Oberhausen. In Oberhausen wurde der Verein Roma-Integrationszentrum neu gegründet. Bei einer Feier findet die Vize-Vorsitzende klare Worte.
Der Abend im Oberhausener Kulturzentrum K 14 an der Lothringer Straße hinterlässt gemischte Gefühle: Ein neu gewecktes Interesse für eine bislang fremde Kultur, tiefes Mitgefühl für deren erlittenes Leid und die Leichtigkeit von Musik und ansteckendem Tanz entlassen die Gäste der Feier zum Internationalen Tag der Roma – trotz bitterer Note – beschwingt und fröhlich.
Der neu gegründete Verein Roma-Integrationszentrum hatte zu der Feierstunde eingeladen und schaffte es dabei, mit offenen Worten Probleme anzusprechen und gleichzeitig eine Kostprobe der vielfältigen Kultur seiner Volksangehörigen zu präsentieren. Bravo.
„Ich möchte heute keinen Geschichtsunterricht abhalten“, eröffnet Elvira Ajvazi, stellvertretende Vorsitzende des Roma-Integrationszentrums das Programm. Jeder könne selbst nachlesen, wie es um die Roma steht. Auf den Seiten der Bundeszentrale für politische Bildung ist zum Beispiel zu erfahren, dass die Vorfahren der heute in Europa lebenden Roma und Sinti ursprünglich aus Indien beziehungsweise dem heutigen Pakistan stammen. Dass ihre Sprache – Romanes – viele verschiedene Dialekte hat. Dass sie verschiedenen Religionen angehören, Moslems oder Orthodoxe sind, Katholiken oder Protestanten. Auch über die massive Diskriminierung, der Roma und Sinti ausgesetzt waren und sind, über ihre Entrechtung und Ermordung im Nationalsozialismus lässt sich leicht etwas in Erfahrung bringen.
Oberhausener Roma: Erinnerung an Verfolgung in der Nazizeit
„Nicht jeder will etwas darüber wissen“, sagt Elvira Ajvazi. Dies gelte selbst für die eigenen Leute. „Sie assimilieren sich von Generation zu Generation immer weiter.“ Gründe hierfür seien die Diskriminierung und Stigmatisierung, mit der sie konfrontiert würden. „Vielleicht werde ich heute hier einigen auf den Schlips treten“, warnt die 36-Jährige. Sie klingt selbstbewusst dabei. „Das Z-Wort, das möchten wir nicht mehr hören. Wir haben uns nicht selbst so genannt. Wir wollen Roma genannt werden.“ Der Internationale Tag der Roma, der seit 1990 jährlich am 8. April begangen wird, erinnere an Verfolgung und Diskriminierung der ethnischen Minderheit, feiere aber auch ihre Kultur.
Zwischen politischem Statement und tief empfundenem persönlichem Kummer changiert auch das Solo-Programm, mit dem der Multi-Künstler Mustafa Zekirov die kleine Bühne ausfüllt. Mit Fragmenten seines Ein-Mann-Stücks „Der Koffer meines Großvaters Zeko“, Liedern auf Deutsch und Romanes, Gitarrenspiel, Tanz und Rezitationen nimmt er das Publikum mit zu Stationen seines Lebens. „Überall ohne Heimat. Überall nennen sie uns, wie sie wollen“, singt Zekirov. „Ich frage mich: Warum?“ Er ruft es, schreit es heraus: „Gypsy, Gitanes, Çingene, Zigeuner!“ Die abwertend gemeinten Bezeichnungen, die er ertragen muss. Immer wieder frage er sich: „Warum? Warum?“ Einfache Worte, doch der Schauspieler macht sie eindringlich. „Wir selbst nennen uns Roma. Einfach Roma. Und andersherum gelesen: Amor. Liebe.“
Die Leiden der Roma: Enttäuschung, Verzweiflung, Wut
Zekirovs slapstickartige Vorführung, sein Schunkeln, Trippeln, Tanzen und Luft-Harmonika-Spielen lassen schmunzeln. Doch im nächsten Augenblick unterbricht seine anklagende Rede, sein melancholischer Gesang abrupt die sich gerade entfaltende Leichtigkeit und selbst der Roma-Sprache Unkundige empfinden die Enttäuschung, die Verzweiflung und Wut auf die Ungerechtigkeiten, die Zekirov ebenso wie schon sein Großvater Zeko erdulden musste.
„Da kommen eigene Erinnerungen hoch“, sagt Elvira Ajvazi nach der Aufführung. Die vierfache Mutter entspringt einer serbisch-mazedonischen Ehe, wurde in Kroatien geboren und hat einen türkischen Ehemann. In Bochum ist sie beteiligt am Aufbau einer landesweiten Meldestelle für Antiziganismus, wie der Rassismus gegen Sinti und Roma genannt wird. Mit Identitätssuche kennt Elvira Ajvazi sich aus. Deshalb der Verein, sagt sie. Deshalb das Fest zu diesem Gedenktag. „Wir brauchen noch viel Aufklärung, nach innen und nach außen.“
- Sie wollen keine Nachrichten aus Oberhausen verpassen? Dann bestellen Sie unseren kostenlosen abendlichen Newsletter: Hier geht’s zur Newsletter-Anmeldung
- Sie möchten mehr Nachrichten und Geschichten aus Oberhausen lesen? Hier geht’s zur WAZ-Stadtseite Oberhausen
- Sie interessieren sich für Familien-Nachrichten aus dem Ruhrgebiet? Dann melden Sie sich für unseren kostenlosen Newsletter an: Hier geht’s zur Anmeldung
- Die WAZ Oberhausen finden Sie auch auf Facebook: Hier geht’s zur Facebookseite