Bochum. Die Arztpraxen starten mit den Impfungen. Doch wer erhält die wenigen Spritzen? Patienten flehen. Ein Bochumer Arzt berichtet von seinen Nöten.

In 150 Arztpraxen in Bochum beginnen am Dienstag (6.) die Corona-Schutzimpfungen. Die Impfkampagne werde dadurch „schnell an Kraft und Umfang gewinnen“, verheißt die Kassenärztliche Vereinigung (KV). Doch vor Ort gibt es Probleme. Die Impfstoffe sind limitiert. Die Auswahl der Patienten sei mitunter hoch emotional. „Manche Kollegen scheuen zudem den bürokratischen Aufwand“, sagt Christian Deppe, Allgemeinmediziner in Stiepel.

Nach bisher mehr als 70.000 Impfungen in Altenheimen und Kliniken, im Impfzentrum und mit mobilen Teams war der Impfstart bei den niedergelassenen Ärzten lang ersehnt worden. Der Auftakt fällt gleichwohl bescheiden aus. 3200 Biontech-Dosen stehen für diese Woche in Bochum bereit, ebenso viele für die nächste Woche. Erst danach soll die Menge der Vakzine deutlich steigen.

Corona in Bochum: Hausarzt kann bis Freitag 30 Spritzen setzen

150 Haus- und Fachärzte machen in der ersten Woche mit: weniger als zunächst angekündigt. „Ein Grund sind die Osterferien“, sagt KV-Bezirksleiter Dr. Eckhard Kampe. So konnten die teilnehmenden Praxen nicht nur 20, sondern bis zu 50 Dosen bestellen. „In der zweiten Wochen werden es weniger, weil dann mehr Ärzte einsteigen“, so Kampe.

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Der Bochumer Hausarzt Christian Deppe kann in der ersten Woche 30 Biontech-Dosen in seiner Praxis verimpfen.
Der Bochumer Hausarzt Christian Deppe kann in der ersten Woche 30 Biontech-Dosen in seiner Praxis verimpfen. © Unbekannt | Deppe

Christian Deppe, der Bochum bei der Vollversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe vertritt, hat 48 Dosen geordert. 30 hat er bekommen. Sie sollen am Dienstag von einer Apotheke angeliefert und bis Ende der Woche verimpft werden: Mittwoch zwölf, Donnerstag zwölf, Freitag sechs. Handwerklich ist das Routine. „Grippe, Tetanus, Diphtherie: Im Impfen sind wir bestens geübt.“ Das Dilemma: Welche seiner mehreren hundert Patienten sollen die raren Spritzen erhalten?

Patienten warnen vor „quälendem Tod“

Auf dem Hausarzt lastet großer Druck. „Wir haben eine Liste für Interessenten ausgelegt. Weit über 200 Patienten haben sich eingetragen“, berichtet Deppe. Etliche Briefe und Mails seien eingegangen. „Da wird oft die emotionale Keule geschwungen. In einer Mail eines Patienten heißt es, es sei meine Aufgabe, ihn ,vor einem quälenden Tod zu bewahren’.“

Deppe muss sich an die vorgegebene Priorisierung halten. Menschen mit schweren Vorerkrankungen, etwa Lungenleiden, haben bei der Immunisierung Vorrang, ebenso wie deren Lebenspartner. „Das ist ja unser großer Vorteil: Wir kennen die Lebensumstände unserer Patienten“, betont Deppe, beklagt zugleich aber eine teils ausufernde Bürokratie: „Alle Patienten müssen einen Aufklärungsbogen ausfüllen, jede Impfung muss samt Indikation dokumentiert und ins KV-Portal übertragen werden, jede Zweitimpfung muss frühzeitig geplant werden.“ Das alles belaste den Praxisalltag, der ja normal weiterläuft.

Hausbesuche werden anfangs zurückgestellt

Die Priorisierung sieht auch die Impfung von bettlägerigen Patienten daheim vor. Hier erkennt Deppe einen besonders gravierenden Fehler im System. „Nach jeder Impfung muss ich eine Nachbeobachtung sicherstellen. Aber ich kann mich doch nicht jedes Mal 30 Minuten daneben setzen!“ Deppes Lösung: Zumindest in der ersten Woche verzichtet er auf Hausbesuche – und impft stattdessen die pflegenden Angehörigen und Betreuer. Jeder Patient, der zu Hause versorgt wird, kann dafür zwei Kontaktpersonen benennen.

Bei allen Schwierigkeiten: Christian Deppe ist sich mit dem KV-Vorstandschef einig. „Das Impfen“, sagt Dr. Dirk Spelmeyer, „ist jetzt da angekommen, wo es hingehört.“ Aus den Anfängen werde bald ein reibungsloser Impfalltag. Spelmeyer: „Die Ausweitung der Impfkapazitäten ist beschlossene Sache. Wir können verimpfen, was immer die Hersteller liefern!“

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