Oberhausen. Was tun Arena Oberhausen, Turbinenhalle, Druckluft und Co., um Frauen vor sexuellen Übergriffen zu beschützen? Wir haben nachgefragt.

  • Seit mehrere Frauen der Band Rammstein und ihrem Sänger Till Lindemann sexuelle Übergriffigkeit und Machtmissbrauch vorwerfen, diskutiert die Öffentlichkeit darüber, wie vor allem Frauen Konzerte und Partys als einen „Safe Space“, also geschützten Raum, erleben können.
  • Arena Oberhausen und Turbinenhalle setzen schon länger auf „Luisa“. Eine Aktion, bei der Frauen, die sich belästigt fühlen, unauffällig um Hilfe bitten können.
  • Das Jugend- und Kulturzentrum Druckluft geht noch einen Schritt weiter und hat ein spezielles Awareness-Konzept erarbeitet.

Dass es bei Konzerten und Partys zu sexuell motivierten Übergriffen kommen kann, ist vor allem Frauen oft schmerzlich bewusst. Das kann eine Hand am Po sein, eine anzügliche Geste oder sogar K.O.-Tropfen im Getränk, die Konzertbesucherinnen willenlos machen sollen. Seit Vorwürfe gegen die Band Rammstein laut wurden, wird öffentlich über das Thema Sicherheit bei Konzerten diskutiert. Was können Veranstalterinnen und Veranstalter, Konzerthallen und Gäste tun, um Konzerte und Partys zu einem „Safe Space“ zu machen – vor allem für Frauen?

Zum Hintergrund: Mehrere junge Frauen werfen Rammstein-Sänger Till Lindemann vor, sie bei seinen Konzerten für private Partys und Sex regelrecht rekrutiert und teils unter Drogen gesetzt zu haben. Rammstein weist die Vorwürfe zurück. Bei den Auftritten der Berliner Band in München Anfang Juni gab es als Konsequenz der öffentlichen Diskussion keine Aftershow-Partys, keine sogenannte Row Zero (ein abgetrennter Bereich direkt vor der Bühne) und es wurde ein Awareness-Team eingesetzt (das englische „Awareness“ bedeutet so viel wie „bewusste Wahrnehmung“). Gemeint sind damit Mitarbeitende, die aufpassen und einschreiten, wenn eine Person belästigt wird. Sind Maßnahmen wie diese auch eine Option für Oberhausener Veranstaltungshäuser?

Druckluft in Oberhausen schult Mitarbeitende in Awareness

Ein Ort, an dem bereits speziell in Awareness ausgebildete Menschen im Einsatz sind, ist das Jugend- und Kulturzentrum Druckluft nördlich des Hauptbahnhofs. „Wir haben ein Schutzkonzept erarbeitet“, sagt die pädagogische Leiterin Lisa Katzensteiner. Jede Party und jedes Konzert solle für die Personen auf und vor der Bühne oder an der Theke ein „Safe Space“, also ein geschützter Raum sein. Darum seien Sicherheitsdienst, Ehrenamtliche und Mitarbeitende geschult und sensibilisiert dafür, Gefahrensituationen frühzeitig zu erkennen und Personen, die Hilfe brauchen, zu schützen.

Anlass der Null-Toleranz-Politik war ein Vorfall, den eine Person dem Druckluft-Team gemeldet hat. Details nennt Katzensteiner nicht. Aber ihr war sofort klar: „Das darf nicht noch mal passieren.“ Es sei wichtig, Betroffenen Glauben zu schenken sowie übergriffige Situationen wahr- und ernstzunehmen, betont die Sozialpädagogin.

Im Oberhausener Druckluft sollen alle Gäste sorglos und unbeschwert feiern können, findet das Team – und hat deshalb ein Schutzkonzept entwickelt.
Im Oberhausener Druckluft sollen alle Gäste sorglos und unbeschwert feiern können, findet das Team – und hat deshalb ein Schutzkonzept entwickelt. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Die Verantwortung, hinzuschauen und Belästigung nicht einfach zu ignorieren, sieht auch Oberhausens Gleichstellungsbeauftragte Britta Costecki. Und zwar bei jedem und jeder Einzelnen. „Ein Umfeld erkennt Belästigung“, ist Costecki sicher. Es brauche aber die Stärke, dagegen vorzugehen. Sie verweist auf das präventive Angebot „Luisa ist hier“. Es gibt Frauen und Mädchen die Möglichkeit, unauffällig auf sich aufmerksam zu machen, wenn sie Hilfe brauchen. Die Frage nach „Luisa“ gibt dem Personal den Hinweis, dass die fragende Person Schutz braucht, einen sicheren Rückzugsort oder ein Taxi.

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„Luisa ist hier“ findet in vielen Oberhausener Veranstaltungshäusern Anwendung

In vielen Clubs, Kneipen und Konzerthallen findet die Kampagne bereits Anwendung. Auch in der Oberhausener Turbinenhalle. „,Luisa’ haben wir schon seit Jahren“, sagt Geschäftsführer Michael Neumann. Die Schulung der Angestellten gehöre genauso dazu wie etwa die der Brandschutzhelfer. Einen Handlungsbedarf darüber hinaus sieht Neumann aber nicht. „Bei uns finden keine Aftershow-Partys statt“, erklärt er. Von der Diskussion um die Band Rammstein fühlt er sich daher nicht angesprochen.

Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen.
Britta Costecki, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Ähnlich handhabt es die Rudolf-Weber-Arena beim Centro Oberhausen. Die Initiative „Luisa ist hier!“ setze man dort „bereits seit mehreren Jahren um“, teilt General Manager Mirco Markfort mit und betont: „Das Wohlbefinden aller unserer Gäste liegt uns am Herzen.“

Gleichstellungsbeauftragte: Männer müssen dazulernen

Auch im Druckluft können Gäste nach „Luisa“ fragen. Zusätzlich entwickelt das Team sein Awareness-Konzept stetig weiter. Um die Risiken einer Veranstaltung besser einschätzen zu können, gehe man außerdem auf die Konzert- und Party-Veranstalter zu. „Sie kennen ihr Publikum, wir unseren Laden“, fasst Lisa Katzensteiner es zusammen. Gemeinsam überlege man dann, welche Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll sind. „Manchmal entscheiden wir uns dagegen, präsent aufzutreten. Manchmal tragen wir farbige Westen“, gibt die 32-Jährige ein Beispiel.

Britta Costecki begrüßt den Einsatz des Druckluft-Teams. Frauen und queeren Menschen Schutzzonen zu geben, sei ein wichtiger Schritt. Allerdings: „Damit arbeiten wir am getanen Phänomen, nicht am Ursprung“, erklärt die Gleichstellungsbeauftragte. Das strukturelle Problem, dass Machtmissbrauch oder Catcalling (etwa das Hinterherpfeifen in der Öffentlichkeit) in einem patriarchalen System hingenommen, ignoriert oder sogar als „cool“ aufgefasst werden, bekämpfe man damit nicht. „Wir müssen mehr hinkommen zur aktiven Jungen- und Männerarbeit“, fordert Costecki. Denn: „Männer ahnen manchmal gar nicht, welche Ängste sie bei Frauen auslösen.“