Bochum. Jahrzehntelang gab es Freitickets bei der Bogestra u.a. für Betriebsrentner. Die sollen nun bezahlen: 10 Euro im Monat. Einige klagen dagegen.
1800 Bogestra-Pensionäre und 2400 Angehörige von Beschäftigten des Nahverkehrsunternehmens müssen seit Februar für ihre bis dahin kostenlosen Monatstickets bezahlen. Nicht alle sind damit einverstanden. In zehn Fällen haben sie vor dem Arbeitsgericht geklagt.
Rentner bestreiten Grundlage für Neuregelung
Zehn Euro monatlich verlangt die Bogestra seit dem 1. Februar. Dagegen wehren sich u.a. Edmund P. und Bernhard U., deren Klagen als erste vor der Ersten Kammer unter dem Vorsitz von Arbeitsgerichtspräsident Christian Vollrath verhandelt werden. Die beiden Rentner und früheren Bogestra-Beschäftigte stehen auf dem Standpunkt, es gebe keine Grundlage für den plötzlichen Sinneswandel des Unternehmens.
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„Schon mein Vater hatte 1955 so einen Freifahrtschein – wie die anderen Beschäftigten und deren Angehörige auch“, so Bernhard U. Er habe das Ticket nicht beantragt, nicht darum gebeten, es aber ebenso wie jeder andere erhalten. Es nun dem Mitgliedern der Bogestra-Familie, als die sich die Mitarbeiter immer fühlen sollten, zu entziehen, will er nicht akzeptieren. „Das ist schäbig. So geht man nicht mit Familienmitgliedern um.“
Richter verweist auf das Bundesarbeitsgericht
Der Rechtsanwalt des Rentners argumentiert, es verhalte sich mit den Tickets ebenso wie mit Kohle- und Bier-Deputaten von Zechen und Brauereien. „Die werden auch nicht irgendwann entzogen.“
„Ja, mag sein“, so Richter Christian Vollrath. Für die Rechtssprechung sei allerdings ausschlaggebend, auf welcher Grundlage das Verkehrsunternehmen die Freitickets gewährt habe. Er verweist auf die seit einigen Jahren gängige Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt in diesen Angelegenheiten. Demnach sind Vereinbarungen, wie sie bei der Bogestra offenbar getroffen wurden, die Jüngste übrigens wohl mit Zustimmung des Betriebsrats, immer änderungsoffen – auch für eine „verschlechternde Lösung“, so das BAG 2017. Will sagen: Es gibt keine Garantie dafür, dass Leistungen wie das Freiticket bis an das Lebensende gewährt werden.
Bogestra will 265.000 bis 350.000 Euro einnehmen
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„Das Unternehmen hat sich die Frage nicht leicht gemacht, ob und wie welcher Höhe sie Rentner und Angehörige aktuell Beschäftigter belasten kann“, so einer der beiden Rechtsvertreter der Bogestra aus der Kanzlei Aulinger. Es sei darum gegangen, die coronabedingten Verluste zu reduzieren. Und: Selbst wenn argumentiert würde, es gebe einen moralischen Anspruch auf Freitickets. Am Ende werde der Steuerzahler mit den Verlusten belastet, „d.h. Bochumer bezahlen dafür, dass Bogestra-Rentner kostenfrei mit Bus und Bahn fahren können“.
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Etwa 3900 Rentner und Angehörige nutzen nach Schätzungen der Bogestra das ehemalige Freiticket auch nach Einführung des Entgelts von zehn Euro monatlich weiter. Zwischen 260.000 und 350.000 Euro werde die Bogestra durch diese Maßnahme jährlich mehr einnehmen. Alle anderen, am 1. Januar neu ausgegeben Tickets, seien elektronisch für ungültig erklärt worden.
Klage: Ticket-Sperre aufheben
In den ersten beiden Verfahren vor dem Arbeitsgericht verlangen die Kläger, dass die zum 1. Februar vorgenommene Sperre ihrer Fahrkarte wieder aufgehoben wird. Die Bogestra-Anwälte beantragen, die Klage abzuweisen. Ein Urteil hat das Gericht noch nicht gesprochen. Aber der Vorsitzende Richter deutet an, dass er wohl dem Antrag der Bogestra-Anwälte folgen wird. Allerdings: Aus seiner Sicht könnte es Gründe geben, den Klägern eine Revisionsmöglichkeit einzuräumen. Dann könnte die „Deputat-Frage“ über das Landesarbeitsgericht erneut vor dem Bundesarbeitsgericht landen.