Gelsenkirchen. Ein Gelsenkirchener Profi-Tuner verklagt nach einer Kontrolle die Polizei. Der Fall ist noch nicht abgehandelt, da gibt es schon neuen Streit.
Eine neue Eskalationsstufe hat der Streit zwischen dem Gelsenkirchener Tuning-Profi Kaan Ön und der Polizei erreicht. Es geht um insgesamt mehrere zehntausend Euro Schadensersatz. Der Kfz-Meister hat Klage gegen die Polizei und damit das Land NRW eingereicht, nachdem sein privater BMW M4 bei einem Raser- und Posereinsatz der Polizei am Dortmunder Wall, beschädigt worden ist. Doch das ist erst der Anfang: Eine weitere Klage ist auf dem Weg. Im Fokus dieses Mal: die Polizei Gelsenkirchen.
Auslöser des neuerlichen Streits ist ein Unfall, der sich am 4. Dezember 2022 im Zusammenhang mit einer Verkehrskontrolle nachts an der Emil-Zimmermann-Allee nahe des Kreisverkehres ereignet hat. Die Polizei hat den Unfall bestätigt. Ön, dieses Mal mit einem geschäftlich genutzten BMW M4 (Listenpreis 120.000 Euro) unterwegs, und ein Einsatzfahrzeug der Polizei sind dabei kollidiert.
Streit mit Gelsenkirchener Polizei: Handy beschlagnahmt wegen Bild- und Tonaufnahmen
Kaan Ön ist eine bekannte Größe in der Autoszene, bei dem Profi-Tuner lassen auch Bundesliga-Spieler ihren Fahrzeugen eine oft PS-starke persönliche Note hinzufügen.
Unfälle, bei dem Autos mit Einsatzfahrzeugen der Polizei kollidieren, kommen im Alltag immer wieder mal vor. Das Besondere an dem Gelsenkirchener Fall ist, dass nach Darstellung der Klägerseite bei der Unfallaufnahme zunächst ein Streit über die Schuldfrage entbrannt sein soll, der in der Beschlagnahme von Öns Handy gemündet sei, als dieser anfing, Bild und Tonaufnahmen des Einsatzes zu machen. Strittig ist: Gab es für die Polizei Sonderrechte (wegen Blaulicht) oder nicht? Vor der Übergabe, so schildert es Kaan Ön, „habe ich das Handy dann zerbrochen“.
Von Öns Seite wird der Vorwurf erhoben, dass der Polizist, der den Einsatzwagen gefahren habe, „bereits seine Schuld an der Kollision eingeräumt hat“, und der Beamte für die Unfallaufnahme diesen Sachverhalt aber verdreht und eine Anzeige gegen den Kfz-Meister wegen Vorfahrtsmissachtung geschrieben habe. Die Gelsenkirchener Polizei teilt dazu mit, dass der „Beschäftigte der Polizei als Unfallverursacher festgestellt“ worden sei. Zumindest der Punkt der Unfallschuld scheint von daher geklärt.
Gelsenkirchener Profi-Tuner beklagt „herabwürdigenden Polizei-Kommentar“
Anderes aber augenscheinlich nicht: Denn zudem soll „ein Polizist einen herabwürdigenden Kommentar „bezüglich des Autos und des sozialen Status“ des Gelsenkirchener Tuners abgegeben und sich unsachlich verhalten haben. Die Sätze „Ist das Ihr Auto? Wie können Sie sich das denn leisten. Sie können doch nicht einfach reinfahren, der Polizeiwagen hatte Sonderrechte“ sollen gefallen sein.
In der Folge habe Kaan Ön die Preisgabe des Namens des Beamten verlangt, als dies von der Gegenseite verweigert worden sei, habe er angekündigt: „Ab jetzt nehme ich alles auf, was Sie sagen und schicke es an die WAZ“. Worauf das Handy mit Hilfe körperlicher Gewalt – Festhalten des Armes – beschlagnahmt worden sei, und ohne dass die Polizei ein Beschlagnahmeprotokoll herausgegeben habe.
Ön wartet „bis heute auf die Herausgabe des Namens des Polizisten zwecks Einreichung einer Dienstbeschwerde sowie auf das Beschlagnahmeprotokoll“. Sie machen rund „40.000 Euro Schaden ohne Nutzungsausfall des Geschäftswagens“ geltend und streben auch wegen des Kommentars und des Einzuges des Mobiltelefons eine weitere Klage an. Mit dem Nutzungsausfall, der Streit währt ja schon seit drei Monaten, könnte der eingeforderte Geldbetrag am Ende deutlich höher ausfallen.
Zum weiteren Geschehen bei der Unfallaufnahme aus polizeilicher Sicht äußert sich die Gelsenkirchener Behörde nicht. „Weil weder das in Rede stehende Straf- noch das schadensregulierende Zivilverfahren abgeschlossen ist, können seitens der Polizei keine weiteren Auskünfte erteilt werden“, lautet die Begründung der Behörde.
Polizei Gelsenkirchen: Bürger hat das Recht, den Namen des Beamten zu erfahren
Zu den umstrittenen Bild- und Tonaufnahmen, der Namensherausgabe von Beamten und zum Verfahren bei Beschlagnahmungen antwortet die Polizei nicht zum „vorliegenden Einzelfall“, sondern im Allgemeinen. Demnach „hat der Bürger ein Recht, den Namen des einschreitenden Beamten zu erfahren“. Mit einem klaren Ja beantwortet die Polizei auch die Frage nach der Pflicht, ein „Sicherstellungs- und Beschlagnahmeprotokoll“ auf Verlangen auszuhändigen.
Nicht so eindeutig ist die Antwort zu den Bild- und Tonaufnahmen: „Derzeit ist strittig, ob und unter welchen Umständen das gesprochene Wort von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten im Einsatz den Tatbestand des nichtöffentlich gesprochenen Wortes erfüllt. Um dem Filmen von Polizeieinsätzen entgegenzuwirken, greifen Polizei und Staatsanwaltschaften seit geraumer Zeit zum Paragrafen 201 des Strafgesetzbuches.“
Dessen Gebrauch, so heißt es in der Erklärung weiter, „soll in der Privatsphäre nicht durch die Sorge, auf einen bestimmten Wortlaut festgelegt zu werden, beeinträchtigt werden. Die Vorschrift dient somit der verfassungsrechtlich garantierten freien Entfaltung der Persönlichkeit durch Gewährleistung der Unbefangenheit der mündlichen Äußerung.“
Heißt: Im Zweifelsfall wird ein Gericht genau diesen Einzelfall prüfen und darüber ein Urteil fällen.
Forderung: rund 10.000 Euro Schadensersatz nach Raser- und Poserkontrolle am Wall
Auf rund 10.000 Euro beläuft sich der Schaden nach Angaben von Ön, der an dem Privat-Sportwagen entstanden ist, nachdem der über 400 PS starke BMW des Gelsenkirchener Tuners am 11./12. November des vergangenen Jahres am Dortmunder Wall bei einem Raser- und Posereinsatz einem Verschränkungstest unterzogen wurde.
Dazu musste der getunte Bolide zur Kontrolle auf Keile hochfahren. Trotz seiner Warnung vor möglichen Schäden, so die Schilderung des 27-Jährigen, habe man ihn „gezwungen“, die Rampen hinaufzufahren. Kaan spricht in dem Zusammenhang von „Nötigung“. Dabei ist unter anderem die Front des tiefergelegten Sportwagens beschädigt worden.
Kaan Ön sieht die Schuld dafür bei der Polizei, die Dortmunder Behörde wiederum vertritt eine komplett andere Auffassung: „Der Fahrer hat allen polizeilichen Maßnahmen zugestimmt und eingewilligt. Während des Tests hat der Fahrer das Auto auf zwei Auffahrkeile gefahren, ohne die Handbremse anzuziehen, und er hat danach das Fahrzeug verlassen. Anschließend ist das Auto hinuntergerollt und beschädigt worden. Nach derzeitigem Kenntnisstand hat der Fahrer des Pkw die Beschädigungen am Fahrzeug selbstständig hervorgerufen.“
Ön und sein Rechtsanwalt fordern den Schadensersatz nach eigenen Angaben nun per Klage ein, weil der Schaden bislang noch nicht reguliert worden sei. Die Antwort der Polizei auf Fragen zum Stand des Verfahrens, zur Schuldfrage und Ähnlichem lautet indes: „Aus dem Einsatz vom 11. November 2022 ist bei uns keine Schadensforderung eingegangen.“