Winterberg. Lange Staus, volle Parkplätze - das gibt es in Winterberg. Da sollte der Zug aus dem Ruhrgebiet die Alternative sein. Ist er es auch?
Da sind zum Beispiel Jona und Finja. Die beiden machen sich schon am zweiten Wochenende hintereinander auf in den Schnee, um Ski zu fahren. Sie sitzen an diesem Samstagmorgen im Regionalexpress RE 57 mit dem Ziel Winterberg. In Dortmund sind sie gestartet - und für sie wird es eine entspannte Anreise: „Vergangene Woche war die Bahn, mit der wir zurückgefahren sind, auch recht leer.“
An diesem Wochenende, an dem das ganze Sauerland in weiß gehüllt ist, an dem es eigentlich ideale Wintersportbedingungen gibt, erstaunt es fast, wie leer auch dieser Zug ist. Er startet um kurz nach 8 Uhr in Fröndenberg, am Rande des Ruhrgebietes, um knapp eineinhalb Stunden später in Winterberg anzukommen. Von den Straßen war man zuletzt anderes gewohnt: Lange Staus vor Winterberg, nervenaufreibende Parkplatzsuche, nicht wenige Falschparker - und angesichts dieser Verkehrsbelastung auch verärgerter Winterberger Anwohner.
Von all dem ist hier beim Start des RE 57 in Fröndenberg nichts zu spüren: Die ersten Fahrgäste steigen ein. Ausgerüstet mit Winterjacke, Winterstiefeln und teilweise auch Helmen. Eine junge Frau holt aus ihrem Rucksack eine Skihose und zieht sie über ihre Leggins. Eine Männergruppe besetzt vier Abteile. Sie haben Bierflaschen und Kaffeebecher dabei. Die Bahn wirbt damit, dass auf dieser Strecke, die das Ruhrgebiet direkt mit Winterberg verbindet, „schon die Anreise zum Erlebnis“ werde und der „Urlaub ohne Stress beginnen könne“.
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Die Bahn fährt derzeit nicht direkt von Dortmund aus
Zur Wahrheit gehört derzeit aber auch: So direkt ist die Verbindung zwischen dem Ballungszentrum Ruhrgebiet und der NRW-Wintersportmetropole dann doch nicht. Wegen Bauarbeiten muss man zwischen Dortmund und Fröndenberg für eine Stunde Fahrtzeit auf den Bus umsteigen oder mit dem Zug über Hagen fahren. Wo es eigentlich von Dortmund nach Winterberg ohne Umstieg 1.45 Stunden dauert, muss man nun mit 2.20 Stunden rechnen - mit Umstieg.
Die, die an diesem Morgen in dem Zug sitzen, wissen die Fahrt aber dennoch zu schätzen: Das sind etwa Elias und Nick, die nicht Skifahren wollen, sondern wandern. Sie fahren zum ersten Mal nach Winterberg. Wieso sie sich gerade dieses Wochenende für ihren Wanderausflug ausgesucht haben? „Da es so viel geschneit hat und das Wetter gut werden soll.“ Ebenfalls zum Wandern will Daniel ins Sauerland. Er kommt aus Wuppertal: „Das ist schon das dritte Wochenende, an dem ich nach Winterberg fahre.“ Sein Großvater hat in der Gegend ein Haus. Über volle Züge könne er sich auf seinen Wochenendtouren meist nicht beschweren. „Auch nicht an einem Schneewochenende wie diesem.“
So schön ist das Winterwochenende in Winterberg
Der Zug wird geteilt - und die meisten wollen nicht nach Winterberg
Am Bahnhof in Bestwig wird der Zug geteilt. Ein Zugteil fährt nach Winterberg, der andere nach Warburg. Fast schon erstaunlich an solch einem Winter-Wochenende: Die meisten Fahrgäste steigen in den Zugteil nach Warburg um. Es bleibt also recht leer. Dass diese Bahn nach zwei weiteren Haltestellen in einem überfüllten Skigebiet ankommen soll, kann man noch nicht glauben.
Weiter im Zug bleibt aber zum Beispiel Rüdiger. Er ist zum Langlauf aus Unna angereist, seine Skier hat er im Gepäck. „Ich fahre oft nach Winterberg“, erzählt der Rentner. „Im Sommer auch mit dem Fahrrad.“ Doch bei diesem Wetter setzt er auf die Bahn. Und da ist noch ein Skilehrer, der sagt, dass er einfach der „Schorsch“ sei. Von Meschede aus ist er immer mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) unterwegs, seit 20 Jahren besitzt er kein Auto mehr. Er ist heute also beruflich unterwegs, sagt, es sei bereits seine 51. Saison. Das Problem auf dieser Strecke sei weniger, dass die Züge überfüllt seien, sondern vielmehr die Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn. „Am Freitag musste ich mit dem Bus von Meschede über Bestwig, Olsberg und Niedersfeld fahren, da die Bahn ausgefallen ist.“ Trotzdem rät er seinen Skischülern, mit der Bahn zu kommen. „Das ist auch besser für die Umwelt.“
Und Luis und Marlon haben sogar den direkten Vergleich: Vergangene Woche waren sie schon zum Skilaufen in Winterberg - mit dem Auto. Im Stau steckten sie damals zwar im Gegensatz zu vielen anderen nicht („Wir sind über Landstraßen gefahren“), diesmal haben sie sich allerdings bewusst für Bus und Bahn entschieden und sind in Dortmund gestartet. „Es ist gemütlicher. Man muss sich nicht auf die Straße konzentrieren“, erklärt Luis, dessen Ziel auch diesmal das Skiliftkarussell in Winterberg ist.
Um kurz vor halb zehn Uhr kommt der Regionalexpress am Bahnhof in der Winterberger Innenstadt an. Von hier aus fahren in der Saison spezielle „Skibusse“ die Wintersportfans direkt zu den Winterberger Liften, aber auch nach Altastenberg,. Neuastenberg oder Langewiese - ohne Parkplatzsuche.
In Winterberg wartet die Blechlawine vor dem Kreisverkehr
Wie sieht es zu dieser Zeit auf den Straßen in Winterberg aus? Am Ortseingang reihen sich die Autos wie in einer Blechlawine von der Autobahn kommend auf der B 480 vor dem Kreisverkehr ein. Wer über Nebenstrecken an diesem Wochenende mit dem Auto in die Wintersport-Hochburg kommt, hat meist mehr Glück, muss aber mit teils glatten Straßen rechnen und sich dann auch in Winterberg auf die mühsame Parkplatzsuche begeben. Wie etwa die Familie aus Hessen, die für zwei Nächte im benachbarten Willingen übernachtet und sich heute Winterberg anschauen will. Im Stau stand sie aus dieser Richtung bei der Anfahrt nicht. „Aber die Parkplatzsuche war anstrengender als die Anreise.“
Und auch wenn an diesem Wochenende die Staus, so die Einschätzung vor Ort, merklich kleiner sind als am Wochenende zuvor, an dem es in NRW noch Schulferien gab, empfiehlt die Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH am Samstagmittag „für heute von einer Anreise nach Winterberg abzusehen“. Alle Parkplätze seien belegt und die Straßen stark überlastet. Im Regionalexpress 57, der stündlich fährt und sich auch am Mittag wieder Richtung Ruhrgebiet begibt, ist von Überlastung dagegen wenig zu spüren. Auch auf der Rückfahrt gibt es Platz genug.
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