Gelsenkirchen. Seit April ist die Schließung der Gelsenkirchener Primark-Filiale offiziell – die Arbeit habe sich in den Jahren zuvor schon drastisch verändert.

Seit sieben Jahren geht Heike Alexander eigentlich mit Freude ihrem Job in der Gelsenkirchener Primark Filiale nach. Seitdem die Schließung zum Ende des Jahres verkündet wurde, arbeitet sie mit einem bedrückenden Gefühl. Ängste und Sorgen um einen neuen Job plagen die 41-jährige Mutter, da ihre Schwerbehinderung bei der Berufssuche meist abschreckend wirkt.

Treacher-Collins-Syndrom – so heißt der Gendefekt, an dem Heike Alexander leidet. Dabei entwickelt sich das Gesicht des Embryos ab einer bestimmten Woche der Schwangerschaft nicht mehr. „Ich muss deshalb ein knochenverankertes Hörgerät tragen“, erklärt sie. Aufgrund des Syndroms ist ihr Behinderungsgrad auf 100 Prozent gesetzt worden, ihrer Meinung nach unberechtigt, denn körperlich hätte sie keine Nachteile. „Ich will und kann normal arbeiten, wie die anderen auch“, sagt sie. Vor allem in der Berufswelt hätte sie aufgrund der Einstufung negative Erfahrungen gemacht.

Mitarbeiterin von Primark Gelsenkirchen wird oft auf ihr Aussehen reduziert

Angefangen haben die Vorurteile gegenüber ihrer Schwerbehinderung schon bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. „Ich habe ewig gebraucht, bis ich eine Stelle bekommen habe“, sagt sie mit betrübtem Blick. Nur durch den „Internationalen Bund“ (IB) habe sie schließlich einen passenden Platz in einem Baumarkt bekommen. Eine Übernahme danach war dann allerdings plötzlich nicht möglich: „Meine Stelle im Unternehmen wäre dann ja nicht mehr finanziell unterstützt worden vom IB“, erklärt Heike Alexander mit einem ironischen Unterton.

Nach der Ausbildung hielt sie sich deshalb erstmal mit Minijobs über Wasser. Ihrer Meinung nach sei vor allem der Kündigungsschutz ein Grund, weshalb Unternehmen sich nicht an sie binden wollen. „Bei Bewerbungsgesprächen hat meine Behinderung oft eine Rolle gespielt“, berichtet sie. Schon alleine auf das beigefügte Foto würden viele skeptisch reagieren. Sie habe das Gefühl, dass ihre Fähigkeiten auf ihr Aussehen reduziert werden. „Viele habe keine Ahnung von der Art meiner Behinderung und reagieren deshalb ablehnend“.

Die Schließung der Primark Filiale in Gelsenkirchen war ein großer Schock

Positive Erfahrungen im Bewerbungsprozess habe die 41-Jährige bei Primark in Gelsenkirchen gemacht. Ihre Behinderung sei dort nicht mal zur Sprache gekommen, sie war eine Bewerberin wie alle anderen. Sie sei dankbar über die ersehnte Festanstellung gewesen, insbesondere da sie nun ein vierjähriges Kind mit ihrem Mann versorgen musste. „Nach einem Jahr wurde ich sogar zur stellvertretenden Schwerbehindertenvertretung gewählt, so viel Vertrauen brachte mir das Unternehmen entgegen“, erinnert sie sich mit einem Lächeln zurück. Umso größer war der Schock, als Ende April die Schließung der Filiale und damit auch der Verlust ihres Arbeitsplatzes verkündet wurde.

Laut Heike Alexander habe sich die Tätigkeit bei Primark schon in den Jahren zuvor drastisch verändert. Der Arbeitgeber habe immer mehr Personal abgebaut. Die verbliebenen Mitarbeiter sollten dafür „flexibler in ihren Arbeitszeiten werden und plötzlich keine eigenen Verkaufsbereiche mehr betreuen“, so die 41-Jährige. Stattdessen rotierten die Angestellten in den verschiedenen Zonen, in denen sie sich neu zurechtfinden mussten. An ordentliche Kundenberatung sei nicht mehr zu denken gewesen. Die Anzahl der Angestellten sei immer kleiner geworden und der Druck immer größer.

Mit Protesten macht die Mitarbeiterin aus Gelsenkirchen auf die Situation aufmerksam

Umso frustrierender sei es für Heike Alexander, dass die Stellen aus Gelsenkirchen nicht an die anderen Standorte verteilt werden. Denn über den Personalmangel würden sich die Kollegen der anderen Filialen genauso beschweren. Um über diese „ungerechte Situation“ aufzuklären, beteiligte sich Heike Alexander auch an Protesten und sammelte Unterschriften für eine Petition gegen die Schließung. Sie wolle „ein Zeichen setzen, dass so nicht mit uns umgegangen werden kann.“ Dass dieses Zeichen Wirkung zeigen wird, daran glaubt sie weiterhin. Ihre Hoffnung sterbe erst dann, wenn sie alles versucht habe, um ihren Arbeitsplatz zu retten - auch, um nicht wieder lange einen neuen Job suchen zu müssen.