Oberhausen. In NRW liegt Oberhausen bei der Barrierefreiheit von Bus und Bahn weit vorne, berichtet die Stoag. Doch was sagen Fahrgäste mit Behinderung?
Eigentlich sollte der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) seit dem 1. Januar 2022 komplett barrierefrei sein. Das schreibt das Personenbeförderungsgesetz vor. In den meisten Städten ist man davon aber noch weit entfernt. Oberhausen hingegen steht ganz gut da: „Über 93 Prozent der Haltestellen sind barrierefrei ausgebaut, die gesamte Fahrzeugflotte ist bereits seit vielen Jahren barrierefrei“, berichtet Sabine Müller, Sprecherin der Stoag. In NRW sei Oberhausen „mit großem Abstand“ führend und gehöre auch bundesweit zu den Spitzenreitern. Doch wie sehen das Menschen mit Behinderung, die den ÖPNV in Oberhausen nutzen?
Oberhausen hat schon früh mit dem Umbau der Haltestellen angefangen. So früh, dass einige Stationen nun erneut „aufgefrischt“ werden müssen, erklärt Sabine Müller. Die ersten Baumaßnahmen gab es schon vor 28 Jahren – entlang der ÖPNV-Trasse. 8,5 Millionen Euro sind bereits in den barrierefreien Ausbau geflossen.
Was Menschen mit Behinderung in anderen Städten entdecken
Und wer in Oberhausen schon mal Bus gefahren ist, weiß vielleicht: Die nächste Haltestelle wird oft durchgesagt. Das hilft blinden Fahrgästen. Außerdem gibt es an den hinteren Türen keine Mittelstange, die Menschen im Rollstuhl, aber auch Eltern mit Kinderwagen den Einstieg unmöglich macht. Draußen an den Haltestellen befinden sind am Boden in der Regel Leitstreifen, die sehbehinderten Personen anzeigen, wo sich die Türen eines haltenden Busses befinden.
Scheint so, als wäre Oberhausens ÖPNV tatsächlich schon ziemlich weit, was die Barrierefreiheit angeht. „Die Stoag macht viel“, bestätigt Markus Hohn, Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins in Oberhausen. „Aber es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten.“ So hat der 57-Jährige zum Beispiel bei der Vestischen in Bottrop etwas entdeckt, das er sich auch für die Oberhausener Stoag-Flotte wünschen würde: Stopp-Knöpfe, die leuchten. Stark sehbehinderte Menschen, die nicht komplett blind sind, können sie so besser erkennen.
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Auch in Düsseldorf ist er auf eine Idee gekommen. Sehbehinderten Personen ist es oft unmöglich, schnell genug den richtigen Bus zu erreichen, wenn mehrere Fahrzeuge gleichzeitig an einer Station ankommen und hintereinander halten. In der Landeshauptstadt sei das besser gelöst als in Oberhausen, findet Markus Hohn. „Alle Fahrzeuge müssen dort an Position eins noch mal anhalten.“ Menschen mit Behinderung können also einfach dort auf die richtige Linie warten.
Die Stoag ist nicht von allen Vorschlägen überzeugt
Die Stoag tauscht sich regelmäßig mit Vertreterinnen und Vertretern der Behindertenverbände aus und zeigt sich für viele Vorschläge offen, berichtet Markus Hohn. Mit einigen Ideen stößt er jedoch bislang auf Gegenwehr. So argumentiert er zum Beispiel, dass Busse an der Haltestelle die jeweilige Linie und Fahrtrichtung durch Lautsprecher ausgeben. So wüssten blinde Personen direkt, ob das der Bus ist, in den sie einsteigen wollen oder nicht. Technisch sei das möglich, erklärt Hohn, und in anderen Städten bereits Standard. Oberhausen zeige sich jedoch skeptisch, befürchte Beschwerden von Anwohnenden.
Doch die Stoag hat bereits eine Alternative parat. Aktuell rüste man die Haltestellen mit „Text-to-Speech“ aus, berichtet Sprecherin Sabine Müller. An den Info-Säulen sollen seheingeschränkte Fahrgäste dann abrufen können, was das dynamische Fahrgastinformationssystem sehenden Fahrgästen anzeigt. Nämlich welcher Bus tatsächlich als Nächster kommt, nicht welcher laut Plan kommen sollte.
Stoag will noch rund 50 Haltestellen in Oberhausen barrierefrei umbauen
„Es ist noch Luft nach oben“, findet Hohn dennoch. Auch wenn die Stoag gar nicht alle Vorschläge umsetzen kann. Denn einige Hersteller produzieren zum Beispiel Haltewunschknöpfe nur für einen speziellen Fahrzeugtyp. Und manche Haltestellen sind schwierig umzubauen. Dann sei der Gehweg zum Beispiel zu schmal für die sogenannten „Aufmerksamkeitsfelder“. Diese genoppten, 90 mal 90 Zentimeter großen Flächen weisen sehbehinderte Menschen darauf hin, dass ein Hindernis den Weg blockiert oder eine Abzweigung folgt. „Noppen heißt Stoppen“, zitiert Hohn einen Merksatz. Aus Platzgründen sind diese Aufmerksamkeitsfelder an Haltestellen manchmal kleiner als üblich. „Und dann klebt man am Baum.“
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Auf den 93 Prozent ausruhen will sich die Stoag nicht. „Auch die wenigen noch nicht barrierefreien Haltestellen werden – abhängig von der Förderung und der Verfügbarkeit von Bau- und Planungskapazitäten sukzessive umgebaut“, kündigt Müller an. Dafür hat das Verkehrsunternehmen noch einmal rund zwei Million Euro Investitionskosten veranschlagt. Mit dem Geld sollen noch knapp 50 Haltestellen in Oberhausen umgebaut werden.