Bochum-Langendreer. Seit 1990 gibt es im Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer „Grüne Damen“. Dank Inge Bröckelmann, die dafür einen langen Atem haben musste.

Es ist Dienstagmorgen, 10 Uhr. Inge Bröckelmann fährt mit dem Aufzug auf Station 7 des Knappschaftskrankenhauses in Bochum-Langendreer. Zwei Stunden wird sie sich in der Chirurgie-Abteilung aufhalten, von Zimmer zu Zimmer gehen und den Kontakt mit den Patienten suchen. Nicht als Ärztin. Inge Bröckelmann zählt zu den „Grünen Damen“ des Universitätsklinikums. Und das schon seit 30 Jahren.

Grüne Damen haben in Bochum-Langendreer seit 30 Jahren ein Ohr für Patienten

Inge Bröckelmann hat die Gruppe damals selbst aufgebaut. Dabei stieß sie zunächst auf Widerstand. „Die Oberin wollte das nicht“, sagt die 82-Jährige. „Sie meinte, wir würden den Schwestern die Arbeit wegnehmen. Dabei üben wir keine pflegerischen Tätigkeiten aus. Im Gegenteil, unser Einsatz setzt dort an, wo dem Personal die Zeit fehlt – beim persönlichen Austausch.“

Inge Bröckelmann unterhält sich mit dem Patienten Ulrich Spiekermann. Die beiden kennen und schätzen sich seit 20 Jahren – er als Langzeitpatient im Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer, sie als Grüne Dame.
Inge Bröckelmann unterhält sich mit dem Patienten Ulrich Spiekermann. Die beiden kennen und schätzen sich seit 20 Jahren – er als Langzeitpatient im Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer, sie als Grüne Dame. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche


Die Grünen Damen sind die stillen Helfer im Hintergrund. Sie machen kleine Besorgungen für die Patienten, helfen beim Aufladen der Telefonkarte und dem Ausfüllen von Anträgen. „Unsere Hauptaufgabe ist aber das Zuhören“, sagt Inge Bröckelmann. Wenn gewünscht. „Es gibt auch Patienten, die unsere Dienste nicht in Anspruch nehmen möchten.“

Zu diesen zählt Ulrich Spiekermann nicht. Als Langzeitpatient (seit 20 Jahren) kennt er Inge Bröckelmann natürlich bestens. Man versteht sich, scherzt miteinander. „Er hat selten Wünsche“, sagt Inge Bröckelmann, nur einen, den sie nicht erfüllen könne: ein neues Bein. Erst jüngst wurde Spiekermann auch das zweite amputiert. Trübsal bläst er trotzdem nicht. Allein wegen seiner vielen Enkelkinder. Und sicher auch ein bisschen wegen Inge Bröckelmann.

Glück und Leid liegen oft eng beieinander

So gut wie Ulrich Spiekermann kennt Inge Bröckelmann nur wenige Patienten. „Die bleiben immer kürzer auf der Station.“ Die durchschnittliche Verweildauer der Patienten im Knappschaftskrankenhaus liegt bei 6,3 Tagen. Kürzlich hatte sie einen kurzen Glücksmoment. „Da hat ein Mann zum ersten Mal seit Wochen mit mir geredet und mir gesagt, dass er bald entlassen werde. Ich habe ihn gefragt, ob er als geheilter Mann gehen wird, und dann erfahren, dass er nie wieder gesund wird.“ Das verfolge einen dann schon noch etwas länger, sagt Inge Bröckelmann, die solche Erlebnisse aber gut aufarbeiten kann. „Schließlich habe ich ja einen Seelsorger zu Hause.“

Gemeint ist ihr Mann, Helwig Bröckelmann (72), der früher in Langendreer und später dann in Harpen Pfarrer war, ehe es ihn ins Sauerland verschlug. „Er musste mit damals versprechen, mich weiterhin jeden Dienstag ins Knappschaftskrankenhaus zu fahren. Und das tut er“, lobt Inge Bröckelmann ihren Gatten.

20 Grüne Damen sind aktuell im Knappschaftskrankenhaus aktiv. Und ein Mann. Das klingt zunächst viel. Bei 17 Stationen und dem Ziel, pro Station zwei Ehrenamtliche abstellen zu können, relativiert sich das jedoch schnell. „Wir können also noch Verstärkung gebrauchen“, sagt Inge Bröckelmann.

Viele ihrer Kolleginnen hat sie über Kirchenchor und Gemeinde angesprochen und für das Ehrenamt gewinnen können. „Vier von uns sind Grüne Damen der ersten Stunde.“ Neuzugänge werden behutsam auf ihre Aufgabe vorbereitet. Bröckelmann: „Wir gehen zunächst sechs Mal gemeinsam auf die Station und führen dann ein Gespräch, ob das für diejenige Person etwas ist oder nicht.“ Auch danach hört der Austausch nicht auf: „Wir treffen uns alle vier Wochen, bilden uns fort, reden aber auch über Erlebnisse, die nicht so leicht zu verdauen sind.“ Es ist ja nicht jede mit einem Seelsorger verheiratet.