Oberhausen. Digitaltechnik revolutioniert die künftige Pflegearbeit – und bringt Profis endlich mehr Pflegezeit für den Menschen. Nicht nur durch Roboter.
Wer den schwierigen, aber durchaus für viele erfüllenden Beruf als Altenpflegerin oder Altenpfleger ergreift, will vornehmlich den hilfsbedürftigen Menschen unter die Arme greifen, ihr Leben verschönern, so lange es geht. Nun sollen zunehmend Computer, Digitalisierung, virtuelle Spezialbrillen und technische Ausrüstungen die Arbeit als Pflegekraft erleichtert – engagierte Menschen treffen auf kalte Maschinen. Passt das zusammen? Wird die Pflege durch Technik-Einsatz unmenschlicher?
Stefan Welbers, der Leiter des Neuapostolischen Seniorenzentrums „Gute Hoffnung“ mitten in Sterkrade, ist offenbar ein Chef, der gerne die neuesten der neuesten Erfindungen auf dem Pflegemarkt ausprobiert. Und allen Technik-Skeptikern seiner Zunft nach einigen Erfahrungen mit Lernprogrammen, Internet-Geräten inklusive Sprachsteuerung und Kameras für die virtuelle Realität zurufen kann: „Macht mit! Es lohnt sich.“
Um sich über Erlebnisse in der Alltagspraxis mit technischen Angeboten der Industrie auszutauschen, hat Welbers sogar Kollegen und Co. zur Fachtagung im „Bistro Jahreszeiten“ eingeladen – da kann man voneinander lernen. Welbers berichtet von vier wertvollen Technik-Hilfen im Alltag, die es ermöglichen, dass die Pflege-Profis mehr Zeit haben für ihre eigentliche Arbeit am Menschen.
Pflegedokumentation nur noch per Sprachsteuerung
Erstens: Die verpflichtende Dokumentation der täglichen Pflege der Heimbewohner schreiben heutzutage noch viele Pflegekräfte handschriftlich auf Pappbogen oder tippen ihre Beobachtung in den Computer – eine von vielen äußerst ungeliebte zeitraubende Arbeit. Für 18.000 Euro hat Welbers ein Spracherkennungssystem für 30 Mitarbeiter und 80 Pflegebeschäftigte gekauft, mit dem man in sieben Dienstzimmern die Pflegedoku einsprechen kann: Gesamteindruck, Ess- und Trinkverhalten, Umlagerungen, Gewicht, körperliche Auffälligkeiten.
Die Erfahrungen mit Pflegerobotern
Und wie sehr helfen diese berühmten Pflegeroboter mit, die bisher für Laien anschaulichste Verwirklichung der Digitalisierung?Pepper und Yanni sollten einer Gruppe von Seniorinnen und Senioren ein paar Übungen beibringen. Das hat nach Angaben des Sterkrader Altenheimleiters Stefan Welbers auch gut geklappt – es gab nur ein Problem: Die Roboter sind offenbar zu niedlich. „Sie dürfen nur gestreichelt, aber nicht kräftig umarmt werden. Das haben unsere Bewohner aber gemacht – und dann schalten sie sich ab.“
„Damit sparen wir je Mitarbeiter je Schicht 15 Minuten ein: Statt einer halben Stunde dauert die Dokumentation nur eine Viertelstunde. Die gesparte Zeit wird ausdrücklich nicht dafür verwendet, mal irgendeine Ecke aufzuräumen, sondern die Beziehungsarbeit mit den Menschen zu intensivieren“, berichtet Welbers. Die Investition rentiere sich schnell, es gebe dafür hohe Fördermittel. Angenehme Folge: Die Zufriedenheit der von allen Seiten gesuchten examinierten Pflegekräfte steigt.
Pflege-Brillen helfen bei der Wundversorgung der Pflegebedürftigen
Zweitens: Noch eher im Modellstadium als Praxis-Routine ist der Einsatz von virtuellen Pflege-Brillen – etwa für die nicht einfache Wundversorgung. Eine Hilfskraft setzt sich die Brille auf – und am anderen Ende des Internets erblickt ein Medizinprofi oder eine examinierte Pflegespezialistin genau das, was die Hilfskraft sieht.
Ihr werden dann Anweisungen per Lautsprecher mündlich und in einem kleinen Fenster der VR-Brille schriftlich formuliert – nach und nach werden diese Ratschläge umgesetzt und vom Profi aus der Ferne geprüft. Und schon ist die Wunde versorgt, ohne dass teure Spezialisten oder Mediziner von außen beauftragt werden und herbeieilen müssen. Die erste Pflege-Brille, die Welbers in seinem Heim erprobte, hatte allerdings einen Wert von 100.000 Euro.
Exoskelette helfen beim Umbetten und Transport von Pflegebedürftigen
Drittens: Die körperliche Schwerstarbeit des Pflegepersonals könnte schon recht bald deutlich erleichtert werden – durch die neuartigen Exoskelette. Sie unterstützen als Ganzkörperanzug oder für die Arme die Muskelkraft des Trägers – nach Darstellung des Anbieters „Hunic SoftExo“ wird das Heben von Lasten bis zu 21 Prozent erleichtert.
Neue Denk- und Bewegungsübungen per Computerprogramm
Viertens: Neue Computer-gestützte Trainingskonzepte für Demenz gefährdete Altenheimbewohner haben die Sterkrader bereits für eine wissenschaftliche Arbeit ausprobiert – im Vergleich zu etablierten Übungen. Ausgerüstet mit Tablets und digitalen „Zauberstäben“ lösen die leicht beeinträchtigten Senioren Zahlen-, Merk- und Kombinationsaufgaben des Programms „Go4cognition“, machen dabei auch körperliche Übungen und lösen Aufgaben im Team. Ergebnis: „Damit haben wir größere Erfolge erzielt als in der Vergleichsgruppe – und es hat allen unglaublich viel Spaß gemacht“ (Welbers).