Oberhausen. Ein politischer Rundgang zur Zukunft des Marienviertels: Knapp 20 Oberhausener sind dabei. Junge Menschen finden sich leider kaum darunter.
Eigentlich könnte das Marienviertel die gute Stube von Alt-Oberhausen sein: Schöne Gründerzeithäuser mit historischen Erkerfassaden gibt es hier und großzügig geschnittene Wohnungen mit mehr als 100 Quadratmetern Fläche; dazu die beeindruckend breiten Alleen mit Mittelstreifen wie Lipperheidstraße und Bismarckstraße. Doch oft sieht es hier gar nicht so gut aus: Viele Fassaden brauchen dringend einen Anstrich; nicht weggestellte Mülltonnen versperren Fußgängern häufig den Weg; es mangelt an Verkehrssicherheit für Kinder und an Fahrkomfort für Radler.
All das erleben die Teilnehmer des jüngsten Rundgangs durch das Viertel ganz direkt. SPD-Ratsmitglied Maximilian Janetzki hat dazu eingeladen. Knapp 20 Bürgerinnen und Bürger sind präsent, begleitet von Martin Florack, promovierter Politikwissenschaftler und Leiter des Bereichs „Integrierte Stadtentwicklung und Statistik“ bei der Stadt Oberhausen.
Was genau ist das Marienviertel? Eine wirklich komplexe Frage
Das Marienviertel ist in seiner Vielfalt ein Oberhausener Phänomen. Sehr bürgerliche Leute mit eher gutem Einkommen leben hier, aber auch Familien oder Alleinerziehende, denen es finanziell nicht so gut geht. Das Marienviertel muss zudem bei jedem Ortstermin immer wieder von Neuem definiert werden: Der Teil westlich der Mülheimer Straße, die wie eine vierspurige Schranke wirkt, ist mit Stadttheater und Ebertbad ja zugleich das kulturelle Zentrum von Alt-Oberhausen, gern auch Theaterviertel genannt; der Teil östlich der Mülheimer Straße wird auch oft als Bismarckviertel bezeichnet, grenzt im Norden direkt ans Brücktorviertel und im Süden an das Schladviertel. Im Osten liegt das Knappenviertel. Die Übergänge sind fließend. Nur Experten der lokalen Geographie blicken hier ansatzweise durch.
Diese Komplexität ist immer wieder auch Thema beim jüngsten Rundgang. Und ganz schnell nehmen die Bürgerinnen und Bürger im Gespräch mit Martin Florack die Top-Alltagsthemen des Viertels ins Visier: Die kommenden Garagen-Boxen für Fahrräder, die hier sehr umstritten sind. Und die Parkplatzsituation im Viertel, in dem die Mittelstreifen der Alleen oft zu Parkplätzen umfunktioniert sind, was im Alltag für die Autofahrer hilfreich, aber in dieser Form wohl längst nicht mehr zeitgemäß ist.
Florack: Bei Debatten zur Quartiersentwicklung Jüngere mit einbeziehen
Beim Rundgang werden diese Themen gestreift; eine echte Vision, wie das Viertel künftig aussehen könnte, bildet sich dabei nicht heraus. Martin Florack schlüpft vielmehr in die Rolle des Politikerklärers. Der Politikwissenschaftler wirbt dafür, bei künftigen Bürgerbeteiligungen zur Zukunft des Marienviertels möglichst viele Menschen mit einzubeziehen: Kinder, Schülerinnen und Schüler jeden Alters, junge Eltern, Alleinerziehende – all jene Menschen also, die üblicherweise nur selten an Bürgerversammlungen und ähnlichen Formaten teilnehmen.
Der Rundgang durch das Viertel entpuppt sich als warnendes Beispiel, dass solche neuen Mitmach-Formate in der lokalen Politik schnellstmöglich entwickelt werden müssen, denn: Auch hier dominierten wieder vor allem Männer um die 60 Jahre oder älter die Debatten-Szenerie. Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene? Weitestgehend Fehlanzeige. Auf einer solchen Beteiligungsbasis ist Quartiersentwicklung wenig zukunftsträchtig, weil sich die bekannten Diskussionen und Grabenkämpfe, etwa wenn es um den Erhalt von Parkplätzen im Quartier geht, stets nur wiederholen.
Dabei war das Marienviertel einst doch mal zukunftsweisend: Die Straßenbahn fuhr in dem seinerzeit so schmucken Wohnquartier schon im Jahr 1898 und verband die Innenstadt mit der Industrie an der Essener Straße.