Gelsenkirchen. 37,5 Millionen Euro investieren Bund und Land in die Erweiterung und Vertiefung des Rhein-Herne-Kanals in Gelsenkirchen. Wer davon profitiert.
Kohle machen mit Kohle: Das war ein zentrales Anliegen der Väter des Rhein-Herne-Kanals: Als Ende 1914 das Teilstück auf heute Gelsenkirchener Gebiet in Betrieb ging, diente die Wasserstraße vorwiegend dem Transport des schwarzen Goldes. Das türmt sich zwar auch heute noch auf den Ladeflächen der Güterschiffe. Deren Ausmaße aber haben längst völlig andere Dimensionen erreicht – denen sich auch der Kanal anpassen muss. So wird Los 3, wie die Strecke zwischen Schalke-Nord bis etwa zum Hafen Grimberg heißt, in einem fünfjährigen Marathon für 37,5 Millionen Euro umgebaut.
Viele Jahre schon dauern die Planungen für das Mammutprojekt des Bundes, an dessen Kosten sich das Land NRW zu einem Drittel beteiligt. Nun ist es mit der Auslegung der Planunterlagen in eine etwas greifbarere Phase getreten.
Damit wird für eine breitere Öffentlichkeit klar: Die Binnenschifffahrt auf Gelsenkirchener Gebiet hat eine Zukunft, auch wenn die Fahrzeuge immer größer, schwerer und tiefer werden – eine gute Nachricht für die lokale Wirtschaft, die mit Unternehmen wie BP, Müller’s Mühle oder Zinq den umschlagstärksten öffentlichen Hafen am Rhein-Herne-Kanal rege nutzt. Gelsenkirchen gilt als einer der wichtigsten Mineralöl- und Getreideumschlagplätze am Kanal, per Schiff und Bahn werden auch große Mengen Schrott, Stahl und chemische Produkte umgeschlagen.
Künftig können größere und tiefere Schiffe das Gelsenkirchener Kanalstück befahren
Hauptziel der Maßnahme ist eine Querschnittserweiterung und Vertiefung des Kanals auf eine Fahrwassertiefe von vier Metern. „Mit dem Ausbau wird die Befahrbarkeit für Großmotorgüterschiffe und Schubverbände mit zwei hintereinander gekoppelten Leichtern im Begegnungsverkehr sowie für übergroße Großmotorgüterschiffe ermöglicht“, so Philipp Radtke vom Wasserstraßen-Neubauamt Datteln, das für das Projekt verantwortlich zeichnet.
Konkret heißt das: Künftig können moderne Frachtschiffe und Schubverbände mit einer Gesamtlänge von rund 185 Metern, einer Breite von bis zu 11,45 Metern und einem Ladevolumen von bis zu 4000 Tonnen ihre Ladungskapazitäten voll ausnutzen, wenn sie das rund vier Kilometer lange Gelsenkirchener Teilstück des Rhein-Herne-Kanals befahren. Anliegen ist es dabei, „Sicherheit und Leichtigkeit in der Verkehrsführung“ für Schiffe mit einer Abladetiefe bis zu 2,80 Metern zu schaffen.
Baubeginn des Gelsenkirchener Mega-Projekts soll 2028 sein
Auch der Unterhaltungsaufwand am (noch) zu kleinen Kanalquerschnitt wird sinken. Bislang erzeugen die großen Motorgüterschiffe so große Rückstromgeschwindigkeiten, dass Böschungen und Sohlsicherungen den Belastungen nicht standhalten und immer wieder ausgebessert werden müssen.
Insgesamt rund fünf Jahre veranschlagen die Experten für den aufwendigen Ausbau. Starten soll er nach der Internationalen Gartenschau (2027) im Jahr 2028. Zu den Einzelmaßnahmen, deren genaue Abfolge noch festgelegt wird, gehören die Hebung des westlichen Überbaus der alten Zechenbahnbrücke Bismarck-Buer samt Anpassung der Gleisrampen, der Abbruch des östlichen Überbaus dieser Brücke, die Hebung der Münsterstraßenbrücke und der Bau einer Übernachtungs- und Liegestelle für die Schifffahrt.
Ohne Verkehrsbeeinträchtigungen auf der Straße und dem Kanal wird es nicht gehen
Letztere soll 381 Meter lang werden und genügend Platz bieten für drei Großmotorgüterschiffe oder ein Großmotorschiff und einen Schubverband. Als Standort hat man sich für den stillgelegten Hafen Hugo am Nordufer entschieden, „der einen guten Anschluss an öffentliche Verkehrswege bietet“, so Radtke. Weil die Spundwandlänge des Hafens zu kurz ist, muss die Wasserfläche an beiden Enden erweitert werden, zudem ist eine Zurückverlegung des Ufers um zusätzliche 15 Meter nötig.
Dass die Bauarbeiten zu Beeinträchtigungen des Straßenverkehrs führen werden, ist schon jetzt klar. So wird die Münsterstraßen-Brücke sowie deren Straßenanbindung für die Hebung des Bauwerks gesperrt werden müssen. „Da der An- und Abtransport von Erdmaterial auch über die Straße erfolgen wird, muss mit einem erhöhten Aufkommen durch Lkw-Verkehr gerechnet werden“, kündigt Radtke darüber hinaus an. Auch die als Wander- oder Radwege genutzten Betriebswege der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes werden vorübergehend nicht nutzbar sein.
Gelsenkirchen hat Spitzenplatz bei Güterbeförderung im westdeutschen Kanalgebiet
Mit Beeinträchtigungen muss nicht zuletzt der Schiffsverkehr selbst rechnen, wenn Teilbereiche des Kanals „kurzzeitig“ gesperrt werden. Aber wenn alles wie geplant läuft und keine Bauverzögerungen auftreten, werden die Eigner das Gelsenkirchener „Los 3“ ab 2033 deutlich rentabler nutzen können.
Und die Emscherstadt selbst hat dann beste Chancen, ihren jetzigen Spitzenplatz bei Güterbeförderung und -umschlag im westdeutschen Kanalgebiet auszubauen. Von Januar bis Mai 2022 wurden hier Güter mit einem Gesamtgewicht von 2,25 Millionen Tonnen transportiert – ein Plus von 12,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. In Dortmund waren es nur 541.000 Tonnen, in Deutschlands größtem Binnenhafen Duisburg, der zum Rheingebiet zählt, allerdings 18,3 Millionen Tonnen.
Laut einer Prognose im Bundesverkehrswegeplan 2030 ist da durchaus noch Luft nach oben: Demnach wächst die Transportleistung im „volkswirtschaftlich und ökologisch unentbehrlichen“ Binnenschifffahrtssektor im Vergleich zu 2010 bis 2030 um 38 Prozent.