Gelsenkirchen. Holger Ott ist Chef der Katholischen Jugendsozialarbeit in Gelsenkirchen - und weiß, was bei der Integration junger Migranten besser laufen muss.
Immer dann, wenn sich Jugendliche, - wie zuletzt im Juni am Heinrich-König-Platz – benehmen, als gehöre die Stadt ihnen, steht die Frage im Raum: Was läuft eigentlich genau falsch bei der Jugendsozialarbeit in Gelsenkirchen? Wie können die Teenager - häufig mit Migrationshintergrund - besser in die Stadtgesellschaft integriert werden? Und sind viele Integrationsangebote in Gelsenkirchen tatsächlich nur Kosmetik,so wie es die Bezirksbürgermeister der SPD Ende Juli im WAZ-Interview formulierten?
Holger Ott, Geschäftsführer der Katholischen Jugendsozialarbeit, hält solche Formulierungen für wenig hilfreich. Er habe den Aufschrei der Bezirksbürgermeister zwar sehr begrüßt, weil wichtige Probleme angesprochen worden seien. „Unsere Arbeit ist aber sicher viel mehr als interkulturelle Feste, auf denen gemeinsam türkische Backwaren produziert und verköstigt werden,“ sagt er. „Wir machen in der Sozialarbeit keine oberflächlichen Spielchen - sondern wir sind dafür da, dass wir die Regeln fürs Zusammenleben vermitteln und eine positive gesellschaftliche Entwicklung voranbringen." Diese Arbeit müsse ernster genommen, aber eben auch verbessert werden.
Warum die Kinder- und Jugendarbeit viel mehr Personal bräuchte
Gleichwohl kann Ott auch benennen, was gegenwärtig in der Jugend- und Integrationsarbeit falsch laufe. „Zunächst muss man sich klar machen“, sagt er, „dass es bei uns in den letzten zwei Jahrzehnten einen starken Kulturwandel gegeben hat.“ Als die offenen Ganztagsschulen (OGS) auf den Weg gebracht wurden, habe man das Personal der Kinder- und Jugendarbeit schwerpunktmäßig dort gebraucht. „Davor wurden eher die pubertierenden Jugendlichen begleitet. Das hat sich dann deutlich verändert.“
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Es müsse also politischer Wille sein, nun zusätzlich auch wieder mehr zu sagen: „Wir wollen auch Verantwortung übernehmen für die Jugendlichen, die auf die Ausbildungsphase zugehen.“ Sie seien in den vergangenen Jahren deutlich vernachlässigt worden.
Klar sei natürlich, dass sie auch ganz andere Bedarfe haben als die Kinder im OGS. „Es fängt damit an, dass für die Jugendlichen nicht der frühe, sondern der späte Nachmittag die interessante Zeit ist. Aber auch dann im Einsatz zu sein, würde für uns natürlich einen ganz anderen Personalbedarf bedeuten.“ Mit anderen Worten: Wer eine effektive Jugendarbeit will, muss eben auch in sie investieren. „Eine Verwaltung, eine Stadtspitze, muss das wirklich wollen.“
Sozialarbeiter Ott: Stadt Gelsenkirchen setzt sich keine genauen Ziele
Und das würde für Holger Ott auch bedeuten, sich klare Ziele zu setzen - also zum Beispiel festzulegen, eine bestimmte Zahl von rumänischen und bulgarischen Jugendlichen in einem gewissen Zeitpunkt mit einem Projekt zu erreichen. Es ist eine Gruppe, die Otts Team etwa mit dem „Ücky Jugendtreff“ noch überhaupt nicht erreicht, wie er zugibt. Solche an Zahlen festzumachende Zielvorgaben gebe es in der Jugendarbeit jedoch nicht wirklich. „Es fehlt ein klares Monitoring, eine klare Evaluierung.“
Was die Katholische Jugendsozialarbeit alles tut
Die Katholische Jugendsozialarbeit Gelsenkirchen (KJS) hat sich spezialisiert auf die mobile Jugendarbeit. Aktiv ist das Team in Schalke-Nord, Neustadt, Scholven, Bismarck, Bulmke und zuletzt auch in der Altstadt am Heinrich-König-Platz. Um die Pöbeleien der dortigen Jugendlichen zu unterbinden und ihnen eine sinnvolle Beschäftigung zu geben, wurde dort für sie unter anderem ein Kickbox-Training angeboten. Nach den Sommerferien soll es mit den Angeboten in der City weitergehen. Zudem ist die KJS Träger des Förderkorbs an der Wildenbruchstraße. Dort werden mit verschiedenen Projekten langzeitarbeitlose Jugendliche ohne Schulabschluss, Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Schulverweigerer unterstützt. Auch leitet die KJS den Ückendorfer Jugendtreff „Ücky“ an der Bochumer Straße.
Ebenso fehlt es laut Ott an engmaschiger Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren der Sozialarbeit - von den Schulsozialarbeitern über die Familienhilfe bis zu den Dolmetschern, der Fachverwaltung und der Jugendhilfe. „Jeder macht sein Ding, man arbeitet sehr monokausal.“ Ein besserer Austausch könne hier viel mehr voranbringen, meint Ott. „Wir haben die Strukturen ja alle, die Frage ist nur, wie wir sie einsetzen.“
Neues Projekt richtet sich schwerpunktmäßig an Migranten aus Südost-Europa
Besser gemacht werden soll einiges bei dem neuen Projekt „Gemeinsam in Ückendorf“, bei dem die Katholische Jugendsozialarbeit mit dem Evangelischen Jugendreferat und den Falken kooperiert. Wie Ott erzählt, soll an der Ückendorfer Straße 121 in einem ehemaligen Sonnenstudio ein Treff vor allem für rumänische und bulgarische Jugendliche entstehen - also eine Zielgruppe, welche man bislang nicht erreichen konnte. Geplant sind ein offener Freizeitbereich, Projekte zur Persönlichkeitsbildung, Lern- und Hausaufgabenhilfe. So sollen die Familien in den umliegenden Schrottimmobilien unterstützt werden und das Konfliktmanagement im Stadtteil gelingen. Genauer vorgestellt werden soll das Projekt Ende August.