Bochum. Karneval im Zeichen von Krieg und Corona: Nur in wenigen Bochumer Kneipen wurde Weiberfastnacht gefeiert. Eine Großveranstaltung ist abgesagt.
„Du weißt ich liiiiiebe das Leben“, klingt es aus den Lautsprechern. „Mein Lied!“, ruft die Hexe, die ihren Namen nicht nennen mag. „Besonders heute!“ Die Hexe stimmt leidenschaftlich mit ein. Von ausgelassener Karnevalsstimmung ist das „Hufeisen“ dennoch weit entfernt, am Abend dieses schwarzen Donnerstags, der nur die standhaftesten Jecken vor die Tür zu locken vermag.
Weiberfastnacht in Bochum: Das ist der Auftakt, vielerorts zugleich der Höhepunkt der tollen Tage. Kaum eine Kneipe, in der nicht gesungen und getanzt wird; kaum ein Club, der sich das lukrative Hochamt feuchtfröhlichen Frauen-Frohsinns entgehen lässt. Normalerweise.
Aber normal ist derzeit nichts.
Karneval in Bochum: Gemischte Gefühle im „Hufeisen“
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Allein Corona hat den Narren massiv zugesetzt. Der organisierte Karneval mit Ruhrcongress-Gala und Sitzungen, den Umzügen in Wattenscheid und Linden und den Rathaus-Erstürmungen: schon vor Monaten abgeblasen. Die Gastronomie indes durfte hoffen. Anders als die Diskotheken, deren Neustart erst am 4. März erlaubt ist, sind die Gaststätten geöffnet. Mit 2G-plus-Regel. Ohne Tanz. Aber immerhin: Da geht doch was!
Dann kam die Nacht zum Donnerstag. Der russische Angriff auf die Ukraine.
„Mein erster Gedanke war: Jetzt ist Krieg“, sagt „Hufeisen“-Chefin Claudia Schrecker. Ihr zweiter Gedanke: Kann, präziser: darf man jetzt noch Karneval feiern? Von „gemischten Gefühlen“ berichtet die Wirtin am Donnerstagabend, sieht sich in ihrer Entscheidung, ihre Traditionskneipe zu öffnen, aber bestätigt. Gut: Es ist deutlich leerer als sonst zur Weiberfastnacht. Aber: Wer gekommen ist, lässt sich den Spaß nicht nehmen. „Wobei man immer wieder an die armen Menschen in der Ukraine denken muss“, sagt eine der kostümierten Möhnen am Hellweg.
Strenge 2G-plus-Kontrollen im „Fiege Kläppken“
Das „Fiege Kläppken“ ist gleichfalls eine karnevalistische Hochburg in Bochum. In dieser Session wird sie zur närrischen Trutzburg. „Warum sollen wir nicht feiern? 2G-plus wird hier streng kontrolliert. Und ich will nicht, dass dieser Putin Einfluss auf mein Leben hat“, sagt Heike (46), die als Vampir geht.
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Wie im „Hufeisen“ ist auch an der Luisenstraße noch reichlich Platz – zur Weiberfastnacht sonst undenkbar. „Heute Mittag war ich noch zwiegespalten, ob ich überhaupt aufmachen soll“, sagt Wirtin Cornelia Gaede. Dass diesmal nur auf Sparflamme gefeiert wird, sei zu erwarten gewesen.
Straßenkarneval am Samstag auf dem Husemannplatz ist abgesagt
Am Wochenende dürfte der Karneval in Bochum weitgehend in der Versenkung verschwinden. Der Festausschuss Bochumer Karneval hat sein für Samstag geplantes Biwak mit Musik und Tanz am Freitag kurzfristig gestrichen. Der Husemannplatz sollte dafür ab 11.11 Uhr zur „Brauchtumszone“ mit Zutritt nur für Geimpfte und Genesene deklariert werden. Auch der „Mummenschanz“ in der Rotunde, Bochums größte und bunteste Karnevalsparty, fällt wie schon 2021 flach.
Humanitäre Hilfe statt Straßenkarneval
„Die jüngsten Ereignisse zwingen uns dazu“: So begründet der Festausschuss Bochumer Karneval die Absage des Straßenkarnevals am Samstag in der Innenstadt.„Karneval steht für Verständigung! Karnevalisten verurteilen Krieg und Gewalt!“, heißt es in einer Erklärung des Präsidenten Bernd Lohof, der alle Närrinnen und Narren zur humanitären Hilfe aufruft.„Die durchweg ehrenamtlich tätigen Aktiven im Karneval sind, wie die Vergangenheit zeigt, immer zur Stelle, wenn Hilfe benötigt wird, wie zuletzt die zahlreichen Unterstützungsleistungen bei der Flutkatastrophe gezeigt haben“, so Lohof.
Bestand haben die Planungen der Höntroper Gänsereiter. Zwar fällt das Gänsereiten aus. Die Blaukittel wollen aber drei Motivwagen am Rosenmontag entlang des üblichen Zugweges an zentralen Stellen am Wattenscheider Hellweg und an der Höntroper Straße der Öffentlichkeit präsentieren. „Karneval to go“, wie es in Höntrop heißt.
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Ebenfalls am Rosenmontag soll im „Fiege Kläppken“ und „Hufeisen“ wieder närrisch gefeiert werden. Wohl mit gemischten Gefühlen. Aber voller „Liiiiiiebe zum Leben“.