Oberhausen. Judy Rafat serviert im Gdanska eine famose Mischung ihres Repertoires. Fast 100 Fans genießen ein Konzert abseits von Karneval und Kamelle.

Große Augen, großes Staunen! Denn selbst in besten vorpandemischen Zeiten war das Jazzkarussell selten derart gut besucht wie beim Auftritt der kanadischen Sängerin Judy Rafat. Selbst Stehplätze wurden kurz nach acht im rappelvollen Konzertsaal des Gdanska verblüffend knapp. Ob’s daran lag, dass man das famose polnische Kulturinstitut als sicheren Hafen gegen närrisches Altweibertreiben betrachtete? Oder war es der Nimbus der seit langem schon in Duisburg lebenden Jazz-Vokalistin, der die Zuhörerzahl fast dreistellig werden ließ?

Nun, die kunterbunte Spielzeugkasse von Eva Kurowski konnte ihr Glück kaum fassen. Während ihre Besitzerin happy war, auch ohne Tontechniker einen ordentlichen Sound für Judy Rafat und deren Band hingedreht zu haben. Freilich weiß Kuros singende Tochter aber auch genau, wie eine Stimme mit Verstärkung zu klingen hat. Dazu ein Mikrofon an den Flügel, um dessen Präsenz anzuheben – Bass und Schlagzeug kommen gut allein klar, wie der vergnügliche Jazzabend im Gdanska mal wieder bewies.

Eine Reise durch das Great American Songbook

Zwar war die 66-jährige Sängerin sichtlich von einem Hexenschuss geplagt, doch swingte sie alles andere als hüftsteif mit altersreifer Intonation durch feine Perlen des Great American Songbooks. Wobei gleich ihr Opener „What A Difference A Day Made“ mit schönem Latin-Groove zeigte, warum Judy Rafat als eine der besten Standard-Interpretinnen ihrer Generation gilt.

Stark, wie Thomas Hufschmidt am Flügel mit offenen Ohren und sanft gesetzten Harmonien ihre Stimme zu immer neuen Höhenflügen trug. Unaufgeregt geerdet von Walfried Böcker, der am Bass das heitere Geschehen stimmig grundierte. Dazu servierte Markus Rieck am Schlagzeug mit schönem Gespür für dynamische Nuancen delikate Rhythmen, die mal tänzerisch daherkamen, mal packenden Drive zeigten.

In die abwechslungsreiche Mischung mehr und weniger bekannter Songs wob die charmante Entertainerin nette Plaudereien. Etwa über ihren Mentor Dizzy Gillespie, dem sie mit Charlie Parkers Klassiker „Confirmation“ boppig huldigte. Ein schöner Kontrast zur Bossa-seligen Ballade „Brother K“, mit der Judy Rafat an die Verdienste von Dr. Martin Luther King erinnerte. Während im zweiten Set ihre Verbeugung vor „Reverend G“, dem legendären Pastor der berühmten New Yorker Jazz-Kirche St. Peter, als astreiner Gospel erklang.

Viele Farben im bunten Repertoire von Judy Rafat

Dass der fabelhafte Vierer sein Publikum mit „Every Day I Get The Blues“ in die Pause schickte, zeigte weitere Farben im bunten Repertoire von Judy Rafat. Die amüsanterweise danach verkündete: „No More Blues“, was die Kenner im Gdanska-Saal natürlich sofort als die englische Version von „Chega de Saudade“ des Bossa-Nova-Erfinders Antonio Carlos Jobim identifizierten. Die wunderbare Ballade „My Funny Valentine“ kam zwei Tage zu spät, doch wie heißt es dort so treffend „each day is Valentine’s day“.

Es war an diesem Abend halt „Just One Of Those Things“, mit denen sich Judy Rafat und ihre Band in die Ohren ihrer begeisterten Zuhörer schmeichelten. Die können sich nun auf das nächste Jazzkarussell am 16. März im Gdanska freuen. Dann serviert das hochattraktive Trio „Accordion Affairs“, wie das Fono Forum jubelte, „delikate Klanggespinste von Carlos Gardel über Carla Bley bis J. S. Bach, an deren subtiler Eleganz man sich kaum satthören kann“. Großes Staunen ist sicher, hoffentlich auch über einen vollen Saal.