Gelsenkirchen-Beckhausen. Dicke Kleidung hilft Heim-Bewohnern nicht über eisigen Winter: Geflüchtete aus Ukraine sammelt Spenden für Strom-Generator. Pfarrei unterstützt.

Tee, Gebäck und ein Blick ins Grüne: Gemütlich haben es Viktoria und Igor Dziuba hier mit ihren drei Kindern. Dennoch: Normal ist für die ukrainische Familie nichts mehr seit ihrer Flucht vor dem Angriffskrieg Putins. In Gedanken sind sie in ihrer Heimat: Besonders bei jenen körperlich und seelisch bedürftigen Menschen, die sie in einem christlichen Wohn- und Rehabilitationsheim in Izayslav betreut haben – und die seit Wochen ohne Heizung auskommen müssen. Ihnen aus der Ferne zu helfen, ist das große Ziel der Dziubas.

Nachdem die Infrastruktur überall im Land massiv bombardiert wurde, ist die Energie-Versorgung ausgefallen. Und damit auch die per Strom betriebene Heizung in der Einrichtung. „Die derzeitigen recht milden Temperaturen sind eine absolute Ausnahme. Ukrainische Winter sind hart, wir haben mitunter zweistellige Minusgrade“, berichtet Viktoria Dziuba, studierte Tourismus-Managerin, in flüssigem Englisch. Aktuell versuchten die Bewohner des Zentrums, sich mit mehreren Schichten warmer Kleidung vor der Kälte zu schützen, „aber bald wird das nicht mehr ausreichen. Januar und Februar sind die kältesten Monate bei uns.“

Pastoren-Paar fühlt sich auch in Gelsenkirchen verantwortlich für Schützlinge in Ukraine

Anfang März 2022, kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, engagierte sich Ralf Berghane (r.), Verwaltungsleiter der Pfarrei St. Hippolytus, in der Ukraine-Hilfe: Er sammelte Geld und Spendengüter für die Gelsenkirchener Pfingstgemeinde von Pastor Alfred Apteker (l.), der Flüchtlinge wie Olena Molodchenko vorübergehend bei sich aufnahm. Pfarrer Wolfang Pingel (2.v.l.) unterstützte die Aktion.
Anfang März 2022, kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, engagierte sich Ralf Berghane (r.), Verwaltungsleiter der Pfarrei St. Hippolytus, in der Ukraine-Hilfe: Er sammelte Geld und Spendengüter für die Gelsenkirchener Pfingstgemeinde von Pastor Alfred Apteker (l.), der Flüchtlinge wie Olena Molodchenko vorübergehend bei sich aufnahm. Pfarrer Wolfang Pingel (2.v.l.) unterstützte die Aktion. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Wie es den rund 30 Männern im Heim „Svoboda Hofesh Foundation“ in Izayslav im Westen der Ukraine geht, weiß die 41-Jährige aus erster Hand: Von ihrem Mann, der sich als (Teilzeit-)Pastor und Leiter des Hauses nach wie vor verantwortlich fühlt für seine Schützlinge: Obdachlose, Suchtkranke, Alleinstehende mit Behinderungen, eben Menschen in schwierigen Situationen. Sie sollen mit einer Tagesstruktur aus Beschäftigung, Gesprächen und spiritueller Begleitung zurückgeholt werden ins Leben.

Alle paar Wochen bringt Igor Dzibua (43) von Beckhausen aus gespendete Lebensmittel, Kleidung und Medikamente per Privat-Pkw dorthin. Als dreifacher Vater wurde er nicht zum Militär eingezogen, er kann das Land auch wieder verlassen. Wie gefährlich der Weg für ihn ist, darüber denkt die Mutter von zwei Mädchen (15, 10) und eines siebenjährigen Jungen nicht mehr nach. „Ich bete sehr viel zu Gott, dass ihm nichts passieren möge. Das macht mich ruhig. Er liegt in Gottes Hand, der uns schon so oft geholfen hat.“

Gelsenkirchener Pfarrei St. Hippolytus unterstützt Spendenaufruf

Dass das Zentrum in Izayslav völlig von Spenden abhängig ist, ist nicht neu. „Staatliche Unterstützung für soziale Einrichtungen ist in der Ukraine eher unüblich“, hat Berghane recherchiert. „Aber in der jetzigen Kriegssituation versiegen fast alle Spenden, weil die Leute selbst sehen müssen, wie sie über die Runden kommen.“

In der Pfarrei St. Hippolytus rührt Berghane, wie berichtet, schon seit März 2022 die Werbetrommel für ukrainische Flüchtlinge. „Die Menschen haben seither auch sehr viel gespendet. Aber aktuell ist unser Spendenkonto leer. Den Kauf eines Strom-Generators können wir derzeit nicht finanzieren“, sagt er – und setzt auf die Hilfe von Bürgerinnen und Bürgern auch außerhalb der Pfarrei. „Schließlich können wir nicht warten, bis sich das Konto wieder langsam gefüllt hat. Die Menschen frieren jetzt und brauchen schnell unsere Hilfe.“ [Lesen Sie auch: Ukraine-Hilfe: „Putin versaut mir die Rente, ich seinen Krieg“]

Mit Spenden aus Gelsenkirchen soll Generator zur Stromproduktion angeschafft werden

Alleinstehende Männer in schwierigen Situationen leben in dem Wohn- und Rehabilitationsheim im ukrainischen Izayslav. Sie müssen derzeit ohne Heizung zurechtkommen, nachdem bei Bombardierungen die Energieversorgung zerstört wurde.
Alleinstehende Männer in schwierigen Situationen leben in dem Wohn- und Rehabilitationsheim im ukrainischen Izayslav. Sie müssen derzeit ohne Heizung zurechtkommen, nachdem bei Bombardierungen die Energieversorgung zerstört wurde. © Unbekannt | Dziuba

Mindestens 3000 Euro kostet ein Drei-Phasen-Generator mit etwas stärkerer Leistung (ab 7,5 Kilowattstunde), „auch wenn wir noch nicht genau wissen, woher wir ein solches Gerät sofort beziehen könnten, denn der Markt ist leer gefegt. Ideal wäre ein mit Benzin betriebener Generator, weil Diesel vom Militär benötigt wird und entsprechend teuer ist.“

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Vielleicht, so hofft Viktoria Dziuba, kommt sogar irgendwann so viel Geld zusammen, dass es für den Kauf eines zweiten Geräts reicht. Plant die baptistische Gemeinde doch die Eröffnung einer zweiten sozialen Einrichtung für Frauen, die sie dann leiten soll. „Das Haus ist fertig umgebaut. Wir standen kurz vor dem Start, als der russische Angriff begann.“ So sehr der Krieg auch jetzt ihr Denken, Fühlen und Handeln bestimmt: Irgendwann wird er vorbei sein, sagt sie sich. Und darauf will sie vorbereitet sein, um obdachlosen und suchtkranken Frauen eine neue Heimat geben zu können.

Spendenkonto: Kath. Kirchengemeinde St. Hippolytus, IBAN: DE53 3606 0295 0016 2100 13 (Zweck: Ukrainehilfe).