Bochum/Philippinen. Bochumer Christoph Ernst wagt den Schritt in ein Entwicklungsland. Erst als er lernt, wie ein Einheimischer zu denken, stellen sich Erfolge ein.
Das Land, in dem Christoph Ernst lebt, ist kein typisches Auswanderer-Ziel. Es verspricht keine bessere berufliche Perspektive, keinen hohen Lebensstandard, keinen unbekümmerten Ruhesitz: Er lebt auf den Philippinen. Auf dem Index der menschlichen Entwicklung landen die Philippinen auf Platz 106 von 189. Das Auswärtige Amt warnt vor terroristischen Anschlägen und Entführungen in mehreren Regionen des Landes. Warum zog es den Bochumer, der seit 25 Jahren auf den Philippinen lebt, dorthin?
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„Ich habe die Hälfte meines Lebens in Asien gelebt. Erst als Banker in Singapur, nun hier“, sagt der 60-Jährige. Einen entscheidenden Impuls, Bochum zu verlassen, bekam er während des Betriebswirtschaftsstudiums in Berlin – nicht in Lehrveranstaltungen, sondern in seinem Multi-Kulti-Freundeskreis. „Da habe ich ein neues Leben probiert und nicht viel ausgelassen“, erinnert sich Ernst, der an der heutigen Märkischen Schule Abitur machte. „Im Studium wechselte der Fokus vom europäischen Ausland auf Asien“, so der Bochumer. Das Jobangebot als Banker war dann seine Eintrittskarte in eine neue Welt.
Philippinen: Ein Staat mit 7000 Inseln
„Vielleicht hatte das aber auch etwas mit meiner Frau zu tun. Sie kommt aus Korea“, gibt er schmunzelnd zu. Mit ihr, drei adoptierten Kindern, Hunden, Hausangestellten, Fahrern und leitenden Mitarbeitern seiner Betriebe wohnt er zusammen in der Hauptstadt der Philippinen: der Mega-City Manila mit mehr als 13 Millionen Einwohnern. Sie liegt auf der größten der 7000 Inseln vulkanischen Ursprungs, die Urlauber mit tropischem Grün und kristallblauem Wasser locken. „Wer hier arbeitet, verliert leider den Blick für die Schönheit des Landes“, meint Ernst, der seine Kindheit rund um die St. Franziskuskirche in Weitmar verbrachte.
Auf seinem Lebensweg spielte die Kirche stets eine Rolle: katholischer Kindergarten und katholische Grundschule, Messdiener, Jugendgruppe, Zeltlager. „Mein Hobby war das Fangen von Molchen und anderem Getier an der alten Ziegelei an der Wasserstraße“, sagt Ernst. In der Propsteigemeinde in Wattenscheid spielte er nach einem Umzug in der Jugendband. „Vielleicht waren dies nicht nur die glücklichsten, sondern auch die prägendsten Jahre meines Lebens“, meint er.
Vertraute Mentalität
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Wie im Kontrast eine unbehütete Kindheit aussieht, bekam er auf den Philippinen zu Gesicht: „Man muss sich nicht nur an die hohe Luftfeuchtigkeit, sondern auch an Armut, fehlende Bildung und Not gewöhnen“, sagt Ernst. Trotzdem sprachen für ihn 1997 gute Gründe für das Land. „Die Kultur und die Mentalität der Menschen stehen uns nahe. Mehr als 300 Jahre waren die Philippinen eine spanische Kolonie, fast 50 Jahre eine Kolonie der Amerikaner. 95 Prozent der Filipinos sind Christen, jeder spricht Englisch“, erklärt er.
Die Filipinos seien gastfreundlich, liebenswürdig und loyal. So hätte er schnell Freunde gefunden, der berufliche Durchbruch aber blieb zunächst aus. „Vielleicht, weil ich im Kopf immer noch der privilegierte, in USD bezahlte Ausländer war“, sagt er heute. „Erst als ich lernte, wie ein Filipino zu denken, zu handeln und zu leben, stellten sich dauerhafte Erfolge ein.“
Erster deutscher Deli
In den vergangenen zehn Jahren konnte er so ein solides Firmennetzwerk aufbauen, das Werbematerialien importiert und landesweit verkauft. „Vor einigen Wochen haben wir den ersten ,German Deli’ in Manila eröffnet, der aus Deutschland importiere Lebensmittel verkauft“, sagt Ernst. Seinen Kindern würde er zu seinem Lebensweg jedoch nicht raten. „Man gibt mehr auf, als man glaubt, in der Euphorie des Aufbruchs unterschätzt man schnell die Mühen eines Neubeginns – gerade in einem Entwicklungsland“, sagt Ernst, der Bochum vermisst.
Die Philippinen
Die Philippinen bilden nach Indonesien, Madagaskar, Papua-Neuguinea und Japan den fünftgrößten Inselstaat der Welt.Die Regierungsform ist eine präsidentielle Republik, Regierungschef und Staatsoberhaupt ist Rodrigo Duterte.Die Entwicklung des Inselstaates wird unter anderem von gewaltsamen Konflikten zwischen Regierung und Rebellengruppen sowie zwischen rivalisierenden Familienclans behindert.
„Die Mentalität und Kultur des Potts, Kohle und Stahl, die Sprache, die Witze, das Essen, der Geruch der Stadt, Kortum, Stadtpark, Ruhr und Weihnachtsmarkt: All das ist mir weiter vertraut.“ Ob er noch einmal Wurzeln in Bochum schlagen könnte, weiß er nicht. „Man ist nach 30 Jahren in Asien zwar immer noch derselbe, aber nicht mehr der Gleiche. Ich bin ein deutscher Filipino geworden“, sagt er.