Bochum. Der Medican-Prozess wegen mutmaßlichen Abrechnungsbetruges mit Corona-Tests wird erneut verlängert. Über den Juli hinaus.

Der Medican-Prozess wegen mutmaßlichen Abrechnungsbetruges mit Corona-Tests in ganz großem Stil wird noch ein weiteres Mal verlängert werden müssen. Das wurde am Montag, nach vierwöchiger Sitzungspause, vor der 6. Wirtschaftsstrafkammer bekannt.

„Wir gehen davon aus, dass wir das Verfahren nicht bis zum letzten vereinbarte Termin abschließen können“, sagt Richter Michael Rehaag. Der letzte von bisher 35 festgezurrten Sitzungsterminen ist bisher der 18. Juli. Ursprünglich sollte der Prozess, der vor fünf Monaten begann, nur bis 11. Februar dauern. Aber schon im ganz frühen Prozessstadium zeigte sich, dass die Beweisaufnahme eine unerhört zähe Veranstaltung werden wird.

Hauptangeklagter aus Bochum weist Vorwürfe pauschal zurück

Das liegt auch daran, dass der Hauptangeklagte (49), der damalige Medican-Chef, sich bis heute nicht zu den Vorwürfen geäußert hat, sondern über seine zwei Verteidiger die Anklagevorwürfe pauschal zurückweisen ließ.

Seit elf Monaten sitzt der Unternehmer jetzt in U-Haft. Mit überhöht abgerechneten sowie völlig frei erfundenen Tests – fast eine Million Stück – soll er bei der Kassenärztlichen Vereinigung, einen Schaden in Höhe von 25,1 Millionen Euro angerichtet habe.

Mitangeklagter Sohn des Firmenchefs will einen Freispruch

Angeklagt – wegen Beihilfe – ist auch sein Sohn (26), der nach einigen Wochen im vorigen Juni aus der U-Haft wieder freikam. Als er am Montag von der Prozessverlängerung bis nach dem Juli hört, sagte sein Verteidiger: „Wenn er August hört, kriegt er einen Nervenzusammenbruch.“ Er hält sich für unschuldig und will Freispruch.

Neben der hochkomplexen Beweislage waren auch Corona-Erkrankungen ein Grund für die enormen Verzögerungen. Am Montag kam auch noch hinzu, dass ein Zeuge aus der Türkei, der die EDV bei Medican programmiert hatte, nicht erschienen und deshalb im Sitzungsprogramm wieder stundenlang Leerlauf war. Das Gericht hatte ihn extra über türkische Behörden geladen – vergeblich.

„Die Firma Medican hat ihre obliegenden Dokumentationspflichten eklatant verletzt“

Obwohl bisher noch unklar ist, welche Urteile das Gericht am Ende sprechen wird, so scheint eines schon klar. Richter Rehaag: „Die Firma Medican hat ihre obliegenden Dokumentationspflichten eklatant verletzt.“

Bis jetzt ist unter den Prozessparteien völlig umstritten, wie viele Corona-Tests tatsächlich geliefert worden sind und wie viele tatsächlich an den Bürgern angewandt worden – oder eben auch nicht, aber trotzdem abgerechnet worden sind.