Gelsenkirchen-Altstadt. Gelsenkirchener Erkan Öztürk, selbst früher ein „Junge der Straße“, ist auf pöbelnde Jugendliche am Heinrich-König-Platz zugegangen - mit Erfolg.

Beschwerden über pöbelnde Jugendliche am Heinrich-König-Platz hat man nun länger nicht mehr von Einzelhändlern und Besuchern der Innenstadt gehört. Sicherlich trägt die soziale Kontrolle durch den Pop-Up-Biergarten und die aus der Lockdown-Ruhe erwachten Geschäfte ihren Teil dazu bei, dass junge Gelsenkirchener den Platz nicht mehr nur für sich beanspruchen. Aber auch Erkan Oztürk, Leiter der mobilen Jugendarbeit, hat seinen Beitrag geleistet, indem er vor den Sommerferien das Gespräch mit den Jugendlichen gesucht hat.

Sozialarbeiter und Vorbild: Wie Öztürk den Heinrich-Königs-Platz verändert

Ein Handschlag nach dem anderen folgt, wenn Öztürk sich auf dem Platz bewegt. Unter den Jugendlichen ist er nicht nur bekannt, sondern wird offenbar gemocht, als Vorbild gesehen. Er selbst bezeichnet sich als „damaliger Junge der Straße“. Seine eigenen Erfahrungen und sein Migrationshintergrund lassen die Jugendlichen zu ihm aufblicken, wie er betont.

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Trotzdem sei es anfangs nicht einfach gewesen, diese Beziehung zu ihnen aufzubauen, erzählt der Mitarbeiter der Katholische Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen (KJS), die Träger der mobilen Jugendarbeit ist. „Als sie sich in den Weg gestellt haben, habe ich mich vor sie gestellt und gefragt, was ihr Problem sei. Dabei habe ich in Kauf genommen, eine verpasst zu bekommen“, erzählt er.

Nach dem ersten Kontakt erfolgte die Überlegung, wie man besser an sie herankommt und genügend Beschäftigung schafft, damit die Jugendlichen durch „die Auslastung ihres Körpers erst gar keinen Unsinn machen“, sagt Öztürk. So könnten sie ihre überschüssige Energie schnell loswerden und diese positiv einsetzen. Um die Gruppe zu besänftigen, entschied sich das Team der mobilen Jugendarbeit dann regelmäßig verschiedene Freizeitangebote auf dem Heinrich-König-Platz anzubieten. In den Ferien pausierte das Angebot, jetzt sind die Sozialarbeiter zurück.

Eine Fußball-Aktion am 20. August war die dritte Veranstaltung in diesem Jahr. Angefangen hat alles im Juli mit einem Kickboxtraining. Antigewalttrainer und Sozialarbeiter Erkan Öztürk sieht darin Potenzial auf langfristiger Ebene. „Kickboxen erfordert Disziplin und man erlernt ein hohes Maß an Selbstbeherrschung. Wir fördern damit nicht die Aggressivität der Jugendlichen, im Gegenteil: Wir setzten uns auseinander mit Gewaltprävention.“ Dazu gehöre auch die Konfrontation mit der Opfer-Täter-Rolle. „Nur so erlangen die Jugendlichen Empathie und reflektieren ihr eigenes Verhalten“.

Das sind die Zukunftspläne der mobilen Jugendarbeit in Gelsenkirchen

Viele weitere Aktionen sind in Planung. „Das ist erst der Anfang. Wir wollen die Jugendlichen auch mit Musik erreichen. In einem mobilen Studio sollen Rap-Texte entstehen, am besten auch über den Heinrich-König-Platz. Die werden dann aufgenommen und als Musikvideo verfilmt“, erklärt der 42-jährige.

Die Ereignisse am Heinrich-König-Platz

Anfang Juni wendete Buchhändler Dirk Niewöhner sich an die WAZ-Redaktion in Gelsenkirchen, als aggressive Jugendliche durch ständige Pöbeleien, Diebstähle und Drohungen den Heinrich-König-Platz unsicher machten. In kürzester Zeit bekam das Thema riesengroße Aufmerksamkeit, als dann Kamerateams vor Ort drehten, Diskussionen im Netzt stattfanden sowie nahezu alle politischen Parteien sich zu Wort meldeten. Die Stadt wurde daraufhin tätig. Rund um den Heinrich-König-Platz wurden vermehrt Polizei und Ordnungshüter zur Abschreckung eingesetzt. Die Mobile Jugendarbeit war zuletzt angefordert worden, um langfristig den Jugendlichen eine andere Perspektive zu bieten.

Was jedoch dringend benötigt wird für die Realisierung der Pläne und Bekämpfung des Problems, seien Gelder der Stadt und Unterstützung durch die Ladeninhaber. „Jeder will, dass das Problem sich in Luft auflöst, aber die Gelder für Jugendarbeit stehen hinten an oder werden gekürzt“, ärgert sich Öztürk. Auch Christina Njehu, die als Leiterin der Buchhandlung Kottmann im Mai von den Jugendlichen angegangen wurde, hat sich dafür eingesetzt und unterstütz das Projekt finanziell. „Es hilft, wenn sich die Jugendlichen nicht im Stich gelassen fühlen“, findet sie.

Öztürk wird weiterhin versuchen, die Pläne der mobilen Jugendarbeit umzusetzen. Die Jugendarbeit sei von klein auf ein Teil seines Lebens gewesen. Er kenne die Höhen und Tiefen, sagt er. „Man muss einen langen Atem haben. Enttäuschungen, Rückschritte und Niederlagen gehören dazu, aber ich bin für die Jugendlichen da“.