Oberhausen. Oberhausens Theater-Intendantin Kathrin Mädler demontiert das Märchen einer unpolitischen Filmemacherin in „Die Wahrheit über Leni Riefenstahl“.
Während zwölf Lebensjahren agierte sie als Propagandistin eines verbrecherischen Terrorregimes. Ein weiteres halbes Jahrhundert verbrachte Leni Riefenstahl damit, die eigenen Verstrickungen zu „unpolitischer“ Kunst zurecht zu lügen. John von Düffel, überragend als vielschreibender Dramaturg, Essayist, Romancier und Dramatiker, verdichtete die Lebenslüge zu rund zweieinhalb Schauspielstunden unter dem fast schon alles erklärenden Titel „Die Wahrheit über Leni Riefenstahl (inszeniert von ihr selbst)“. Für das Theater Oberhausen übernimmt Kathrin Mädler die Regie der Uraufführung – übrigens schon der achten in dieser prallen Einstands-Saison der Intendantin.
Der gute Draht zum beängstigend produktiven John von Düffel gründet noch in Mädlers Intendanz am schwäbischen Landestheater. Für das reisende Schauspiel in Memmingen schrieb der Dramaturg des Deutschen Theaters in Berlin „Nebel im August“ über jene Krankenmorde, die das NS-Regime unter dem zynischen „Euthanasie“-Etikett auch in Irsee im schwäbischen Allgäu verübte. „Ein sehr dokumentarischer Abend“, sagt Kathrin Mädler.
Bei der fast lebenslang mit dem „Nazi-Chic“ kokettierenden, wenn ihn nicht sogar mitprägenden Leni Riefenstahl lässt sich noch ganz anders zulangen: Schließlich hatte in ihrem letzten Lebensjahr die Dokumentarfilmerin und Autorin Nina Gladitz (1946 bis 2021) mit dem Buch „Leni Riefenstahl – Karriere einer Täterin“ das dümmliche Märchen von der unpolitischen Propagandistin gründlich zerpflückt. Sie lieferte die Basis für von Düffels weitere Recherchen, der für die Bühne „ein Kaleidoskop von Begegnungen“ (Oberhausens Chefdramaturgin Saskia Zinsser-Krys) ersann.
Blind für die ungebrochene NS-Monumentalästhetik
So erlebt das Premierenpublikum am Samstag, 4. Februar, im Großen Haus neben drei Riefenstahls in drei Lebensaltern (Anke Fonferek, Ronja Oppelt und Maria Lehberg) auch einen doppelten Hitler (Torsten Bauer und Philipp Quest) nebst Goebbels (Jens Schnarre) als Einzigem, der auch die Schwächen des Riefenstahl’schen Protzes erkannte.
In den Nachkriegs-Jahrzehnten, als die Filmemacherin sich (scheinbar) neu erfand, gab’s an ihrer Seite die seltsamsten Verbündeten: So waren meinungsbildende linksliberale Magazine blind für die selbst in ihren Bildern der sudanesischen Nuba-Nomaden ungebrochene NS-Monumentalästhetik. Der „Stern“ feierte Ende der 1960er diese „Bilder, die noch keiner sah“ ebenso unkritisch wie „Paris Match“ oder in den USA „Time“ und „Life“. Kathrin Mädler zitiert befremdet aus Alice Schwarzers in der „Emma“ lang und breit ausholender Verteidigungsschrift, der NS-Reichsparteitagsfilm „Triumph des Willens“ sei keineswegs „ideologisch“.
„Auch wir gehen ihr scheinbar auf den Leim“, sagt die Regisseurin über die Oberhausener „Riefenstahl-Show“, bestückt mit den „zombiehaften Wiedergängern“ des sogenannten tausendjährigen Reiches. „Ihre Memoiren aus den 1980er Jahren haben leider ein gewisses Amüsement“, meint Kathrin Mädler. „Das wird für viele eine Reibung geben.“ Doch John von Düffels schaurige Revue soll das Publikum auch konfrontieren mit „unserer Unfähigkeit, in Abgründe zu schauen“.
Auf Fotos oder Filmausschnitte des Riefenstahl’schen Oeuvres verzichtet die Uraufführung – nicht jedoch auf einen speziellen Coup: Denn Cico Beck, der eigentlich für seinen „Electronic Anti-Pop“ bekannte Komponist aus Oberbayern, zitiert genüsslich die Filmmusiken von „Das blaue Licht“ (1932) bis zu „Impressionen unter Wasser“ (2002). Man könnte den Klang-Kitsch lachhaft nennen, hätte die Filmemacherin hinter diesem Geblubber nicht auf die Anklagebank der Nürnberger Prozesse gehört.
Dem Premierenabend am Freitag folgt im Februar nur eine weitere Vorstellung am Samstag, 4. Februar. Karten gibt’s unter 0208 8578 184, per Mail an service@theater-oberhausen.de