Hagen. Die Krankenhausreform sorgt für Fragen. Die wichtigsten Antworten, die das Sauer- und Siegerland und die Region rund um Hagen betrifft.
Die Zahlenkolonnen sind riesig, es geht um eine Vielzahl von medizinischen Fachbegriffen, um Fallzahlen und Leistungsgruppen. Doch am Ende interessiert die Bürgerinnen und Bürger in Südwestfalen wohl nur eines: Wie weit muss ich fahren, bis ich ein Krankenhaus erreiche, das mir die neue Hüfte einsetzt? Wie weit ist die nächste Klinik entfernt, wenn ich einen Herzinfarkt erlitten habe? Die Antworten auf diese Fragen gibt es seit Dienstag, seit die neue Krankenhausplanung für Nordrhein-Westfalen vorgestellt wurde. Und wenn die Antworten auch im Detail sehr ausführlich sind, so sind doch einige Trends zu erkennen. Die Übersicht:
Gibt es einen Kahlschlag in Südwestfalen?
Nein, das kann man nicht sagen. Eine Reihe von Krankenhäusern darf nicht mehr alle Leistungen anbieten, die sie eigentlich anbieten wollten. Insofern gibt es auch Enttäuschungen vor Ort bei Krankenhausträgern und sicherlich auch Patientinnen und Patienten. Aber es werden keine gesamten Standorte infrage gestellt.
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Bleibt die medizinische Basisversorgung?
Ja, das kann man sagen. Die Sicherung der wohnortnahem Basisversorgung war auch ein erklärtes Ziel der NRW-Krankenhausreform. Hier geht es vor allem um die Leistungsgruppen Allgemeine Innere Medizin, Allgemeine Chirurgie, Geriatrie (Altenmedizin) und Intensivmedizin. Hier sind landesweit fast alle Anträge genehmigt worden - lediglich in der Geriatrie gab es mehr Ablehnungen. Schaut man sich die Innere Medizin einmal an, dann zeigt sich: In den vergangenen Jahren sind schon Krankenhäuser geschlossen worden, insofern hat sich die Versorgungssituation in manchen Kommunen für die Bürger subjektiv verschlechtert. Die Krankenhausreform sorgt jedoch nicht für weitere Standortschließungen. Aber: Ein Grundgedanke der Reform war, dass für 90 Prozent der Bevölkerung in NRW ein Krankenhaus der Grund- und Notfallversorgung innerhalb von 20 Minuten mit dem Auto erreichbar sein muss. Im Sauerland und Siegen-Wittgenstein gehören auf jeden Fall einige Kommunen zu den zehn Prozent, in denen dies nicht erreicht wird.
Wird es reine Krankenhäuser zur Basisversorgung geben?
Ja, schaut man auf das Franziskus-Hospital in Winterberg, dann wird dieses zu einem der wenigen reinen Basisversorgungs-Krankenhäuser: Dort wird es künftig nur noch die Allgemeine Innere Medizin, die Allgemeine Chirurgie, die Geriatrie und eine Intensivstation geben. Das Haus hatte eigentlich mehr gewollt - aber immerhin bleibt der Standort im weitläufigen Sauerland erhalten. Gerade auch vor dem Hintergrund der unfallträchtigen Skisaison.
Beispiel neue Hüfte: Wird es weniger Angebote geben?
Ja. Das Einsetzen einer künstlichen Hüfte ist das Beispiel für eine Spezialdisziplin, die bislang sehr weit verbreitet war - weil sich die Krankenhäuser davon satte Gewinn versprachen. Hier gab es das klare Ziel, diesen oft teuren Wettbewerb zu stoppen. Und tatsächlich: NRW-weit sind 42 Prozent der beantragten Standorte für Hüft-OPs abgelehnt worden. Gleichwohl: In allen Kreisen in Südwestfalen wird es noch Angebote geben - wie auch die Karte zeigt. Im Kreis Siegen-Wittgenstein wird sich das aber nun zum Beispiel auf das St. Marienkrankenhaus Siegen (600 Fälle), das Diakonie-Klinikum in Freudenberg (150) und die Vamed-Klinik in Bad Berleburg (100) beschränken.
Gibt es in Südwestfalen weiter auch seltene medizinische Angebote?
Ja, auch das wird es geben. Der Grundsatz gilt aber: Je spezieller und aufwändiger die Behandlung oder OP ist, desto weitere Wege müssen Patientinnen und Patienten auf sich nehmen. Ein Bauchaortenaneurysma ist kein medizinischer Alltag, aber auch keine sehr seltene Erkrankung: In Südwestfalen findet man immerhin noch Behandlungsmöglichkeiten in Arnsberg, Siegen, Olpe, Lüdenscheid, Hagen und Witten. Benötigt man eine Stammzellentransplantation, dann gibt es in den südwestfälischen Kreisen und Großstädten mit Siegen und Hagen immerhin noch zwei Standorte. Und auch sehr spezielle Angebote wie Cochleaimplantate, die wieder das Hören ermöglichen, sind in Südwestfalen zu finden: In ganz Westfalen-Lippe gibt es dies nur an elf Standorten - dazu gehört aber auch das Josefs-Hospital in Hagen.
Hat Protest vor Ort etwas bewirkt?
Erst einmal spielten die nackten Zahlen bei der Planung die entscheidende Rolle: Wie hoch sind die benötigten Kapazitäten? Welche Fallzahlen kann ein Standort in dieser Disziplin jetzt schon vorweisen? Der Grundgedanke: Nur bei einer schon jetzt hohen Fallzahl gibt es genug Expertise und Routine für eine gute medizinische Qualität. In dem langen Prozess der Krankenhausplanung gab es aber auch Proteste vor Ort - und die haben etwas bewirkt.
Beispiel: Menden im Sauerland. Hier sollte die Stroke Unit, also die spezialisierte Einheit für Schlaganfallpatienten, wegfallen. Olaf Jäger war einer der Bürger in Menden, die sich dagegen gewehrt haben. Sein Bruder hatte vor Jahren einen Schlaganfall erlitten - daher wusste Jäger, der auch im Förderverein des Krankenhauses aktiv ist, wie wichtig Spezialisten vor Ort sind. „Als wir von dem Plan gehört haben, haben wir uns gesagt: Das könnte ihr so nicht machen“, sagt Jäger. Mit anderen sammelte er 19.000 Unterschriften, die man nach Düsseldorf brachte. Die Argumente überzeugten wohl. Die Stroke Unit bleibt erhalten.
Beispiel Bad Berleburg: Hier sollte die Senologie, also die auf Brusterkrankungen spezialisierte Disziplin, entfallen. Den Zahlen nach hätte Bad Berleburg keine Chance gehabt. Bislang 100 Fälle pro Jahr wären das Minimum gewesen, um die Disziplin fortzuführen. Hier waren es nur rund 50 Fälle. Aber der Protest aus der Bevölkerung und eine gemeinsame Erklärung der Bürgermeister und weiterer Politiker hat wohl in Düsseldorf geholfen, dass das Land jetzt eine Ausnahmegenehmigung erteilt hat. Die, so eine Ministeriumssprecherin, sei aber immer nur auf ein Jahr befristet. Klinik-Geschäftsführer Elmar Knoche will jetzt daran arbeiten, dass man auch künftig die Ausnahmegenehmigung bekommt - oder aber mehr als 100 Fälle erreicht werden.
Gab es vor Ort Einigkeit?
Insbesondere dort, wo es mehrere Klinikstandorte gibt (im Zweifel also eher in den größeren Städten und Ballungszentren), hat es teilweise erhebliche Verschiebungen gegeben. Manche Häuser mussten ganze Disziplinen abgeben. Vor Ort ist dies aber höchst unterschiedlich abgelaufen: In Hagen und dem nördlichen Märkischen Kreis zum Beispiel hatten sich zwei große Krankenhausträger schon vor der heißen Phase der NRW-Klinikreform geeinigt: die Katholische Krankenhausgesellschaft und die evangelische Agaplesion-Gesellschaft. Standorte wurde getaucht und teilweise geschlossen, medizinische Disziplinen wurden aufgeteilt. Es kam und kommt - auch mit millionenschwere Landesmitteln - zu Investitionen und Umbauten. Und so läuft jetzt die eigentliche Krankenhausreform recht geräuschlos. Anders in Siegen: Hier konnten sich die großen Anbieter im Vorfeld nicht einigen. Jetzt müssen sie mit dem leben, was das Land entschieden hat - wenn es denn keine Klagen mehr gibt.
Wo gibt es Infos zu meinem Krankenhaus?
Hier lohnt es sich, ein paar Minuten länger zu investieren, um in die Details unter www.mags.nrw/krankenhausplanung zu schauen. Dort finden sich verschiedene Kategorien. So kann man für jedes einzelne Krankenhaus schauen, was dort weiter angeboten wird - oder wo es zum Beispiel weiter ein künstliches Knie gibt.
Anmerkung: In einer früheren Version fehlte in der Grafik zu „Allgemeinen Inneren Medizin“ das St. Josefs-Hospital Lennestadt, das diese Abteilung auch weiter vorhält. Wir haben dies entsprechend korrigiert.
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