Mülheim. Gastrobetriebe müssen beim Außer-Haus-Verkauf dem Kunden jetzt auch Mehrwegbecher/-boxen anbieten. Was ein Rundgang in der Mülheimer City ergab.
Im Unverpacktladen am Löhberg war es gängige Praxis. Wer einen Coffee-to-go haben wollte, bekam ihn in einem wiederverwendbaren und zurückgebbaren Becher. Jetzt soll es bei Speisen und Getränken zum Mitnehmen überall so werden. Seit 1. Januar 2023 gibt es neue Vorgaben im Verpackungsgesetz. Restaurants, Lieferbetriebe, Kantinen, Bistros und teilweise auch der Handel müssen den Kunden neben bisherigen Einweg- auch Mehrwegbehälter anbieten.
Diese Neuregelung soll die riesigen Berge an Einwegmüll kleiner werden lassen. Denn: Laut Bundesumweltministerium entstehen in Deutschland pro Tag 770 Tonnen Abfall an Einweg-Verpackungen, stündlich werden 320.000 Einwegbecher verbraucht. Und der Plastikmüll stellt ein großes Problem für die Umwelt dar. Verbraucherinnen und Verbraucher haben nun die Chance, selbst zu entscheiden und etwas für die Umwelt zu tun.
Ganz kleine Betriebe müssen nur mitgebrachte Boxen befüllen
Stichproben unserer Zeitung in der Mülheimer Innenstadt ergeben, dass hier noch recht wenige Betriebe vorbereitet sind auf die Mehrweg-Lösung. Im ersten Imbiss-Restaurant hat man von der Neuregelung noch gar nichts gehört. Ein anderer Inhaber (eines Asia-Imbisses) erklärt, dass er erst noch das vorhandene Verpackungsmaterial aufbrauchen will und dann gezielt nach geeigneten Mehrweg-Behältern suchen wird. Beim großen Pizza-Lieferanten „Domino“ hält man ebenfalls keine Mehrwegverpackungen vor. Ob man das bei Pizzakartons aus Pappe überhaupt muss? Ist das nicht Papiermüll? „Es kommt auf den Zustand des Kartons an“, liest man im Verbraucherportal im Internet.
Kleine Mülheimer Imbissbetriebe sind von der Regel ausgenommen
Im Asia-Restaurant „Moi Moi“ hat man schon gute Erfahrungen mit selbstmitgebrachten Boxen gemacht. „Wir haben einige Stammkunden, die ihre Behälter mitbringen und befüllen lassen“, sagt Nguyen Thanh. Dort muss man sich wegen der geringen Größe des Gastraums vermutlich nicht an die Mehrwegpflicht halten. Denn: Wie so oft gibt es auch eine Ausnahme von der Regel. Betriebe, die weniger als 80 Quadratmeter groß sind und weniger als fünf Mitarbeiter haben, müssen keine Mehrweg-Behälter anbieten. Sie sind wie alle anderen aber verpflichtet, die von Kunden mitgebrachten Becher oder Boxen zu befüllen.
„Dass man die kleinen Betriebe ausnimmt, finde ich eigentlich nicht so sinnvoll. Gerade durch kleinere Imbisse fällt ja sehr viel Verpackungsmüll an. Aber das Wichtigste ist: Wir laufen mit diesen neuen Bestimmungen endlich los, später kann man nachbessern“, findet Isabel Hausmann vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Nordrhein. Auf die Mehrweg-Regelung vorbereitet ist in der Mülheimer City etwa die Filiale von „Burger me“. Dort will man die Behälter des Mehrweganbieters „Vytal“ nutzen, bastelt allerdings noch an der technischen Umsetzung. Denn das System läuft über eine Kunden-App.
„Man kann unser Essen dann in Mehrweg-Boxen bekommen, die man zurückbringen oder bei einem anderen Vytal-Partner wieder abgeben kann. Die Behälter sollten gesäubert sein, werden bei uns aber erneut gespült. Es wird Pfand erhoben, das man zurückbekommt“, erläutert Sepehr Bigdeli von „Burger me“ an der Schloßstraße. Während „Vytal“ alles digital über ein Kundenkonto abwickelt, gibt es auch andere Anbieter, die ganz anders verfahren – zum Beispiel die Pfandgebühr in bar nehmen und auszahlen – oder auch eine einmalige Gebühr für den Becher kassieren. Über die verschiedenen Lösungen (z.B. Recup, Rebowl, Relevo, Papstar, And-less) kann man sich vor Ort oder im Netz informieren.
Mülheimer Bäckerei Hemmerle nutzt eigene Becher für Filialen
Im Nordsee-Restaurant im Forum stehen die Mehrwegbehälter schon sichtbar auf der Theke, ebenso die Mehrwegbecher in der Bäckerei Kamps. Die Mülheimer Bäckerei Hemmerle hat im letzten Sommer schon Mehrwegbecher bestellt, es gibt aber Lieferschwierigkeiten. „Ich hoffe, dass sie bald ankommen, wir werden sie stark bewerben, wir wollen ja Müll vermeiden“, sagt Geschäftsführer Peter Hemmerle. Man führe ein eigenes geschlossenes System ein. „Unsere Becher kann man nur in unseren Filialen wieder abgegeben. Beim ersten Mal zahlt man 50 Cent Pfand, danach kann man seinen alten Becher immer wieder abgeben und einen neuen befüllen lassen.“
Unter die neue Verordnung fallen auch die „Heißen Theken“ in Supermärkten. Edeka führt mit „regood“ deutschlandweit ebenfalls ein eigenes Mehrwegsystem für den Außer-Haus-Verzehr ein – also zum Beispiel auch in den Edeka-Märkten von Paschmann in Mülheim. Die Kunden können die Becher und Schalen gegen einen Pfandwert erwerben und sie nach Gebrauch gegen Erstattung des Pfandwertes zurückgeben.
Die Dehoga habe alle Betriebe informiert und im Vorfeld zu mehreren Info-Veranstaltung eingeladen, berichtet Isabel Hausmann. Man habe aber Verständnis dafür, dass es schleppend anlaufe. „Unsere Betriebe waren in den letzten Jahren nur mit Krisenmanagement beschäftigt, Corona, Energiekrise, Personalmangel - wenn die Inhaber mal zur Ruhe kommen, werden sie sich mit Mehrweg beschäftigen.“
Ziel sei es, das Kundenbewusstsein für Mehrweglösungen zu schärfen und ein Netz von möglichst vielen Rückgabestellen für die Kunden zu schaffen, so Hausmann. In manchen Städten haben sich auch die Gastrobetriebe eines Straßenzuges oder Viertels zusammengetan und alle beim gleichen Anbieter Mehrweggeschirr bestellt – damit die Kunden sie überall nutzen und wieder abgeben können. Von Kontrollen und Bußgeldern für Betriebe, die aktuell noch nicht mitziehen, hält Isabel Hausmann nichts: „Man sollte uns etwas Zeit lassen, wir müssen den Umweltgedanken leben, das muss sich erst einspielen.“
Mülheimer Café-Mitarbeiter: Gut gemeint - aber viele Fragen offen
Sie ist gut gemeint, die neue Mehrwegpflicht. Aber wird sie funktionieren? Die wichtigste Frage ist: Werden die Kunden auch mitmachen und sich für die Mehrwegsvariante entscheiden? „Wir bieten die recup-Becher schon länger an, warten noch auf die Bowls“, sagt Jerry Krüger vom Café Kaff. Bisher ist es so: „Nur jeder Zwanzigste nimmt den Mehrwegbecher und nur fünf Prozent unserer Kunden nehmen überhaupt Speisen-to-go mit.“ Um die Nachfrage nach Mehrweg zu erhöhen, müssten die Gastronomen sich möglichst absprechen und auf ein System einigen – damit es genügend Standorte in der Stadt gebe, wo das Geschirr zurückgenommen werde. Solche Gespräche gab es bislang aber nicht.
„Durch Corona ist Einweg so stark zurückgekommen, es ist schwierig, das wieder umzukehren“, glaubt Jerry Krüger. Ein großes Manko der Neuregelung sei, dass jede Pommes-Bude und jeder Döner-Laden ausgenommen sei, denn gerade dort falle viel Abfall an. „Auch die Kleinen müssten daher mitmachen. Die großen Restaurants geben ja gar nicht so viele Essen raus – das war hauptsächlich wegen Corona so.“ Ein weiteres Problem: Manche Behältnisse kosten beim ersten Kauf viel, das schrecke Kunden ab, sie bevorzugten dann doch die Einwegvariante. Jeder Betrieb zahle zudem auch eine hohe Systemgebühr an den Anbieter (etwa 100 Euro im Quartal), die erwirtschaftet werden müsse. „Bisher haben wir leider draufgezahlt“, so Jerry Krüger. Es könne daher auch sein, dass manches Restaurant oder Café sich wieder vom Außer-Haus-Verkauf verabschiede. Die Zukunft wird es zeigen.
Informationen gibt es unter dem Stichwort Mehrweg u.a. unter www.dehoga-nordrhein.de oder beim Ministerium für Umwelt www.bmuv.de.