Mülheim. Eine Mülheimerin gibt ihre Mode-Boutique auf. Dringend bräuchte sie Geld aus einem Abverkauf. Doch die Corona-Krise verhindert das. Was nun?
Zehn Jahre lang hat Elke Schneider eine Boutique an der Quellenstraße in Saarn geführt: "Gisa Mode & Mehr". Sie verkaufte hochwertige Kleidung, Handtaschen, Accessoires - bis sie das Geschäft wegen der Corona-Auflagen schließen musste. Im Januar wurde ihr der Mietvertrag gekündigt, im Juli muss sie raus. Jetzt hat sie ein riesiges Problem.
Denn: Die Regale und Ständer in ihrem Modegeschäft sind voll mit aktueller Frühjahrsware, die gewöhnlich schon im Winter geliefert wird, seit Wochen aber niemand mehr kauft. Elke Schneider sagt: "Ich kann meine Lieferanten nicht bezahlen." Diese Sorge teilt sie gerade mit vielen Händlern. Erschwerend kommt aber hinzu, dass ihre Vermieterin das Ladenlokal zum 31. Juli gekündigt hat.
Mitte Juli muss der Laden leer sein
Für Elke Schneider wird es nach der Corona-Krise als Ladeninhaberin nicht weiter gehen. Ein Umzug mit "Gina Mode & Mehr" scheidet für sie aus. Im kommenden Jahr wollte die 60-Jährige das Geschäft ohnehin aufgeben. Jetzt steht sie unter Druck: "Die Kündigung kam völlig überraschend. Mitte Juli muss der Laden leer sein, zumindest die Ware weg sein, damit ich die Einrichtung abbauen kann."
Soforthilfe reicht nicht, um alle Rechnungen zu bezahlen
Sie müsste einen Räumungsverkauf starten, "aber ich weiß nicht, wann ich wieder öffnen darf". Soforthilfe aus dem Corona-Rettungsschirm habe sie beantragt und auch bekommen. "Damit konnte ich einen Teil der Rechnungen begleichen." Aber eben nicht alle. Elke Schneider bezweifelt auch, dass sie einen Bankkredit erhalten würde, weil sie ja ab August kein Geschäft mehr hat. Momentan ist sie ratlos: "Mir läuft die Zeit davon. Insolvenz?"
Corona-Krise: Vor allem kleine Firmen suchen Rat beim Fachanwalt
Eine Frage, die sich derzeit sicher zahlreiche Geschäftsleute stellen. Viele Einzelfälle laufen momentan auch in der Mülheimer Anwaltskanzlei Fohrmann auf. Die Kanzlei mit Hauptsitz an der Friedhofstraße ist spezialisiert unter anderem auf Insolvenzrecht. Sie tritt mit einer eigenen GbR als Insolvenzverwaltung und Sanierungsberatung auf. Die Auswirkungen der Corona-Krise sind im Alltagsgeschäft schon zu spüren.
"Im Moment kommt eine Reihe von Klienten auf uns zu, die sich beraten lassen", erklärt Martina Fohrmann, Rechtsanwältin in der Speldorfer Gemeinschaftskanzlei. "Es sind eher kleinere Firmen. Sie erkundigen sich: Wie kann ich Fördergelder bekommen oder Kredite?" Die Rechts- und Sachlage sei tatsächlich auch für Juristen neu, außerdem ändere sie sich ständig.
"Es ist aber nicht so, dass wir uns vor Anfragen nicht mehr retten könnten", ergänzt die Fachanwältin. Insolvenzfälle, die in den vergangenen Wochen neu auf den Tisch gekommen seien, hätten sich schon länger angebahnt. Martina Fohrmann glaubt: "Wie sich die Corona-Krise wirtschaftlich auswirkt, ob es eine große Welle von Insolvenzen gibt, wird man erst in den nächsten Wochen und Monaten sehen."
Für Geschäftsfrau Elke Schneider, die sich von ihrer Boutique vorzeitig verabschieden muss, wäre eine Insolvenz nur der allerletzte Ausweg: "Ich will es so versuchen. Ich hoffe, dass ich meinen Laden im Mai wieder aufmachen und der Räumungsverkauf losgehen kann." Normalerweise würde es im Juni schon wieder mit der Herbstware beginnen. Aber sicher nicht mehr im Modeladen an der Quellenstraße.
INSOLVENZGERICHT IM NOTBETRIEB
Für Insolvenzverfahren in Mülheim ist das Amtsgericht Duisburg zuständig. Auch dort läuft wegen der Corona-Pandemie derzeit nur noch ein Notbetrieb.
Eilige Angelegenheiten würden aber vorrangig behandelt, so Rechtsanwältin Martina Fohrmann.