Bochum. Der Handel in Bochum ächzt unter dem Lockdown. Jetzt scheint Licht am Ende des Tunnels. Es gibt Hoffnung. Aber wohin weist die Corona-Inzidenz?
„Es muss sich etwas tun!“, sagt Jutta Versteegen. Seit 2014 führt sie die Damenmoden-Boutique „Barbara’s“ an der Grabenstraße. Der Corona-Lockdown sei für sie und viele weitere Einzelhändler längst existenzbedrohend, warnt Jutta Versteegen und setzt Hoffnungen in die jüngsten Öffnungsperspektiven der Politik. Auch die Gastronomie fragt: „Wann kriegen wir grünes Licht?“
Die Sieben-Tage-Inzidenz in Bochum ist derzeit weit weg vom Richtwert 35, der zunächst eingedampft schien, beim Corona-Gipfel am Mittwoch in Berlin aber wieder eine prägende Rolle spielte. Nun allerdings mit Öffnungsklauseln. Heißt: Bei einer höheren Inzidenz soll dem Einzelhandel zumindest ein Verkauf nach Vereinbarung („Click & Meet“) erlaubt sein.
Corona in Bochum: Handel setzt zum Neustart auf „Click & Meet“
Frank Beckmann, Chef des Bochumer Schuhhauses Lötte, hält das Termin-Geschäft für „vertretbar“. Natürlich würde sich der Schuhhändler wünschen, sofort wieder die Türen für seine Kunden zu öffnen und dabei die Corona-Regeln einzuhalten. „Wir haben nach dem ersten Lockdown ja gezeigt, wie gut wir das im Griff haben. Wir sind keinesfalls ein Pandemie-Treiber.“ Das „Click & Meet“-Modell böte wenigstens eine Minimal-Chance, die Ware direkt an den Mann oder die Frau zu bringen. Mehrere Einzelhändler praktizieren den Exklusiv-Verkauf bereits seit 2020. „Laden für dich allein“, heißt es in den Boutiquen von Alexander Eiskirch, „Personal Shopping“ im Juweliergeschäft Mauer.
Lockerungen seien dringend notwendig, so Beckmann. Zwar habe es sein Unternehmen dank des gut aufgestellten Online-Handels geschafft, das Umsatzminus im Lockdown auf 50 Prozent zu drücken. „Das ist in diesen Zeiten ein prima Ergebnis.“ Das Problem gerade in der Schuhbranche mit ihrer Saisonware sei jedoch: „Die Lager sind voll. Viele Händler sitzen auf der Herbst- und Winterware, die mitunter noch nicht bezahlt ist. Folge: Es gibt ein Liquiditätsproblem, die neue Frühjahrs- und Sommerware zu bezahlen.“ Das sei „bei weitem kein Einzelfall“, schildert Beckmann.
Herbst- und Winterkollektion muss als Verlust verbucht werden
Auch Jutta Versteegen muss die Herbst- und Winterkollektion als Verlust verbuchen. „Die Ware wird mindestens ein dreiviertel Jahr vorher eingekauft und bezahlt“, sagt die „Barbara’s“-Chefin. Ausdrücklich befürworte sie alle Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Aber: „Wir wären sofort in der Lage, Corona-konform zu öffnen“ – mit Masken, Abstand und nur einer Kundin bei 100 Quadratmetern Verkaufsfläche. „Elementar ist: Die Politik muss uns die Chance für einen verantwortungsvollen Neustart geben.“ So wie es auch mit Buchhandlungen und Gartencentern passiere.
Das fordert auch die Gastronomie für sich ein. Noch für März erwarte er eine Erlaubnis für die Außengastronomie, für die Bewirtung innen im April, sagte der Sprecher der Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Bermudadreieck, Christian Bickelbacher, zu Wochenbeginn im WAZ-Gespräch. Zumindest für die Biergärten ist für das Frühjahr nun auch bei Inzidenzen unter 100 Land in Sicht. Das könnte nicht nur für das Bermudadreieck zum Saisonstart bedeuten: Die Außengastronomie öffnet, die Bars und Restaurants bleiben dicht. Für den NRW-Branchenverband Dehoga ein erster Schritt: „Wir wollen uns nicht mehr mit Hinhaltetaktiken abspeisen lassen“, zürnt Präsident Bernd Niemeier.
Gastronomie will Biergärten öffnen
Für die Bochumer City wäre eine teilweise Wiederbelebung der Gastronomie ein wichtiges Signal. „Mit jedem weiteren Tag des Lockdown wird es schwieriger für die Innenstadt“, mahnte Textilhändler Andor Baltz schon nach dem letzten Bund-Länder-Treffen im Februar. Es werde Geschäftsschließungen geben, „gerade in Branchen mit ,verderblicher Ware’, etwa im Textilhandel, wo der Abkauf der Winterware schon längst hätte beginnen müssen“.
Ob, wann und wie lange die Öffnungsperspektiven für Bochum Realität werden, hängt zu allererst von der Corona-Entwicklung ab. Derzeit liegt der Wert (Stand Mittwoch) bei 47,4. Wegen der massiven Ausbreitung der britischen Virus-Mutante wird aber ein weiterer Anstieg befürchtet.
Zweifel gibt es auch an den kostenlosen Schnelltests, die die Lockerungen ab Montag (8.) flankieren sollen. Dazu gebe es weiterhin keinerlei Informationen des Bundes und Landes, berichtete Apothekensprecherin Inka Krude am Mittwoch auf WAZ-Anfrage. Fest stehe: „In den Apotheken ist dafür kein Platz.“ Es müsse externe Teststellen geben. Wo und wann die entstehen sollen? „Wir wissen es nicht“, sagt Inka Krude.