Bochum. Heute trauern viele Bochumer der Altstadt im Gerberviertel rund um die Propsteikirche nach. Nur das Brauhaus Rietkötter hat den Wandel überlebt.

Mit der Industrialisierung wuchs Bochum ab 1850 rasant, und das betraf nicht nur die Bevölkerungszahlen. Auch das Stadtbild veränderte sich. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich der Schwerpunkt des Geschäftslebens immer weiter weg von der ursprünglichen Altstadt weg verlagert.

Neue Plätze wie der Wilhelmsplatz (Husemannplatz) und Straßen wie die Bismarck-, Kortum-, Viktoria- oder Bahnhofstraße trumpften mit ansprechende Neubauten auf. Die Altstadt des Gerberviertels rund um die Propstei geriet ins Abseits.

In der Altstadt standen zahlreiche Fachwerkhäuser

Sieht man Fotos dieser Bochumer Altstadt an, wäre mancher wohl froh, wenn sie heute – gewiss hübsch renoviert – noch stünde. Es gab hier zahllose urige Fachwerk-, Bürger- und Geschäftshäuschen, von denen als einziges das Alte Brauhaus Rietkötter den Bombenkrieg und die Wiederaufbauplanung überlebt hat.

Blick in die Stadtgeschichte

Vieles, was einmal in Bochum war, ist inzwischen vergessen. Aber manches wissen die alten Bochumer noch von früher. Und die jungen sind neugierig, es zu erfahren.Mit „Bochum historisch“ wirft die WAZ einen Blick in die Stadtgeschichte. Unter dem Motto „So sah Bochum einmal aus“ werden verschwundene und noch sichtbare Gebäude besucht.Alle bisherigen Folgen finden Sie in dieser Übersicht.Wegen des großen Anklangs, den die Reihe findet, ist „Bochum historisch“ im Herbst 2016 auch als Buch im Klartext-Verlag erschienen. ISBN: 978-3-8375-1674-6; 12,95 Euro.Übrigens: Jürgen Boebers-Süßmann, der Autor von "Bochum historisch", ist auch auf Facebook.

Wahr ist aber auch, dass die „alten Kabachel“ der Altstadt vor dem Krieg bei den meisten Bochumern nicht mehr wirklich beliebt waren. Die Großstadthäuser, die seit den Gründerjahren entstanden waren, waren um ein Vielfaches komfortabler als die „Hucken“ in der „rückständigen“ Altstadt, die teils noch aus dem 18. Jahrhundert stammten.

Schräge Giebel mit Sprüchen und Emblemen

Gleichwohl ist das verschwundene Stadtbild von einigem Reiz. Die alten Bochumer haben immer wieder davon erzählt, so Franz Peine in seinem Buch „So war Bochum“. Dort heißt es: „Mochte der Alte Markt im Schatten der Propsteikirche sein beschauliches Rentnerleben genießen, die Nachbarschaft der Gemüsestände und fahrenden Händler störte ihn dabei keineswegs. Im Gegenteil, hier hatte etwas Malerisches seine letzte Zuflucht gefunden.“

In manchen Straßen trugen schräge Giebel noch ihr mit Emblemen und Sprüchen versehenes Fachwerk zur Schau; war in solch einem Fachwerkhaus eine Kneipe heimisch, „dann duftete der holzgetäfelte Unterschlupf eindringlich nach Bier, Tabak und Gemütlichkeit“.

Die Weilenbrink-Schule hält die Erinnerung wach

Spätestens seit den 1980er Jahren wurde die Pulverisierung der historischen Altstadt mehr und mehr als Verlust empfunden. Und der nostalgische Blick zurück verschafft sich auch deshalb immer wieder Bahn, weil das Neue, das kam, so abweisend ist; man denke nur an das Aral-Parkhaus in der Brückstraße.

Gerade idyllisch kommt einem da der „Malerwinkel“ im Weilenbrink vor, eine Straße, die einst Kirch- und Schulweg für viele Bochumer war, und die heute nicht mehr besteht. Nur die Weilenbrink-Schule hält die Erinnerung wach. Auch die Große und die Kleine Beckstraße waren früher winklige Gassen, die um die Gebäude-Insel des Schuhhauses Anton Köster zum Schwanenmarkt führten. Auch die alte Gerberstraße, wäre sie denn erhalten, würde mit ihren krummen Fachwerkhäuschen der bewunderten Hattinger Altstadt heute Konkurrenz machen.