Mülheim. Die Kritik an der Mülheimer Polizei reißt nicht ab. Im Prozess um den Polizeieinsatz hat die Justiz die Chance auf objektive Aufarbeitung vertan.
Die Kritik an der Mülheimer Polizei reißt nicht ab. Einen Prozess wegen unrechtmäßiger Polizeigewalt wird das neue Urteil des Landgerichts wohl abwenden können. Doch Justiz und Polizisten haben der ohnehin durch rechte Chats stark beschädigten Mülheimer Polizei damit einen Bärendienst erwiesen. Und nebenbei den vielen anständigen Polizisten, die jeden Tag bürgerfreundlich ihren Dienst ausüben.
Von „Herrschaften“ und „Bomben“ – der abschätzige Jargon der Polizei
Die vielen offenen Fragen, die Widersprüche in den Aussagen, die offenkundigen Absprachen unter den Polizisten, die Lässigkeit, mit der die Beamten über Faustschläge („Bombe“ im Polizeijargon) und „Fixierungen“ sprachen, die Brutalität des Vorgehens, die bis heute davon stark traumatisierten AZ-Mitarbeitenden – von der Polizei abschätzig als „Herrschaften“ bezeichnet. All das kondensierte an der kalten Oberfläche der Justiz.
Dass die Polizisten nach eigenen Angaben mit einer Voreinstellung gegen „staatskritische Linke“ zum AZ kamen, welchen Anteil sie selbst an der gewalttätigen Eskalation hatten, die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gegen die Mitarbeitenden, dass der eigentliche Einsatzgrund – ein Angriff gegen einen AZ-Gast – von der Polizei nicht mehr verfolgt wurde, untersuchte die Justiz nicht. Sondern trennte dies mit dem feinen Skalpell der Paragrafen von der Frage eines „Schubsers“ ab.
Macht sich die Justiz zur Verbündeten eines falschen Korpsgeistes?
Den hatte in der ersten Instanz die Staatsanwaltschaft selbst als so wenig relevant erachtet, dass sie damals auf eine Vernehmung des Polizeipraktikanten verzichtete. Dass das Landgericht diesen Schubser nun zum „tätlichen Angriff“ hochgestuft hat (eine Grauzone im Gesetz), aus „Zeugen“ nun also „Täter“ wurden, wird verhindern, dass die Anzeige der AZ-Mitarbeiterin wegen Polizeigewalt zum Tragen kommt.
Sie lässt aber danach fragen, inwiefern auch die Justiz sich zur Verbündeten eines möglichen Korpsgeistes macht, wenn sie das Handeln der Exekutiven nicht hinterfragt? So stolpert die Justiz selbst über den Schubser; die Chance auf eine objektive Aufarbeitung der Geschehnisse hat sie vertan.