Oberhausen. Wochenmärkte haben es schwer: Sie verlieren Händler, so wie Oberhausen-Sterkrade. Da trifft ein Vorurteil hart: Der Markt ist teuer. Stimmt das?
Markttag in Oberhausen-Sterkrade. Herrlichster Sonnenschein. Fast herrscht Urlaubsstimmung. In kleinen Gruppen stehen Sterkrader zusammen und quatschen: „Was macht denn der Tim, hat er nicht jetzt sein Abitur?“ Die Antwort bekommen wir nicht mehr mit.
Uns beschäftigt eine andere Frage. Per Mail und auf Facebook hatten uns Oberhausenerinnen und Oberhausener immer wieder darauf hingewiesen: „Die Wochenmärkte in unserer Stadt laufen immer schlechter, weil sie so teuer geworden sind.“ Stimmt das? Oder ist das nur ein Vorurteil? Wir sehen genau hin und vergleichen mit den Preisen eines Lebensmittel-Discounters.
Händlersterben auf dem Sterkrader Wochenmarkt: Nur noch halb so viele nach der Pandemie
Tobias Stamm, Vorsitzender des Marktgewerbes Oberhausen, ist selbst Markthändler, bietet in Sterkrade Kräuter, Tee, Gewürze und Traditions-Bonbons an. Der 46-Jährige schüttelt nachdenklich den Kopf. „Wir sind hier jetzt noch 69 Händler; vor der Corona-Pandemie waren wir mal doppelt so viele.“ Der Verlust an Händlern ist seiner Meinung nach aber nicht dem Umstand geschuldet, dass viele ihre Preise für Lebensmittel anheben mussten. „Das liegt eher am Personalmangel: Wir finden einfach keine Leute für den Verkauf. Wenn einer mal krank wird oder Urlaub hat, müssen wir Märkte absagen.“ Stamm beobachtet, dass viele Händler keinen Nachfolger mehr finden, wenn sie in den Ruhestand gehen.
Stamms Familie führt den Betrieb bereits in der dritten Generation. Seine beiden Töchter wollen aber das Geschäft nicht übernehmen: „Das ist ihnen alles zu stressig.“ Nach acht Stunden noch lange kein Feierabend, bei Wind und Wetter draußen sein und dann noch schwere Waren schleppen. „Das schreckt ab, selbst Aushilfskräfte finden wir nicht mehr.“ Nicht das Preisniveau sorge also für Kundenschwund und anschließend fürs Händlersterben. Wirklich? Mal schauen.
Nanu, wo kommen die denn wohl her?
Ein paar Beispiele: 500 Gramm deutsche Erdbeeren kosten auf dem Sterkrader Markt an allen Obst- und Gemüseständen drei Euro. Im nahen Discounter gibt’s die roten Beeren in der 500 Gramm-Schale ebenfalls für 2,99 Euro – allerdings ist das Herkunftsland zumindest auf den ersten Blick nicht festzustellen. Auf dem Markt sind auch deutsche Kirschen in der 500 Gramm Schale zu haben – allerdings für vier Euro. Der Discounter trumpft mit 500 Gramm für 2,45 Euro auf. Nur haben diese Früchtchen schon einen weiten Weg hinter sich – sie stammen aus der Türkei.
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Wer eher auf Gemüse steht, kommt in Sterkrade voll auf seine Kosten: Ein knackiger Spitzkohl oder eine unfassbar große Gurke wandern für jeweils einen Euro pro Stück über die Theke. Ein Wirsing kostet 1,50 Euro; für den gleichen Preis sind ein Blumenkohl oder ein Bund Möhren zu haben. Salatköpfe in fast allen Variationen verschwinden für ein Euro pro Kopf in den Einkaufstaschen. Die rote Paprika frisst dafür auch schon mal eine Lücke von einem Euro ins Portemonnaie; das Kilogramm Strauchtomaten sogar von drei Euro.
Und im Discounter? Dort kostet die Gurke aus den Niederlanden nur 0,49 Euro im Angebot – halb so teuer wie auf dem Wochenmarkt. Beim Kopfsalat (aus Deutschland) spuckt der Scanner 0,89 Euro aus. Den Salatmix mit Wurzelballen gibt es für 1,39 Euro (Herkunftsland?). Eisbergsalat (Herkunft?) – der angebliche Lieblingssalat der Deutschen – ist für 0,69 Euro im Angebot. Teurer wird’s da nur beim Kohlkopf für 1,49 Euro. 500 Gramm rote Paprika (Spanien) sind für 1,79 Euro zu haben, ein Kilogramm Rispentomaten aus den Niederlanden für 1,29 Euro.
Lecker Käse frisch auf die Hand: Probieren ist auf dem Sterkrader Markt erwünscht
Mit einem Discounter will sich Käse-Markthändler Serge Liefers („De Kaasboer“) aus den Niederlanden erst gar nicht messen. „Wir sind nicht billig, dafür liefern wir erstklassige Waren aus den Niederlanden, Belgien, Italien und Frankreich.“ Zum Beweis reicht er ein Stück mittelalten Gouda herüber. Hm, lecker. Wer 100 Gramm davon auf seinem Brötchen sehen möchte, muss dafür allerdings auch 1,89 Euro berappen. Das kann der Discounter günstiger: 300 Gramm mittelalter Gouda sind dort schon für 2,99 Euro zu haben, also ein Euro für 100 Gramm.
Dafür kann der Supermarkt mit den Spezialitäten, die der Markthändler sonst noch so aus seinen Regalen zaubert, nicht mithalten. Und auch dies gibt’s wohl nur auf dem Markt: Eine Kundin soll für ihre Käseplatte zwölf Euro bezahlen, hat aber nur noch elf Euro griffbereit. „Lass stecken Mädel“, winkt der Händler ab. „Ich mach’s beim nächsten Mal wieder gut“, versichert die Stammkundin. Man kennt sich.
Munter geplaudert wird aber auch an der Kasse im Discounter. „Was macht die Mama?“ – „Och gut, morgen fährt sie zur Kur!“ – „Ne, wat is dat schön!“ Dann aber auch dies: „Du, da fehlen aber noch 50 Cent!“ – „Hab’ ich nicht mehr.“ – „Dann musste aber wat zurücklegen.“
So lautet unser Fazit des Preisvergleichs zwischen Wochenmarkt und Supermarkt
Fazit: Natürlich ist so ein Preisvergleich nur eine Momentaufnahme. Doch man merkt schon: Supermarkt und Markthändler leben vor allem von ihren Stammkunden. Auf dem Markt stammen die Waren überwiegend aus Deutschland, oft sogar aus der näheren Region, von befreundeten Landwirten. Der Markt kann also mit einem Frischebonus und Klimafreundlichkeit ordentlich trumpfen. Allerdings verfügt der Discounter auch über eine Bio-Abteilung und wirbt dort ebenfalls mit Produkten aus der Region.
Die Preise auf dem Wochenmarkt können mit denen im Discounter häufiger mithalten, als viele denken. Doch bei mehreren Gemüsearten und Obstsorten war der Markt in unserem Preisvergleich tatsächlich teurer als der Discounter. Fündig wird auf dem Wochenmarkt allerdings derjenige, der echte Spezialitäten sucht. Kunden, die jeden Cent umdrehen müssen, kommen dagegen bei den Angeboten im Discounter eindeutig besser weg.
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