden aktuell natürlich nur träumen.

„Inmitten der Situation, in der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter um ihre Arbeitsplätze bangen, sich junge Patientinnen und Patienten und ihre Eltern um die psychosoziale Versorgung sorgen, ist es ein Skandal, eine aktive Abwerbekampagne bei den Pflegekräften und Ärztinnen und Ärzten zu starten“; wettert demnach auch Raphael Dittert, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Rat der Stadt Bochum. „Eine Abwerbeaktion ist nicht nur schädlich, sondern gefährdet auch die aktuelle Versorgung, da Personal wegfällt.“

Hoffen auf März

Aus Mitarbeiter-Kreisen der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bochum-Linden ist zu erfahren, es gebe einen ernsthaften Interessenten für die Übernahme der Trägerschaft. Im März, heißt es, soll die Belegschaft nähere Informationen erhalten.Aktuell herrsche ein Mix aus Bangen und Optimismus. „Schließlich sind die Wartelisten lang. Die Kinder und Jugendlichen brauchen uns“, sagt eine Mitarbeiterin. Ale Teams seien über viele Jahre eingespielt und weiter mit vollem Engagement am Ball. „Ein neuer Träger kann sich doch nichts Besseres wünschen.“

In Dortmund reagiert man mit Bedauern auf die Abwerbeaktion. „Diese Aktion war weder mit mir noch mit unseren Kliniken für Kinder– und Jugendpsychiatrie abgestimmt“, teilt LWL-Krankenhausdezernent Prof. Dr. Meinolf Noeker mit. „Ich bedauere dies sehr und bitte dafür um Entschuldigung. Sofort nach Bekanntwerden habe ich weitere Aktionen unterbunden.“ Nach WAZ-Informationen hatte jemand aus der Betriebsleitung diese Aktion zu verantworten.

Der LWL sei weiterhin in guten Gesprächen mit der Stadt Bochum und dem Ministerium über ein psychiatrisches Versorgungsangebot am Standort Bochum-Linden und distanziere sich klar von dieser Flugblatt-Aktion, so Noeker weiter. Vielmehr komme es jetzt darauf an, „dass bis zum endgültigen Zeitpunkt der Schließung der Helios-Klinik die Mitarbeitenden möglichst weiterhin dort am jetzigen Standort in Bochum tätig bleiben, um die Versorgung der Kinder und Jugendlichen aufrechtzuerhalten, bis eine Anschlusskonstruktion geschaffen ist“.