Mülheim. Noch stehen in Mülheim genügend Lehrstellen für das neue Ausbildungsjahr zur Verfügung. Welche Geschichte ein 22-jähriger Mülheimer erlebt hat.

Gerald Agbo freut sich auf den 1. August. Dann fängt er bei der IHK seine Ausbildung als Kaufmann für Digitalisierungsmanagement an. Der 22-Jährige konnte sogar zwischen zwei Lehrstellen wählen. Sein Beispiel zeigt, was auf dem Ausbildungsmarkt für junge Menschen möglich ist.

Der Mülheimer, der am Mittwoch trotz seines Geburtstages zum Pressegespräch kam, ist vor elf Jahren aus Nigeria nach Mülheim gekommen. 2018 absolvierte er ein freiwilliges soziales Jahr, „um etwas an den Staat zurückzugeben“. Doch für die Arbeit in einer Tagespflege oder in einer Schule mit behinderten Kindern fehlte im letztlich die Kraft.

Corona kostete einem Mülheimer den Studienplatz

Also bewarb er sich mit Hilfe der Paritätischen Initiative für Arbeit (PIA) für einen Studienplatz in Angewandter Informatik. „Das hat auch Spaß gemacht, bis Covid kam und dafür gesorgt hat, dass wir viel zu Hause arbeiten mussten. Aber ich brauche die menschliche Komponente“, berichtet der Mülheimer.

„Wir haben unter unseren Azubis viele Studienabbrecher und viele sagen, dass es ihnen zu theoretisch war“, sagt Josephine Stachelhaus von der IHK zu Essen. Heike Gnilka, Abteilungsleiterin für Markt und Integration beim Jobcenter, erkennt „eine zunehmende Tendenz, dass mehr Leute mit 20 plus in die Ausbildung gehen“.

Arbeitsagentur: Noch zwei Lehrstellen pro Jugendlichem in Mülheim

Soll heißen: Es ist nie zu spät. „Die Leute können sich auch noch jetzt bei uns oder bei der Agentur für Arbeit melden“, betont Gnilka. Die Arbeitsagentur hatte Anfang des Monats vermeldet, dass es für jeden Jugendlichen in Mülheim noch zwei offene Ausbildungsstellen gibt. Daher sind Gnilka & Co. optimistisch, trotz der fortgeschrittenen Zeit, noch den ein oder anderen in die Lehre zu bringen. „Wir haben Anfragen, die bis in den September reingehen“, unterstreicht Sandra Schmitz von der IHK.

Silke Vomschloss, Casemanagerin im U25-Haus des Jobcenters, betreut Menschen zwischen 15 und 25 Jahren – seit 2018 auch Gerald Agbo. „Wir haben bei ihm fast alle Maßnahmen gebucht“, sagt die Betreuerin. Ihr eindringlicher Rat an Ausbildungssuchende ist daher, sich unbedingt helfen zu lassen. Sei es bei der richtigen Organisation des Alltags, beim Schreiben der Bewerbung oder schlicht bei einem richtigen Bewerbungsfoto.

Rat der Expertin: Keine Scheu vor dem Jobcenter

Ausbildungsmesse soll im September steigen

Zu den Präsenzveranstaltungen, die das Mülheimer Jobcenter mittlerweile wieder vermehrt anbietet, gehört auch die Ausbildungsmesse, die am 21. September in der Stadthalle über die Bühne gehen soll.Möglicherweise mit weniger Besucherinnen und Besuchern als in den Jahren vor Corona, aber – so hoffen es die Organisatoren – auch ohne weitere Einschränkungen. „Wir hatten auch gut besuchte Digitalangebote, aber ohne den persönlichen Kontakt geht es einfach nicht“, sagt Abteilungsleiterin Heike Gnilka.

Man sollte keine Scheu vor dem Jobcenter haben. Post vom Jobcenter heißt nicht gleich etwas Negatives“, sagt Vomschloss. Sie und ihr Team verfolgten kein festes Muster, sondern ließen sich auf jeden individuellen Fall ein. Auch Sandra Schmitz empfiehlt, jede mögliche Information einzuholen, um nicht alleine dazustehen.

Dass die Nachfrage wieder steigt, merken alle Beteiligten, seitdem wieder zunehmend Präsenzformate möglich sind. „Matching-Formate persönlicher Natur fanden ja lange nicht statt und die digitale Wirkung ist einfach eine andere“, erläutert Heike Gnilka. Viele jungen Menschen hätten nach ständigem Digitalunterricht in der Schule keine Lust gehabt, sich auch auf dem Arbeitsmarkt noch mit digitalen Angeboten herumschlagen zu müssen.

Gerald Agbo überzeugte beim Probearbeiten

Wie sehr der persönliche Kontakt überzeugen kann, zeigt wieder das Beispiel von Gerald Agbo, der die IHK bei einem dreitägigen Probearbeiten von sich überzeugte – und umgekehrt. Am Ende hatte der 22-Jährige sogar die Qual der Wahl, denn auch die Stadtwerke Gelsenkirchen hätten den Mülheimer gerne genommen. „Ich hatte das Glück, dass ich offenbar so gut aufgetreten bin, dass ich zwei Zusagen hatte“, schmunzelt Agbo und fügt lachend hinzu: „Wie ich das gemacht habe, weiß ich aber selbst nicht so genau.“