Oberhausen. Wie steht’s um die Emscher ein Jahr nach der Abwasserfreiheit? Das Jahrhundertprojekt der Renaturierung hat für Oberhausen besondere Bedeutung.

Oberhausen hat den längsten Emscherabschnitt; Oberhausen hat das größte Emscherpumpwerk; Oberhausen hat künftig die schönste Emscher-Aue (in Holten) – vor diesem Hintergrund kann es den Menschen in Oberhausen keineswegs egal sein, wie es um die neue Emscher ein Jahr nach dem Erreichen der Abwasserfreiheit steht.

Nach 30 Umbau-Jahren und Gesamtinvestitionen von 5,5 Milliarden Euro hat die Emschergenossenschaft vor einem Jahr den Fluss offiziell vom Abwasser befreit. Herzstück des Umbaus ist ein neues unterirdisches, mehr als 430 Kilometer langes Kanalnetz in der Region. Der zentrale Abwasserkanal Emscher (AKE) läuft quer durchs Ruhrgebiet parallel zum Fluss. Die Abwässer aus dem AKE werden im neuen Pumpwerk Oberhausen an der Kurfürstenstraße ein letztes Mal angehoben, um dann im Klärwerk Emschermündung in Dinslaken final gereinigt zu werden.

Doch ist die Emscher jetzt wirklich sauber? „Die Emscher befindet sich aktuell noch in einer Phase des Übergangs von einer stinkenden Kloake hin zu einem vitalen Fluss“, sagt Uli Paetzel, Vorsitzender der Emschergenossenschaft. Die Ansiedlung von Bachflohkrebsen, Hakenkäfern und Stichlingen seien „kleine, aber wichtige Gütezeichen dafür, dass das Leben zurückkehrt in den einst dreckigsten Fluss Europas“, ergänzt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft. Im Herbst hätten Forscher sogar erstmals Larven von Libellen im Unterlauf der Emscher entdeckt.

Nach Starkregen trübt sich die Emscher deutlich ein

Nach wie vor gibt es aber auch massive Probleme am Fluss, besonders nach stärkerem Regen. Dann trübt sich die Emscher deutlich ein, weil über Jahrzehnte entstandene Ablagerungen aufgewirbelt werden. Diese Sedimente müssen erst noch nach und nach vom Wasser abgetragen werden.

Die Emscher an der Brücke Königstraße in Biefang: Die schnurgerade Uferszenerie soll abwechslungsreicher gestaltet werden.
Die Emscher an der Brücke Königstraße in Biefang: Die schnurgerade Uferszenerie soll abwechslungsreicher gestaltet werden. © FFS | Gerd Wallhorn

Hinzu kommt: Die Nährstoffbelastung der Emscher ist zwar um mehr als 50 Prozent gesunken, doch noch immer ist zu viel Phosphat und Ammonium im Fluss vorhanden. Phosphat begünstigt das starke Wachstum von Wasserpflanzen, die vor allem nachts dem Wasser und damit auch den Lebewesen im Fluss Sauerstoff entziehen. Ammonium entsteht bei der Zersetzung von Exkrementen durch Bakterien und Pilze. Diese Ablagerungen aus der schmutzigen Vergangenheit der Emscher sind ein wichtiger Grund für die nach wie vor immense Belastung des Flusses. Die Ergänzung der drei Emscher-Kläranlagen um eine weitere Reinigungsstufe soll entscheidend helfen, die entsprechenden Konzentrationen zu senken.

Milliardenprojekt

Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft das Jahrhundertprojekt Emscher-Umbau um.Über rund 30 Jahre werden 5,3 Milliarden Euro investiert – zu 80 Prozent von den Mitgliedern der Emschergenossenschaft getragen (Bergbau, Industrie und Städte, darunter Oberhausen). Rund 20 Prozent finanzieren NRW und die EU.

Unterdessen wird die äußere Neugestaltung der Emscher weitergehen: Die einst befestigten, schnurgeraden Ufer bekommen wieder Kurven und abwechslungsreiche Böschungen. Das wird in der Holtener Emscheraue im Nordwesten von Oberhausen auf besonders spektakuläre Weise geschehen. Hier soll die kurvenreiche Emscher wie ein natürlicher Fluss mäandern – ausgestattet mit großen Überflutungszonen, die den Risiken des Klimawandels und dem immer häufiger auftretenden Starkregen Rechnung tragen. Eine eindrucksvolle Zahl: Der Inhalt von knapp zehn Millionen Badewannen – insgesamt 1,6 Millionen Kubikmeter Wasser – kann innerhalb des nach außen verlegten Deiches zurückgehalten werden.

Eisvogel und Gebirgsstelze sollen sich im Holtener Bruch wohlfühlen

Der Eisvogel soll sich künftig auch am Unterlauf der Emscher, etwa im Holtener Bruch, ansiedeln.
Der Eisvogel soll sich künftig auch am Unterlauf der Emscher, etwa im Holtener Bruch, ansiedeln. © dpa | Julian Stratenschulte

Im Oberlauf der Emscher leben bereits wieder Groppen und Stichlinge – und sogar einzelne Forellen seien dort schon gesichtet worden, heißt es. Das soll künftig auch am Unterlauf etwa in Oberhausen der Fall sein. Dann könnte sich der Eisvogel, ein Indikator für eine gute Gewässerstruktur, im Holtener Bruch genauso wohlfühlen wie die Gebirgsstelze und die Blauflügel-Prachtlibelle.