Bochum-Weitmar. Anwohner Am Steinknapp klagen über Schäden nach Starkregen. Sie sagen: Der fast 100-jährige Kanal ist überlastet und sehen die Stadt am Zug.
Sie können sich noch genau erinnern: Gerade hatte Deutschland gegen England verloren, war damit aus der Europameisterschaft ausgeschieden, da ging's los. "Erst ist Deutschland abgesoffen, dann wir", sagt Ortrud Wehde, Pfarrerin der evangelischen Freikirche Am Steinknapp. Das Spiel über hatte sie schon voller Vorahnung Richtung Himmel geschaut. "Wenn wir hören, dass es eine Unwetterwarnung gibt, dann graust es uns schon", schildert sie.
Ihre Befürchtungen erfüllten sich an jenem Dienstagabend Ende Juni: Der Keller lief voll, bis halb zwei nachts war Wehde mit ihrem Ehemann Karl-Heinz beschäftigt, das Wasser aus dem Keller zu schüppen. Am Steinknapp kein Einzelfall: Auch bei Nicole und Wolfgang Herker suchte sich das Wasser seinen Weg. "Es drückte sich unter dem Estrich hervor, kam durch Lichtschächte und Rohre", sagen sie.
Bochumer Familien wappnen sich gegen Starkregen
Probleme mit Starkregen sind am Steinknapp nicht unbekannt. "Ich bin in den letzten Tagen, wenn es geregnet hat, immer wieder in den Keller gerannt", sagt Nicole Herker, und Ortrud Wehe berichtet von einer verschobenen Augen-Operation aus Sorge um den nassen Keller.
Beide Familien haben sich gegen den Starkregen gewappnet: Mit Tauchpumpen, Wassersaugern, Kunststoffschränken auf Europaletten. "Wir können keine Koffer oder Lebensmittel mehr im Keller lagern", berichten Herkers. Mehrere Tausend Euro habe man in den letzten sieben Jahren zum Schutz gegen den Regen investiert, denke aktuell über eine kostspielige Isolierung der Hauswand nach.
"Kanal für die aktuelle Bebauung nicht angelegt"
Zwar ist es hier in Weitmar längst nicht so schlimm wie bei Familien in Dahlhausen, bei denen in den letzten Tagen durch das Hochwasser viel zerstört wurde, doch Probleme kennen sie auch hier - und glauben auch, die Ursache zu kennen.
Sieben Jahre - das ist in etwa der Zeitraum, seit dem die Weitmarer sich bei Regen nicht mehr sicher fühlen. "Der Kanal hier am Steinknapp und in der Umgebung am Kellermannsweg und der Karl-Friedrich-Straße stammt aus dem Jahr 1925. Er ist für die jetzige Bebauungssituation einfach nicht ausgelegt", klagen sie. Im Vergleich zur Situation vor fast 100 Jahren gebe es heute viel mehr Häuser und viel mehr Flächen seien versiegelt.
"Die Stadt muss etwas tun und den Kanal vergrößern", sind sich die Anwohner sicher. Bei der Stadt haben sie aber bislang nur erfahren, dass der Kanal nicht defekt ist. "Es geht aber nicht nur darum, ob er defekt ist, sondern auch darum, ob er für die jetzige Bebauungssituation angemessen ist", betonen die Weitmarer.
Maßnahmen sind langfristig geplant
Die Entwässerungsabteilung der Stadt Bochum hat gute Nachrichten für die Weitmarer: "Der Kanal von 1927 ist aus baulicher Sicht zu erneuern", heißt es. Entsprechend des Abwasserbeseitigungskonzeptes der Stadt Bochum seien dafür im Jahr 2027 zwei Maßnahmen vorgesehen. Geschätzte Kosten: 800.000 Euro.
Der Kanal am Steinknapp hat in den unterschiedlichen Abschnitten Nenndurchmesser zwischen 40 und 75 cm. Im oberen Bereich der Straße will die Stadt den Durchmesser des Kanals vergrößern. "Ansonsten ist der Kanal leistungsfähig", teilt die Stadt mit.
Die Bemessung eines Kanal erfolge für Niederschlagsereignisse, die statistisch gesehen einmal in drei oder fünf 5 Jahren auftreten. "Diese Wassermengen können ohne Überstau durch den Kanal abgeleitet werden", so die Stadt. Bei stärkeren Niederschlagsereignissen komme es zu Abflüssen auf Straßen, die nicht in das Kanalnetz eintreten könnten oder aus dem Kanalnetz als Überstau austreten würden.
Abflüsse müssen gelenkt werden
"Bei Starkregenereignissen ist das Kanalnetz vollständig ausgelastet und es kommt zu Überstauungen und Überflutungen", heißt es von seiten der Stadt. Es gelte dann, Abflüsse so zu lenken, dass Schäden reduziert oder vermieden würden.
Dazu gibt es weitere Planungen: "Die Oberläufe des Marbaches werden zur Zeit ins Mischwassersystem eingeleitet. Hier ist es geplant, die Oberläufe wieder an den Marbach anzuschließen. Die Planungen dazu laufen und sollen entsprechend dem Planungsideal der Schwammstadt umgesetzt werden", so die Stadt.
Starkregenberatung der Stadt
Die Stadt Bochum unterstützt Eigentümer bei der Beratung zum Schutz vor Überschwemmungen durch Starkregenberater. Diese beraten vor Ort, wie ein Gebäudes vor Überschwemmung und Rückstau gesichert werden kann.
Dabei wird auf Lichtschächte oder Kellereingänge geachtet und Möglichkeiten zur Sicherung vorgeschlagen.
Auf www.bochum.de gibt es eine Starkregengefahrenkarte und konkrete Ansprechpartner.