Bochum. Bochum hat 196 Corona-Verstorbenen gedacht. Besonders berührend: Die Worte einer Witwe, die ihren Mann mit 68 Jahren verloren hat. „Zu früh.“

Glockenläuten – in ganz Bochum, am Sonntagabend um 17.30 Uhr. Ein Klang, der einlud, einen Moment innezuhalten. Ein Zeichen, der 196 Männer und Frauen zu gedenken, die an und mit dem Coronavirus gestorben sind. „Wir vermissen Sie schmerzlich, denn ihr Tod hat Lücken in unserem Leben hinterlassen“, leitet Oberbürgermeister Thomas Eiskirch nach Geigen- und Cello-Musik in der Jahrhunderthalle ein. Eine emotionale Gedenkveranstaltung beginnt.

Bochums OB Eiskirch- „Die Pandemie wird Spuren hinterlassen“ „Mein lieber Mann Rolf ist heute vor genau drei Monaten mit 68 Jahren aus dem Leben gegangen“, sagt Petra Stephan aus Langendreer. Sie spricht stellvertretend für die Angehörigen der 196 Bochumerinnen und Bochumer, die an oder mit Corona starben. „Viel zu früh. Wir hatten noch so viel vor.“

Angehörige: „Dankbar, dass wir ihn begleiten durften.“

Weihnachten war gerade vorüber, da ging es Rolf Stephan schlechter, er war schlapp und bekam hohes Fieber. „Mir wurde das Risiko zu groß und ich kontaktierte den Notarzt“, erinnert sich Petra Stephan. Pandemiebedingt wurde er allein ins Krankenhaus gebracht, meldete sich von der Intensivstation. Zwei Tage später wurde er in ein künstliches Koma versetzt.

Als sich Rolf Stephans Gesundheitszustand verschlechterte, durften Frau und Kinder zu ihm. Nach intensiven Gesprächen und langen Spaziergängen entschieden sie sich, ihn gehen zu lassen. „Es tat sehr weh“, erinnert sich Petra Stephan. „Die letzten gemeinsamen Stunden an seinem Intensivbett verbrachten wir mit schönen Erinnerungen.“

Petra Stephan hat ihren Mann Rolf an Corona verloren. „Wir sind dankbar, dass wir ihn in dieser kurzen und schweren Zeit teilweise begleiten durften“, sagte sie bei der Gedenkfeier in der Jahrhunderthalle.
Petra Stephan hat ihren Mann Rolf an Corona verloren. „Wir sind dankbar, dass wir ihn in dieser kurzen und schweren Zeit teilweise begleiten durften“, sagte sie bei der Gedenkfeier in der Jahrhunderthalle. © Screenshot | Rau

Am 18. Januar ist Rolf Stephan verstorben. „Wir sind dankbar, dass wir ihn in dieser kurzen und schweren Zeit teilweise begleiten durften.“ Der letzte Satz, denn Rolf Stephan seiner Frau am Telefon sagte, war: „Wir schaffen das“. Es ist ihr Leitsatz geworden. „Und vielleicht wird er es auch für Sie“, sagt Petra Stephan und legt eine weiße Rose nieder.

Krankenschwester: „Sonst haltet wir die Hand, wenn jemand einsam ist und stirbt.“

Krankenpflegerin Petra Fornahl tritt vor das Redepult. „Besonders schlimm war die Einsamkeit, die Menschen erleben mussten“, sagt Fornahl, die seit über 30 Jahren im Augusta-Krankenhaus arbeitet und allen Angehörigen ihr Mitgefühl aussprach. „Sonst haltet wir die Hand, wenn jemand einsam ist und stirbt. Das war nur mit Maske und Handschuhen möglich.“

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Das weiß auch Internistin Dr. Mirna Abd El Aziz, die am katholischen Klinikum in Bochum viele Patienten betreut hat, die nicht überlebt haben.. „Der Tod mit Covid-19 ist ein ganz anderer“, sagt sie. Die fehlende Möglichkeit, sich zu verabschieden, die Ärztinnen und Ärzte, die nur anonymisiert mit Kopf hinter dem Visier zu sterbenden Menschen dürfen. „Das sind Dinge, die mich heute noch sehr berühren und belasten“, so die junge Ärztin.

Sie appelliert an alle, das Coronavirus ernstzunehmen. „Immer mehr wächst die Sorgen, Patienten nicht versorgen zu können. Das Ausmaß der dritten Welle übersteigt die vorherigen“, mahnt Abd El Aziz an. Komme es zu einem weiteren Anstieg, würden die Kapazitätsgrenzen erreicht.

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Gebete und 196 weiße Rosen für 196 Corona-Verstorbene in Bochum

Es sind drei Frauen, die Verstorbenen im Leben und der letzten Phase ihrer Krankheit besonders nahe standen. Sie sprechen stellvertretend für so viele, die in ähnlichen Situationen sind. Weil sie geliebte Menschen verloren haben, weil sie in einem Krankenhaus für das Menschen Schwererkrankter kämpfen. Nach den Redebeiträgen folgen drei Gebete, von Vertretern des christlichen, jüdischen und muslimischen Glaubens.

„Mein besonderer Dank gilt Ärztinnen, Ärzten, Krankenschwestern und Pflegern. Im Kampf gegen das Virus leisten sie einzigartige Arbeit. Sie können nicht jedes Leben retten, doch sie sind rund um die Uhr für ihre Patientinnen und Patienten da“, sagt Oberbürgermeister Thomas Eiskirch. Er fordert, dass Bochum als Stadtgemeinschaft die Menschen, die jemanden verloren haben, nicht allein lässt. „Unsere Gedanken sind bei Ihnen, wir trauern mit ihnen.“

196 weiße Rosen erinnern an 196 Corona-Verstorbene. Stellvertretend für viele trauernde Angehörige zündet Petra Stephan die große Kerze in ihrer Mitte an.

Die Gedenkveranstaltung zum Nachschauen:

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