Bochum-Dahlhausen. Für ein Neubaugebiet an der Ruhr in Bochum wird ein Hochwasser-Gutachten erstellt. Schon jetzt ist klar: Die Lage ist kniffliger als gedacht.
Ob unten an der Ruhr in Bochum-Dahlhausen das geplante Neubaugebiet tatsächlich entstehen kann, ist weiter fraglich. Aus einem Schreiben der Stadt Bochum an die Anwohnerinnen und Anwohner der Straße Am Ruhrort geht hervor, dass sich die Lage vor Ort hinsichtlich der Auswirkungen von Starkregen und Hochwasser deutlich komplexer darstellt als ursprünglich angenommen. Die von der Stadt in Auftrag gegebene „wasserwirtschaftliche Berechnung“ ziehe sich noch hin. Ob es am Ende Lösungsmöglichkeiten geben wird, könne erst mit Vorliegen der Ergebnisse eingeschätzt werden.
Bochum: Neubaugebiet an der Ruhr steht weiter auf der Kippe
Marko Siekmann, als Abteilungsleiter beim Tiefbauamt für die Entwässerung der Stadt zuständig, hatte sich in einem Schreiben an die Anwohner gewandt, um einen „Zwischenstand der Arbeiten“ am Bebauungsplan 997 zu geben. Dieser ruht, nachdem das Hochwasser Mitte Juli 2021 am Ruhrort in Dahlhausen für ein Umdenken gesorgt hat.
Bis dahin schien relativ klar, dass das frühere Grabeland nördlich der Dr.-C.-Otto-Straße mit 64 Einfamilien-, Reihen- und Doppelhäusern bebaut werden soll. Dann kam die Flut. Und mit ihr kamen auch bei der Stadt die Zweifel, die Anwohner, die Bürgerinitiative „Grabeland Am Ruhrort“ und das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung schon vorher geäußert hatten. Denn das künftige Bauland stand komplett unter Wasser.
Auch interessant
Siekmann räumt in seinem Schreiben an die Anwohner nochmals Probleme ein, spricht von „erheblichen Überflutungsschäden“ beim Hochwasser im Juli 2021 und davon, dass „die Kanalisation und die verrohrten Gewässer nicht in der Lage waren, die anfallenden Abflüsse abzuleiten“. Daraufhin hatte die Stadt ein Ingenieurbüro damit beauftragt, die Veränderungen durch das geplante Neubaugebiet bei einer Neubewertung der Situation mit zu berücksichtigen. Denn u.a. ist vorgesehen, das Bauland um zwei Meter anzuhaben.
Für die gewünschte Neubewertung, das stellte sich jetzt heraus, muss jedoch ein Berechnungsmodell von Oberfläche und Kanalnetz erstellt werden. Und das ist wohl ziemlich aufwendig, sodass die Ergebnisse des neuen Gutachtens nicht – wie angekündigt – jetzt vorliegen, sondern wahrscheinlich erst im August.
Eine Anfrage, zwei Stellungnahmen
Mit Verwunderung nahm die Partei Die Linke die Antworten der Stadt auf ihre Fragen in Sachen Ruhrort-Bebauung zur Kenntnis. Die Ratsfraktion hatte nämlich noch Informationsbedarf zum Abriss der alten Hütten auf dem Grabeland, das bebaut werden soll. Dabei, so hieß es, sollen asbesthaltige Materialien nicht fachgerecht entsorgt worden sein.Von der Stadt gab es dazu gleich zwei Stellungnahmen. Die erste vom 7. April aus dem Bauordnungsamt fiel dadurch auf, dass sie praktisch keine Antworten auf die fünf Fragen der Fraktion beinhaltete. Mit der zweiten aus dem Umwelt- und Grünflächenamt, datiert vom 29. April, sah sich die Verwaltung dann plötzlich doch imstande, zu antworten. Fazit: Die Entsorgung asbesthaltiger Materialien sei ordnungsgemäß erfolgt. Es lägen auch alle Nachweise über die Entsorgungen der gefährlichen Abfälle vor.
Siekmann: „Erst wenn diese Berechnungsergebnisse vorgelegt werden, kann in der zweiten Jahreshälfte eingeschätzt werden, ob es Lösungsmöglichkeiten geben kann, die möglichen Auswirkungen des Bebauungsplangebietes zu bewerten, aber auch die schon im Ist-Zustand herrschende Überflutungssituation zu verbessern.“ Unter Lösungsmöglichkeiten versteht die Stadt z.B Überflutungsflächen an anderer Stelle oder auch Notabflüsse.
Für das Netzwerk für bürgernahe Stadtentwicklung stellt sich nun die Frage, „wie die 2018 zum Bebauungsplan ,Am Ruhrort’ erstellten wasserwirtschaftlichen Berechnungen keine zusätzlichen Überflutungsgefahren auf den Ortsteil Dahlhausen ausweisen konnten“. Die Abflüsse der Neubebauung sollten angeblich von den vorgesehenen Speicherräumen schadlos zurückgehalten werden können, sagt Netzwerk-Sprecher Wolfgang Czapracki-Mohnhaupt.
„Wie die letztjährigen Überflutungen eindrücklich zeigen, hat das Grabeland die Funktion eines natürliches Regenrückhaltebeckens“, sagt Czapracki-Mohnhaupt weiter. Er fragt: „Was geschieht mit dem Wasser, das nach Bebauung dort nicht mehr zurückgehalten werden kann? Kann dieses vom vorhandenen Kanalnetz überhaupt aufgenommen werden?“ In der Anhörung zum Bebauungsplan „Am Ruhrort“ in 2020 habe das Tiefbauamt in der Entwässerungsfrage erklärt, keine Bedenken zu haben. Und jetzt?